Protest/Architektur – Barrikaden, Camps, Sekundenkleber

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DAM OSTEND
Henschelstraße 18
60314 Frankfurt am Main

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Was geht?

In einer demokratisch gelebten Welt gehört Protest in Form von Demonstrationen und Meinungsbekundungen zum politischen und gesellschaftlichen Leben. Aber gerade auch in nicht-demokratischen Strukturen ist der öffentliche Protest ausschlaggebend für  einen zukünftigen Wandel. – das zeigt der Blick in die verschiedensten Zeitschnitte der Geschichte. Die Ballungszentren der Protestbewegungen werden in vielen Fällen durch Protestcamps zu baulichen Strukturen – eines der jüngsten Beispiele in Deutschland ist die Siedlung im Hambacher Forst, welche die Protestierenden in den Bäumen und mit verbindenden Hängebrücken errichteten. Diesen und anderen Protestarchitekturen widmet das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Kooperation mit dem Wiener MAK – Museum für Angewandte Kunst bis zum 14. Januar 2024 die aktuelle Ausstellung „Protest/Architektur – Barrikaden, Camps, Sekundenkleber“.

Die Baumhaussiedlung im Hambacher Wald: ein seit 2012 besetztes Waldstück an der Grenze zum Tagebau Hambach. Über die Jahre entstanden dort aufwendig gebaute Strukturen mit Hängebrücken, Solarpaneelen und Heizöfen. Nach einer Räumung 2018 entstand eine neue Generation von miteinander vernetzten Baumhäusern. © Tim Wagner, 26. Mai 2019

Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden 13 Protestereignisse zwischen 1968 und 2023 aus Ägypten, Brasilien, Deutschland, Hongkong, Indien, Österreich, Spanien, der Ukraine und den USA. Dort entstanden jeweils Protestcamps von unterschiedlicher Dauer und mit sehr verschieden ausgeführten baulichen Strukturen: In Kairo läuteten 2011 die Proteste auf dem Tahrir-Platz mit der Besetzung des Kreisverkehrs den Arabischen Frühling ein, in Hongkong und bei „Occupy New York“ entstanden Zeltstädte, in Kiew wurde der Majdan zu einer Festung aus Barrikaden und in Delhi dauerte eine Autobahnblockade mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen, die zu Häusern umgebaut waren, ganze sechzehn Monate. Ein Beispiel kommt auch aus dem regionalen Umfeld der Ausstellung: Im Flörsheimer Wald südwestlich von Frankfurt am Main entstand ab Mai 1980 ein Protestcamp gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Dennoch wurden die in der Ausstellung vorgestellten politischen Bewegungen nicht danach ausgesucht, ob sie dem Kurator:innen-Team unter der Leitung von Oliver Elser (DAM) sympathisch oder unterstützenswert erschienen, sondern aufgrund ihrer starken räumlichen Komponenten. Denn die Architektur spielte für die Proteste oft eine wesentliche Rolle.

Barrikade an der Qasr-el-Nil-Brücke im Zuge der Proteste auf dem Tarier-Platz in Kairo 2011 © Hossam el-Hamalawy, 3. Februar 2011

Zu sehen sind eine Vielzahl von Modellen, Fotos und eine eigens für die Ausstellung entstandene Filminstallation des Frankfurter Regisseurs Oliver Hardt („The Black Museum“, 2018). In Zusammenarbeit mit Aktivist:innen konnte zudem eine Hängebrücke aus der Baumhaus-Siedlung im Hambacher Forst im Ausstellungsraum aufgehängt werden. Die gezeigten Case Studies analysieren Proteste auf der ganzen Welt und zeigen, dass in unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Kontexten aus begrenzten Ressourcen experimentelle Bauten für ungewöhnliche Gemeinschaften auf Zeit entstehen können. Faszinierend ist in allen Fällen die Energie, Leidenschaft und Risikobereitschaft der Protestierenden.

Protestcamp mit mehr als 2300 Zelten auf einer achtspurigen Straße im Central Business District von Hongkong. Während der dreimonatigen Besetzung wurde das Camp mit WiFi, gasbetriebenen Generatoren, Hotelbetrieb und Lernräumen ausgestattet. © Vicky Chan, 12. November 2014


Beitragsbild: Im Flörsheimer Wald südwestlich von Frankfurt am Main entstand ab Mai 1980 ein Protestcamp gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Blockiert wurde der Bauplatz der „Startbahn West“. © Walter Keber, 1981