Ein Beitrag von Nicole Graf, Leiterin des Referats „Soziale Stadt, Städtebauförderung, ESF“ im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB).
Die Investitionen des Bundes in den Städtebau sind so hoch wie nie zuvor: jeweils 700 Millionen Euro standen 2014 und 2015 zur Verfügung. Die gleiche Summe ist für 2016 vorgesehen. Essenzieller Bestandteil der Stadtentwicklungspolitik des Bundes und der Städtebauförderung ist das Programm Soziale Stadt. Seit Programmstart 1999 konnten 659 Fördergebiete in 390 Städten unterstützt werden.
Der Erfolg des Programms Soziale Stadt liegt vor allem in der integrierten Herangehensweise. Vor Ort in den Quartieren werden bauliche Maßnahmen verknüpft mit investitionsbegleitenden Maßnahmen und idealerweise arbeiten alle betroffenen Verwaltungseinheiten Hand in Hand. Grundlage dafür ist ein integriertes Entwicklungskonzept, das die Kommunen erstellen. Diese räumlich integrierten, ressort- und akteursübergreifenden Konzepte sind das zentrale Instrument für die Umsetzung der Fördermaßnahmen und seit 2012 verpflichtende Fördervoraussetzung. Sie beschreiben die Entwicklungsziele und Maßnahmen für den Stadtteil und werden im Verlauf der Förderung aktualisiert und fortgeschrieben. Die Städtebauförderung finanziert somit keine Einzelprojekte vor Ort, sondern immer ein Maßnahmenbündel, das dazu beiträgt, die selbstgesteckten Entwicklungsziele für das Quartier zu erreichen. Diese Maßnahmen können dabei sowohl investiv als auch investitionsbegleitend sein. Im baulich-investiven Bereich können zum Beispiel die Sanierung von sozialer Infrastruktur wie Nachbarschaftsreffs, Stadtteilzentren oder Mehrgenerationenhäusern, aber auch Investitionen im öffentlichen Raum: in Spiel- und Bolzplätze, in Gemeinschaftsgärten und Stadtplätze, in ein besseres Wohnumfeld oder in den Abbau von Barrieren gefördert werden.
Im investitionsbegleitenden Bereich gehören die Erstellung und Fortschreibung der integrierten Entwicklungskonzepte, die Einsetzung eines Quartiersmanagements vor Ort sowie Maßnahmen zur Bürgerbeteiligung und zur Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements, z. B. über Verfügungsfonds, zu den förderfähigen Maßnahmen.
Das Quartiersmanagement ist ein Kernelement der Sozialen Stadt. Die Quartiersmanager sind die Kümmerer im Stadtteil, bei denen die Fäden des integrierten Handelns zusammenlaufen. Die Aufgaben des Quartiermanagements sind dabei sehr vielfältig. Als Schnittstelle zwischen Bürgern und Verwaltung nehmen Quartiersmanagerinnen und -manager unmittelbar die Defizite und Chancen vor Ort wahr und regen Verbesserungen an. Sie aktivieren die Bewohnerschaft und arbeiten mit lokalen Akteuren zusammen, sie koordinieren und bündeln die Maßnahmen, initiieren Projekte und wirken bei Anträgen für weitere Fördermittel aus anderen Programmen mit. Das Quartiermanagement schafft eine lebendige Nachbarschaft und leistet einen wichtigen Beitrag zum nachbarschaftlichen Miteinander vor Ort.
Das Instrument des Quartiersmanagements ist in der Sozialen Stadt inzwischen erfolgreich etabliert und hat auch in andere Städtebauförderprogramme und Politikbereiche Eingang gefunden.
Ein weiteres zentrales Element des Programms Soziale Stadt ist die frühzeitige Beteiligung der Bewohnerschaft in die Planung und Umsetzung im Quartier. Das hilft nicht nur dabei, die Angebote passgenauer zuzuschneiden, es erhöht auch die Akzeptanz für die Projekte deutlich. Eine Besonderheit in der Städtebauförderung ist dabei der Verfügungsfonds. Damit können kleine Projekte und Aktivitäten, die viele Menschen im Stadtteil erreichen, umgesetzt werden. Über die Verfügungsfonds wirken auch Vereine, Verbände und Ehrenamtliche aktiv an der Stadtteilarbeit mit.
