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Vor allem in Innenstädten stellt der rasante Aufschwung des Onlinehandels ein zunehmendes Problem dar. Während der Rückgang des stationären Einzelhandels Fußgängerzonen in generisches Ketten-Einöd transformiert, verstopfen Lieferfahrzeuge zu jeder Tageszeit den Straßenraum. Die Corona-Pandemie leistete ihren Anteil am Boom, der Pfeil deutet jedoch schon seit Jahrzehnten nach oben. 2020 zählte der Bundesverband Paket und Expresslogistik über vier Milliarden verschickte Sendungen; zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Laut PricewaterhouseCoopers macht der Lieferverkehr rund ein Viertel des Gesamtverkehrsaufkommens aus, ist dabei aber für 80 % aller Staus im urbanen Raum verantwortlich. Dazu kommt eine erhöhte CO2- und N2-Belastung, die auch der sukzessive Umstieg auf Elektrofahrzeuge zum jetzigen Stand nicht hinreichend bremst.
Es braucht also innovative Ideen, um die Logistik der „letzten Meile“ an den Auftrieb des Onlinehandels und die ökologischen Bedürfnisse der Innenstädte anzupassen. Nicht nur der technologische Fortschritt muss hier zum Einsatz kommen, es muss auch ein Umdenken stattfinden. Hier tritt die Düsseldorfer Spedition ABC-Logistik als Vorreiter auf, die mit incharge ein smartes Logistikkonzept entwickelt hat. Unternehmen geben das neu errichtete, 12.000 m2 Lagerfläche fassende City-Logistikzentrum der Spedition als Lieferadresse an, woraufhin incharge die über den Tag eingehenden Pakete sammelt und sie am Nachmittag gebündelt ausliefert. Laut Unternehmensangaben reduziere diese Konsolidierung die Lieferfahrten massiv: Mehrere Tausend Fahrten sollen in Düsseldorf täglich eingespart werden. Besonders sinnvoll ist das Konzept für Großkund:innen, die ansonsten mehrmals täglich von mehreren Anbietern angefahren werden müssten.
Im Beispiel incharge fungiert die Lagerhalle im Düsseldorfer Hafen als Makro-Hub, der Platz für Tausende Lieferungen bietet. Andere Anbieter nutzen Mikro-Hubs, die mit weitaus kleinerer Lagerfläche, dafür aber in größerer Anzahl im Innenstadtbereich verteilt sind und nachts mit Paketen beliefert werden, deren Adressat:innen in der Nähe wohnen. Zur Auslieferung werden sie tags darauf auf Lastenräder oder andere kleine Liefervehikel geladen und sowohl zeitökonomisch als auch ökologisch zugestellt. Hierzu forscht beispielsweise die Deutsche Bahn, die am Berliner „Te-Damm“ einen Mikro-Hub installiert hat, in Kooperation mit dem BMVI. Zwei Lieferdienste haben die Zusammenarbeit bereits aufgenommen, in den kommenden vier Jahren soll das Partnernetzwerk weiter wachsen. Auch Post-Tochter DHL betreibt einige Mikro-Hubs, unter anderem in Frankfurt am Main. Die Auslieferung erfolgt mit sogenannten Parcycles, die täglich bis zu 300 Sendungen in die Innenstadt bringen. Mancherorts wird diskutiert, Verkaufshäuser dazu zu motivieren, ihre Lagerräume als Mikro-Hubs zur Verfügung zu stellen.
Als weitere Zukunftsperspektive der Last-Mile-Logistik wird der Einsatz von Drohnen gedacht, also die Verlagerung des Lieferverkehrs in den Luftraum. Was in China und den Vereinigten Staaten spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie gängige Praxis ist, befindet sich in Deutschland noch in der Pilotphase. In Berlin werden seit Ende 2020 besonders zeitkritische Blutproben zwischen einzelnen Charité-Standorten und Laboren hin- und hergeflogen. Einen großflächigen Einsatz im Warenhandel verhindern zum heutigen Stand noch bestimmte Regularien. Gleiches gilt für die seit 2014 in der Planungsphase befindliche Amazon Prime Air, die über den Versandhändler bestellte Ware schon bald innerhalb von 30 Minuten vor die Haustür bringen soll. In Deutschland dürfen Drohnen ab fünf Kilogramm Fluggewicht nur in Sichtweite bewegt werden, was kilometerweite Lieferungen vorerst ausbremst. Die Rechtsprechung in diesem Bereich kann sich jedoch schnell ändern – gerade im Hinblick auf die angespannte Transportlage. Die Last-Mile-Logistik ist eines der Sorgenkinder des nationalen und internationalen Warenhandels und stellt viele Branchen vor große Herausforderungen. Gleichzeitig eröffnet sie eine große Bandbreite an Geschäftsfeldern und kann innovationsbeflügelnd wirken.
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