
© Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
Wir sprechen heute über unser „Kulturelles Erbe“, das mitunter auch an bestimmte Architekturtypologien geknüpft wird. Die BIMA hat zahlreiche Bunker im Bestand und in den vergangenen Jahren als Spezialliegenschaften veräußert. Könnten Sie kurz die Gründe für die Erhaltung von Bunkern erläutern?
In den vergangenen 80 Jahren sind die Bunker aus dem ganz einfachen Grund erhalten geblieben, weil sie nicht abgerissen wurden. Immobilienwirtschaftliche Nutzungen wurden nicht vorangetrieben, teils wegen der hohen technischen Anforderungen, teils weil ausgewählte Bunker bis in 90er Jahre für den Zivilschutz bereitgehalten wurden. In den letzten fünf bis zehn Jahren ist das Interesse an diesen Spezialimmobilien neu entfacht. Das liegt maßgeblich auch an den neuen technischen Möglichkeiten, die sich rasant weiterentwickelt haben und es überhaupt erst möglich machen, mit dieser Art von Bausubstanz „richtig“ umzugehen. Mittlerweile ist der Abriss eines Bunkers relativ kostengünstig bzw. sein Umbau technisch realisierbar. Viele Bunker stehen in guten Lagen. Das haben auch einige Architekten entdeckt und mit ihren ersten Entwicklungen Best-Practice-Beispiele geschaffen, die eine Art Lawine ausgelöst haben. Seither verzeichnen wir in der Tat einen regelrechten „Run“ auf die Objekte. Darüber hinaus wurde das Thema auch intellektuell aufgearbeitet, wie beispielsweise von der TU Dortmund, mit der wir eine Kooperation eingegangen sind: Mithilfe der Identifizierung charakteristischer Konstruktionsmerkmale erstellten die Studierenden eine ingenieurwissenschaftliche Bunker-Typologie. Daneben wurden Best-Practice-Beispiele für die Entwicklung von Hochbunkern dokumentiert. Die daraus resultierenden technischen und gestalterischen Erkenntnisse hat man dann im Rahmen eines studentischen Wettbewerbs für die Umgestaltung der Bunker genutzt, die wir noch als Restbestand in unserem Portfolio führten. Die technischen Grundlagen, die Best-Practice-Projekte und die studentischen Entwürfe waren allesamt so inspirierend, dass wir uns dazu entschlossen haben, sie in unserer Dokumentation „Bunker beleben“ vorzustellen. Mittlerweile ist die Nachfrage nach Bunkern so hoch wie noch nie.
Könnten Sie kurz erläutern, wodurch sich die besonders gelungenen, innovativen Konzepte auszeichnen? Haben sie vielleicht auch etwas gemeinsam?
Alle Konzepte sind nicht nur innovativ im Hinblick auf technische Lösungen, sondern überzeugen insbesondere durch ihre qualitativ hochwertige Architektur. Die dargestellten Wohnnutzungen unterscheiden sich z.B. enorm von denen im direkten Umfeld. In jedem Konzept fungiert der Bunker als Basis, die um spezifische Bauteile ergänzt wird. Teilweise wurde die Struktur des Bunkers auch sehr aufwändig verändert, um die Bunker als Bausubstanz nutzen zu können. So ermöglichen z.B. Anbauten die Mischnutzung von Wohnen und Gewerbe. Allen gemein ist, dass sie immer in speziellen Lagen verortet sind und der gestalterische Spielraum quasi unendlich ist. Ein ganz prominenter Bunker ist z.B. der, der die Kunstsammlung (Sammlung Boros) in Berlin beherbergt oder das sogenannte Bochumer „Zentralmassiv“, in dem die private Universität (SAE Institute) für Mediengestaltung und Spieleentwicklung, ein Café sowie exklusive Eigentumswohnungen auf dem Dach realisiert worden sind – ein durch und durch kreativer Ansatz.

Zentralmassiv in Bochum, Springerplatz, Architekten: stark design © stark design
Wie viel nutzbare Fläche bietet ein Bunker? Gibt es dahingehend einen Durchschnittswert?
Das hängt immer von der jeweiligen Bunker-Typologie ab. Hochbunker haben bis zu sieben oder mehr Geschosse und waren ursprünglich für mehrere tausend Leute konzipiert. Solche Hochbunker finden sich v.a. in NRW, z.B. in Herne. Kleinere Bunker, wie z.B. in einem Wohngebiet in Bremen, fügen sich so perfekt in die dort anzutreffende Bebauung ein, dass sie quasi unsichtbar werden. Die Bunkergröße richtete sich in der Vergangenheit immer nach der Anzahl potenziell schutzbedürftiger Menschen. Daneben gab es auch Spezialbunker, wie den Bunker „Valentin“ aus dem Zweiten Weltkrieg. Solche riesen Bunker nutzte meist das Militär. Unser Augenmerk liegt primär auf innerstädtischen Bunkern in funktionierenden Wohngebieten, die sich für kreative Entwicklungen am besten eignen. Schauen Sie sich z.B. mal den Kölner Bunker in der Herthastraße an: Er steht in einer Reihe von mehreren Geschosswohnungsbauten und fällt als Bunker gar nicht mehr auf.