Die Kernelemente des Programms Soziale Stadt (integriertes Handeln, Quartiersmanagement, Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements, zielgenaue Verknüpfung verschiedener Projekte) finden sich in nahezu allen Fördergebieten – auch wenn die Ausgangslagen sehr unterschiedlich sind: 42 % der Maßnahmen liegen in Großstädten, 38 % in Mittelstädten und 20 % in Kleinstädten und ländlichen Gebieten. Die Quartiere umfassen unterschiedliche Zielgruppen und Ziele, von den Bildungschancen für Kinder und Jugendliche über die Arbeitsmarktintegration von Langzeitarbeitslosen, die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund bis hin zur städtebaulichen Erneuerung des Wohnumfeldes und der sozialen Infrastruktur.
Im Sinne des integrierten Ansatzes fördert der Bund, ergänzend in den Fördergebieten der Sozialen Stadt, Maßnahmen zur Integration in Arbeit und Ausbildung und zur Stärkung der lokalen Ökonomie. Mit dem ESF-Bundesprogramm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“ werden Mittel des Europäischen Sozialfonds und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gezielt in der Sozialen Stadt gebündelt, um die (Aus-)Bildungs- und Beschäftigungschancen von Frauen und Männern ab 27 Jahren zu verbessern. Insgesamt stehen zwischen 2015 und 2020 rund 154,5 Millionen Euro zur Verfügung. In der aktuell laufenden Förderrunde werden bundesweit 74 Projekte gefördert. Im Vordergrund der Projekte steht die Verknüpfung der Qualifizierungs- und Ausbildungsmaßnahmen mit Aktivitäten für den Stadtteil, beispielsweise Imagefilmen Rundgänge, Anlage und Gestaltung von Stadtteilgärten oder die Begrünung von Baumscheiben. Wichtige Netzwerkpartner für die umsetzenden Kommunen sind vor allem das Quartiersmanagement, die Jobcenter, Betriebe und Migrantenorganisationen.
Ein weiteres Beispiel ist das ESF-Modellprogramm „JUGEND STÄRKEN im Quartier“. Es wurde 2014 als ressortübergreifendes Programm gemeinsam vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit aufgelegt. Unterstützt werden junge Menschen bis 26 Jahre in Gebieten sozialer Städte oder vergleichbaren Gebieten beim Einstieg in das Ausbildungs- und Berufsleben. Das Förderangebot reicht von aufsuchender Arbeit über Beratung und Einzelfallhilfe bis zu stadtteilbezogenen Mikroprojekten. In der ersten Förderrunde 2015 bis 2018 setzen über 180 Modellkommunen Projekte zur Förderung junger Menschen durch öffentliche und freie Träger im Bereich Jugendsozialarbeit um. Der Bund beteiligt sich hieran mit rund 115 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds und 5 Millionen Euro Bundesmitteln.
Ein Anliegen ist es, in Zukunft den kooperativen Ansatz der Sozialen Stadt weiterauszubauen. Dafür ist neben der ressortübergreifenden Zusammenarbeit auch ein neues Miteinander von zivilgesellschaftlichem Engagement und staatlichem Handeln auf Augenhöhe erforderlich. (Wohnungs-)Unternehmen und Stiftungen sind wichtige Partner und Mitstreiter für eine soziale Quartiersentwicklung. In vielen Fällen werden bereits Projekte des gemeinschaftlichen Engagements vor Ort umgesetzt. Zumeist findet das Engagement von Unternehmen und Stiftungen parallel zu den Aktivitäten der öffentlichen Hand statt. Den Kommunen fehlt es oft noch an Erfahrungen, auf Unternehmen und Stiftungen zuzugehen. Gleichzeitig mangelt es diesen an Ansprechpartnern oder Kontaktpersonen, um ihre Projekte gezielter auf benachteiligte Stadtteile auszurichten. Ein vom BMUB gefördertes Forschungsprojekt im Rahmen des Programms „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ hat deshalb eine Arbeitshilfe für die kommunale Praxis, den Leitfaden für die Zusammenarbeit mit Unternehmen und Stiftungen „Benachteiligte Quartiere gemeinsam unterstützen“, entwickelt, die Abhilfe schaffen soll.
Schreibe einen Kommentar