Zum ersten Mal überhaupt war Wohnen noch vor Büro die umsatzstärkste Nutzungsart am deutschen Immobilieninvestmentmarkt. Die Mehrheitsübernahme der Deutschen Wohnen durch Vonovia war ein maßgeblicher, aber nicht der einzige Treiber, denn auch ohne diese Übernahme hätte ein neues Rekordvolumen in den Büchern gestanden. Insgesamt ließ sich eine deutlich höhere Nachfrage von Investierenden nach Wohnimmobilien feststellen. „Wohnimmobilien gelten vielen Investierenden als Anleihesubstitut par excellence, so dass weiterhin zusätzliches Kapital in den Markt fließt. Da die Anleiherenditen niedrig bleiben, ist ein Ende des Kapitalzuflusses nicht in Sicht“, berichtet Karsten Nemecek, Managing Director Corporate Finance – Valuation bei Savills Germany und ergänzt: „Im vergangenen Jahr hat sich der Investmentmarkt zudem spürbar internationalisiert und weitere Akteure und Fondsvehikel starten erst jetzt mit dem Portfolioaufbau. Dies wird zu weiterhin intensiven Bieterwettstreiten führen“. Investierende aus dem Ausland kauften im letzten Jahr Wohnungen für mehr als 10 Mrd. Euro an – der bisherige Höchstwert lag bei lediglich 3,7 Mrd. Euro.
Mehr als jeder zweite Euro floss nach Berlin
Im Jahr 2021 wechselten rund 284.000 Wohnungen die Eigentümerschaft. Das ist der zweithöchste Wert seit dem Jahr 2015. Das Rekordvolumen ist folglich nicht nur auf einige große Transaktionen, sondern vor allem auch auf die in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Kapitalwerte zurückzuführen. Rund 86 % aller gehandelten Wohnungen bzw. etwa 83 % des Transaktionsvolumens entfielen im letzten Jahr auf Portfoliotransaktionen. Aufgrund der Übernahme der Deutschen Wohnen, aber auch aufgrund weiterer Großtransaktionen wie der Übernahme von Akelius und des Verkaufs von rund 15.000 Wohnungen an die kommunalen Wohnungsunternehmen seitens Vonovia und der Deutschen Wohnen, war Berlin der mit Abstand umsatzstärkste Standort. Etwa 56 % des Transaktionsvolumens entfielen auf die Hauptstadt.
Noch nie floss so viel Geld in Neubauten
Etwa 11 % des Transaktionsvolumens wurde mit Projektentwicklungskäufen realisiert. Dies ist zwar der niedrigste Anteil seit dem Jahr 2015, absolut floss jedoch noch nie so viel Kapital (5,6 Mrd. Euro in 2021) in den Kauf von Projektentwicklungen. Dies unterstreicht die hohe Nachfrage nach Neubauten am Investmentmarkt. Für den Kauf von Neubauten sprechen zahlreiche Faktoren, wie Matti Schenk, Associate Research Germany bei Savills berichtet: „Neubauten sind nicht nur von einigen Mietregulierungen ausgenommen, sondern haben auch im Hinblick auf eine absehbar höhere Inflationsrate Vorteile. So weisen sie geringere Betriebs- und Instandhaltungskosten auf und oftmals dürften indexierte Mietverträge abgeschlossen werden. Dies sichert in einem Umfeld höherer Inflation sowohl die Kosten- als auch die Einnahmeseite ab“. Savills erwartet daher eine noch höhere Nachfrage nach Neubauten im kommenden Jahr. Dieser Entwicklung kommt zupass, dass angesichts steigender Fertigstellungszahlen die Produktverfügbarkeit im Neubausegment besser sein dürfte als noch vor einigen Jahren.
ESG sorgt für Bewegung an den Investmentmärkten
Auch das omnipräsente Thema ESG könnte für zusätzliche Nachfrage nach Neubauten sorgen. „Studien zeigen, dass sich die ESG-Kriterien in Neubauimmobilien in der Regel einfacher belegen lassen als in Bestandsbauten“, berichtet Schenk und kommentiert: „Da ein beträchtlicher Teil des institutionellen Anlagevolumens ESG-konform ausgerichtet ist oder noch wird, dürfte dies Kapital in Neubauten umlenken“. Neben dem E in ESG wird laut Savills zunehmend das S in den Fokus rücken. „In Wohnimmobilien zielt das S in ESG vielfach auf die Erschwinglichkeit ab, so dass Anteile geförderter Wohnungen im Portfolio an Attraktivität gewinnen könnten“, meint Schenk. Im vergangenen Jahr flossen bei Einzelobjektkäufen bereits rund 20 % des Transaktionsvolumens in Immobilien, die zumindest teilweise geförderte Wohnungen beinhalten. Während viele ESG-konforme Investierende noch stärker auf Neubau setzen, werden die ESG-Regularien gleichzeitig den Sanierungsdruck im Bestand erhöhen. Dieser Druck wird zukünftig noch stärker werden, denn die EU plant energetische Mindeststandards einzuführen. „Die umfangreiche energetische Sanierung dürfte eine Herausforderung für viele Bestandshalterinnen und Bestandshalter werden, insbesondere da Mieterhöhungen im Bestand stark reguliert sind“, kommentiert Nemecek und ergänzt: „Um von Skaleneffekten zu profitieren und Ressourcen zu bündeln, könnte es daher zu weiteren Zusammenschlüssen und Übernahmen kommen. Außerdem dürften mehr Verkäufe sanierungsbedürftiger Bestände an Unternehmen mit Fokus auf Bestandsentwicklung stattfinden“.
Hohe Aktivität am Investmentmarkt in Sicht – Blick auf die Details wird wichtiger
Neben dem Transaktionstreiber ESG dürfte auch die insgesamt hohe Nachfrage am Investmentmarkt für eine rege Transaktionsaktivität im Jahr 2022 sorgen. Savills erwartet, dass das Volumen im laufenden Jahr die Marke von 20 Mrd. Euro übersteigt. Zukünftig wird nicht nur der Blick auf die einzelnen Immobilien vor dem Hintergrund von ESG und Inflation zunehmend wichtiger, sondern auch eine Analyse der regionalen Fundamentaldaten. „Das vergangene Jahrzehnt war im Hinblick auf die Fundamentaldaten eine goldene Ära für Eigentümer:innen von Wohnungen“, konstatiert Nemecek und konkretisiert: „Die Bevölkerung ist vielerorts stark gestiegen, ebenso wie die Haushaltseinkommen. Gleichzeitig wurden fast überall deutlich zu wenige Wohnungen gebaut“. Doch dieses Umfeld ändert sich nun, da die Bautätigkeit angezogen hat und gleichzeitig weniger Menschen in die Städte ziehen. „Insgesamt bleiben die Fundamentaldaten am Wohnungsmarkt weiterhin sehr vorteilhaft für Investierende. Allerdings driften die Regionen bei den Nachfrage- und Angebotsparametern zusehends auseinander. Das Identifizieren von Opportunitäten erfordert daher eine noch intensivere Auseinandersetzung mit den einzelnen Regionen“, so Nemecek.
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