Welche Herausforderungen ergeben sich aus baurechtlicher Sicht bei der Weiterentwicklung von Bunkern?
Der Umbau von Bunkern ist eine typische Spezialaufgabe für Planer. Normalerweise hat so ein Bunker gar kein Baurecht. Er könnte als Sondergebiet definiert werden, aber solch formale Betrachtungen helfen nicht. Der Bunker war, ist und bleibt eine Spezialimmobilie – und als solche muss er behandelt werden. Glücklicherweise haben sich viele Planungsämter äußerst kooperativ gezeigt. Immerhin ist es ja auch das Ziel, die Neugestaltung von Bunkern in Einklang mit der Umgebung zu bringen. Vielleicht wäre es oft einfacher, die Bunker abzureissen und die Fläche für einen Neubau zu nutzen. Aber: Ist dies der richtige Umgang im Kontext unseres kulturellen Erbes? Es ist doch viel spannender zusammen mit Planungsbehörden, Eigentümern und z.T. auch mit Denkmalämtern eine kreative Lösung zur Umnutzung zu entwerfen und den Bunker so zu neuem Leben zu erwecken.

Hochbunker in Köln, Herthastrasse, Architekten: Jankowski Architekten BDA © Sigurd Steinprinz
Wie erklären Sie sich den Trend, dass nun auch die Immobilienwirtschaft zunehmend Interesse an solchen Spezialimmobilien zeigt?
Die Branche wird und denkt zunehmend kreativer. Es sind zwei Hauptursachen zu beobachten: Einmal das typische Entrepreneur-Denken. Es gibt jemanden, der mutig und ambitioniert genug ist, um als Pionier eine verrückte Idee umzusetzen. Er ist erfolgreich und inspiriert so alle anderen, die es ihm gleich tun möchten. Das ist im Hinblick auf die Weiterentwicklung von Bunkern ganz oft passiert. Für Leute, die etwas ganz besonderes suchen, ist ein Bunker mittlerweile ein Muss! Während Bunker von der Branche lange Zeit ignoriert oder als Last empfunden wurden, sind sie nun das neue „Must have“. Außerdem haben sich – wie bereits zu Beginn erwähnt – die technischen Möglichkeiten exponentiell weiterentwickelt, die viele bauliche Maßnahmen heute erst möglich machen.
Seit 2011 haben wir u.a. mit unserer Marketingmaßnahme „Faszination Bunker“ und einigen weiteren Veranstaltungen die Bunker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestellt. Wir führen regelmäßig Events mit den „Bunkerenthusiasten“ unter den Entwicklern durch, um eine Plattform für diese Spezialimmobilie zu pflegen. Wie sich der Trend künftig weiterentwickelt, bleibt abzuwarten.
Gibt es konkrete Zahlen zu der Nutzungsverteilung von Bunkern – d.h. Dokumentationen welche Bunker ausschließlich für Wohnen genutzt werden, welche einer Mischnutzung unterliegen etc.?
Prinzipiell eignen sich alle Hochbunker für die Realisierung von Wohnraum und Gewerbeflächen. Einzige Einschränkung: Gewerbe, das große Schaufensterflächen zur Produktpräsentation und große Verkaufsräume benötigt. Die Praxis zeigt jedoch, dass sich mehrheitlich spezielle Sparten für Bunker interessieren, wie z.B. die bereits erwähnte private Uni in Bochum. Unsere Tiefbunker sind für die private Nutzung eher uninteressant. Ausnahmen sind Back-up Stationen für EDV oder Lagerräume.
Ein wichtiger Aspekt ist sicherlich auch die Aufbereitung der Bunker aus energetischer Sicht.
Definitiv. Bunker haben ganz spezielle physikalische Voraussetzungen, die z.B. eine Dämmung überflüssig machen; gleichzeitig aber auch wenig Spielraum für Veränderungen lassen. An der Fassade und an den Tragwerken kann nichts verändert werden. Insofern kommt es auf die geschickte Gestaltung der Innenräume an, d.h. auf die richtige Integration und das richtige Zusammenspiel von Heizung und Lüftung. In allen Fällen, wo das Basisbauwerk ergänzt wird, etwa durch Aufbauten oder Anbauten, wenn nur Reste des ursprünglichen Bauwerks stehen bleiben, z.B. eine Wand oder andere Fragmente des Gebäudes, werden die neuerrichteten Bauwerke und Ergänzungen natürlich nach den geltenden Standards errichtet.
Die BImA hat in den vergangenen zehn Jahren bundesweit 250 Bunker verkauft. Mit welchen Käufern haben Sie es hier zu tun?
