Ein Beitrag von Rosemary Feenan, Director Global Research, JLL Die Welt verändert sich aufgrund von fortschreitender Globalisierung und Urbanisierung mit hohem Tempo. Es gibt bereits 26 Mega-Cities mit mehr als 10 Millionen Einwohnern und jede Woche wächst die Stadtbevölkerung um eine weitere Million. Zudem führen das Wachstum der digitalen Wirtschaft und die technologischen Fortschritte zu neuen Stadttypen. Neue „silicon geographies“ entstehen durch Innovation und Entrepreneurship. Diese Prozesse sorgen nicht nur für größere Städte, sondern rütteln auch an deren globaler Hierarchie. Früher kaum beachtete Städte steigen plötzlich in die globale Spitzengruppe auf. Dieser Wettbewerb kommt nicht nur aus Asien. Zunehmend kämpfen auch lateinamerikanische Städte um ihren Rang und in der nächsten Dekade ist auch mit Konkurrenz aus Afrika zu rechnen.
Was genau also ist der „Wettbewerb der Städte“? Erfolg basiert heute nicht länger auf traditionellen Indikatoren wie Größe und Wachstum, sondern auf einem ständig wechselnden Faktoren- Mix, der Städte attraktiv und lebenswert macht. Diese reichen von Fachkräfteangebot über Wirtschaftsfreundlichkeit bis hin zu Nachhaltigkeit, Widerstandsfähigkeit und Transparenz. Dank immer mehr verfügbarer Daten entwickelt sich eine neue „Wissenschaft“, die eine neue Perspektive auf die Performance von Städten bietet.
Deutschland zeichnet sich durch ein multifunktionales System mit mehreren Städten aus, die unterschiedliche spezifische Vorteile bieten. Auch wenn keine in Bezug auf die schiere Größe an London, Paris, New York oder Tokyo heranreicht, bleiben doch mehrere Städte dank bestimmter Spezialisierungen wettbewerbsfähig. Deutsche Städte sind gut durch die Finantkrise gekommen und zeigen im europäischen Vergleich mit das gesündeste Wirtschaftssystem. Unter den wichtigsten europäischen Städten ragen München und Berlin als zwei der Top-Performer nach der Krise heraus. Auch die industriellen Zentren in Deutschland stehen gut da.
Diese Stärke resultiert auch aus vielfältigen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Nahezu jede wichtige deutsche Stadt brilliert in dem einen oder anderen Bereich. In Berlin blüht die Start-up-Landschaft; allein 2014 wurden über 1,1 Milliarden Dollar in Start-up-Unternehmen investiert. Hamburg konnte innerhalb der letzten zehn Jahre die zweitmeisten Start-ups in Deutschland vorweisen. München rangiert europaweit unter den Top-10-Regionen für Hightech-Arbeitsplätze; Stuttgart bleibt unter den europaweit führenden Städten hinsichtlich Patentanmeldungen; Frankfurt konnte zwischen 2008 und 2012 die Zahl der in der digitalen Wirtschaft Beschäftigten um 50 % steigern. Die deutsche multipolare Städtehierarchie hat also Stärke und Tiefe bewiesen.
Aber wo stehen die deutschen Städte im internationalen Vergleich? In Deutschland gibt es keine eindeutig dominante Stadt. Stattdessen füllt jede der A-Städte ihre eigene internationale Identität und Funktionalität aus. München gilt gemäß unterschiedlicher Indikatoren als die beste Stadt zum Arbeiten, Investieren und Leben. Berlins Reputation wächst, insbesondere als Zentrum für Technologie und digitale Innovation, während Frankfurt – als traditionelles deutsches Finanzzentrum – sich weiter etabliert dank seiner globalen Vernetzung, exzellenter Infrastruktur und innovativer Unternehmen. Auch Hamburg gilt zunehmend als lebenswerte Stadt, mit sehr zufriedenen Bewohnern und starkem produzierenden Gewerbe.
Deutsche Städte bleiben dank dieser Kombination aus wirtschaftlicher Robustheit, Stabilität, transparenter Märkte und Liquidität attraktiv für Immobilieninvestoren. Deutschlands Top 5 rangieren unter den globalen Top-50-Zielen für Immobilien- Investments. Auch JLL’s Investment Intensity Index, der das Investitionsvolumen ins Verhältnis zum lokalen Bruttoinlandsprodukt setzt, zeigt die gute Performance dieser Städte – wobei München, Frankfurt und Berlin global betrachtet sogar unter den Top 20 auftauchen.
Deutsche Städte werden auch weiter attraktiv bleiben. JLL’s City Momentum Index kombiniert kurzfristige sozioökonomische und immobilienwirtschaftliche Variablen mit langfristigen und listet Berlin und München als zwei der dynamischsten Städte Europas. Vor allem hinsichtlich langfristiger Faktoren wie Innovation und Bildung schneiden beide Städte sehr gut ab und bieten hierdurch Potenzial, ihre gute Position auszubauen. Der Wettbewerb zwischen Städten wird zweifelsohne intensiver werden. Deutschlands Städte sind in einer guten Ausgangslage, um von dem globalen System zu profitieren. Sie dürfen sich jedoch nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Der Wettkampf der Städte wird zum globalen Spiel. Um daraus Nutzen zu ziehen, müssen die Städte sich stärker vernetzen und lokale Kooperationen auf- und ausbauen. Letztlich muss sich jede Stadt immer wieder an den ständigen Wandel im Wettkampf der Städte anpassen.
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