In der Regel interessieren sich hochspezialisierte, innovative Unternehmen für unsere Bunker oder Privatpersonen. In München gibt es z.B. einen wunderschönen Hochbunker, der dem Geschäftsführer einer erfolgreichen Entwicklungsgesellschaft gehört. In den unteren Etagen befinden sich Büroräumlichkeiten und Wohnungen. In die oberen Etagen ein dreigeschossiges Penthouse integriert. In das Dach wurde ein kreisrunder Ausschnitt gefräst. In diesem Objekt fühlen Sie sich wie in einem James Bond Film. Solche besonderen Objekte werden natürlich auch gerne in Architekturmagazinen abgebildet. Sie sind jedoch die Ausnahme. Die Mehrheit der Bunker wird für die Realisierung von Eigentumswohnungen genutzt.

Hochbunker in Bremen, Roonstraße, Architekten: Mielke + Freudenberg © Tine Casper
Vor dem Hintergrund, dass der Umbau sehr kostspielig ist, sind natürlich auch die Wohnungen eher im höheren Preissegment angesiedelt. Widerspricht das nicht dem Ziel, soziale Stadtentwicklung voranzutreiben?
Nein – das muss ganz nüchtern betrachtet werden. In einem Bunker werden niemals Sozialwohnungen gebaut. Es geht vielmehr darum, diesen über viele Jahrzehnte ungenutzten Gebäuden endlich wieder neues Leben einzuhauchen und ihnen so innerhalb der Städte wieder eine Funktion zu geben. Diese Wirkung darf nicht unterschätzt werden. Wir sind froh, dass sich so viele kreative Köpfe der Weiterentwicklung von Bunkern annehmen und an dieser Stelle auch Geld in die Hand genommen wird, um diese tollen Ideen umzusetzen. Das erfordert übrigens auch jede Menge Mut.
Wie Sie bereits mehrere Male angemerkt haben, war die Hauptfunktion von Bunkern, Schutz zu bieten. Wenn Bunker heute zu exklusiven Wohnungen oder zu Räumen mit besonderer Nutzung weiterentwickelt werden, ist das dann der „richtige“ Umgang mit unserem kulturellen Erbe?
Ich denke schon – und zwar aus den o.g. Gründen. Darüber hinaus gibt es auch Bunker, in denen Gedenkzentren entstanden sind; wo also ganz die Historie und unser kulturelles Erbe im Mittelpunkt stehen. Oder denken sie an den Energiebunker in Hamburg: Er liegt im neuen Baugebiet der Internationalen Bauausstellung in Hamburg-Wilhelmsburg und soll künftig innovative Energieprojekte beherbergen. Meiner Meinung nach, kann man insofern schon von „richtigem Umgang“ sprechen. Abgesehen davon, wird kein Projekt realisiert ohne auch den Denkmalschutz in den Prozess zu involvieren, sprich es wird nichts gebaut, das nicht auch von dieser Seite abgesegnet wird.
Wie gestaltet sich der Verkaufsprozess eines Bunkers? Müssen hier bestimmte Aspekte ganz besonders beachtet werden?
Der Verkauf erfolgt über ein Bieterverfahren, bei dem jedoch keinesfalls blind geboten wird und der „gewinnt“, der bereit ist, die höchste Summe zu zahlen. Jeder Mitbietende hat im Vorfeld zusammen mit der jeweiligen Kommune die Möglichkeiten ausgelotet, in welcher Form der Bunker umgebaut werden kann. Das heisst: Kein Investor geht blind in ein Bieterverfahren, ohne vorher seine Pläne festzulegen. Das erfordert natürlich enorm viel Recherchearbeit – vom Denkmalschutz bis hin zum Baurecht. Letzten Endes gewinnt derjenige, der nicht nur finanziell, sondern auch inhaltlich überzeugt.

Hochbunker in Bielefeld, Neustädter Straße, Architekten: Hauer Dipl.-Ing. Architekten BDA © Cäcilia Epkenhans-Hauer
Steuern Sie so quasi die Entscheidung, wer den Bunker kaufen darf?
Nein, das können wir nicht alleine entscheiden. Der gesamte kreative Entwicklungsprozess wird von uns begleitet, aber nicht beeinflusst. Das wäre eher kontraproduktiv, da hier andere und zwar die spezialisierten Experten am Werk sind.
Möchten Sie denn alle Bunker verkaufen?
Auf jeden Fall. Bisher haben wir 270 verkauft und wir hoffen, dass aus den restlichen 120 auch noch viele positive Beispiele entstehen.
Aus baukultureller Perspektive können Kritiker beanstanden, dass durch den Verkauf keine Steuerungsmöglichkeit mehr besteht, was mit unserem kulturellen Erbe geschieht. Ein berechtigter Einwand?
Es steht außer Frage, dass es sich hier immer um einen Abwägungsprozess handelt. Unser Ziel ist es, diese Spezialimmobilien in den „normalen Wirtschaftskreislauf“ zu bringen. Dieses Ziel kann man natürlich diskutieren. Dabei ist die Frage zu klären, ob die Alternative – die Bunker weiterhin nicht anzurühren und sich selbst zu überlassen –aus baukultureller Sicht wertvoller ist. Durch die Weiterentwicklung allerdings können die Bunker zu 80% weitergenutzt werden. Das ist eine durch und durch positive Entwicklung.
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