Das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV) hat gemeinsam mit der NRW.Bank eine zukunftsorientierte Modellrechnung durchgeführt, die den durch die Integration von Flüchtlingen zusätzlich benötigten, mittelfristigen Wohnraum ermittelt. Zudem wurde abgeschätzt, wie viel Leerstand im Land mobilisierbar ist um unnötigen Neubau zu vermeiden.
Für eine qualifizierte Berechnung liegen allerdings noch nicht ausreichend sichere Informationen vor: Zum einen sind über die Flüchtlinge noch kaum Daten über Alter, Familiengröße, langfristige Bleibeabsichten verfügbar. Zum anderen hängt die Entwicklung von weiteren politischen Entscheidungen ab, die noch nicht getroffen sind. Hierzu gehören Fragen, wie Flüchtlinge innerhalb der EU verteilt werden und ob eine Wohnortbindung für Flüchtlinge eingeführt wird. Angesichts des langen Vorlaufs von der Baulandbereitstellung bis zum Bezug einer Wohnung ist es dennoch wichtig, bereits heute die Größenordnung und die regionale Verteilung des Wohnungsbedarfs zumindest ungefähr einzuschätzen. Daher haben sich das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV) und die NRW.BANK im Herbst 2015 über eine erste Modellrechnung verständigt und die Ergebnisse zum Jahresende der Öffentlichkeit präsentiert.
Berechnet wurde zum einen, wie viele Wohnungen zusätzlich gebraucht werden, um alle bleibenden Flüchtlingshaushalte mit Wohnraum zu versorgen. Zum anderen wurde abgeschätzt, wie viele leer stehende Wohnungen mobilisierbar sind und entsprechend wie viele Wohnungen neu gebaut werden müssen, um den Bedarf der bereits ansässigen Bewohner und der Zuwanderer zu decken. Dazu wurden Annahmen zur Anzahl der Flüchtlinge für die Jahre 2015 und 2016, deren Bleibeperspektiven, dem möglichen Familiennachzug und der durchschnittlichen Haushaltsgröße gesetzt. Die Berechnungen erfolgten auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte.
Das Ergebnis: Mittelfristig werden 200.000 Flüchtlingshaushalte eine Wohnung benötigen. 80.000 Wohnungen könnten aus dem Leerstand aktiviert werden. Damit müsste das landesweite Wohnungsangebot um rund 120.000 ausgeweitet werden.
Zur Frage, wo im Land diese zusätzlichen Wohnungen benötigt werden, wurden zwei Varianten berechnet. Die Variante „Verteilung nach Landesschlüssel“ nimmt an, dass die Flüchtlingshaushalte in den Kommunen bleiben, auf die sie gemäß Landesschlüssel nach der Erstaufnahme verteilt werden. Das wäre etwa mit der aktuell diskutierten Wohnortbindung der Fall. In der zweiten Variante wird angenommen, dass sich die Flüchtlinge so im Land verteilen, wie dies ihre früher zugewanderten Landsleute auch getan haben. Dabei spielen familiäre und sonstige Kontaktnetze sowie das Angebot an Arbeitsplätzen und Ausbildungsmöglichkeiten eine zentrale Rolle.
Die beiden Varianten der Flüchtlingsverteilung unterscheiden sich in den regionalen Ergebnissen erheblich: In der Variante „Landesschlüssel“ verteilen sich die Bedarfe gleichmäßiger im Land, die lokale demografische Entwicklung wird zum Teil kompensiert. So würde auch in vielen bisher schrumpfenden Regionen wieder Neubau nötig. Anders in der zweiten Variante: Hier verstärkt die zusätzliche Nachfrage vor allem den Druck auf die ohnehin angespannten Wohnungsmärkte in den wachsenden Städten; dafür würde in einigen stagnierenden oder schrumpfenden Regionen der Leerstand zur Unterbringung ausreichen.
Unabhängig davon geht das Statistische Landesamt in seiner aktuellen Haushaltemodellrechnung davon aus, dass mittelfristig allein aufgrund der bereits vor dem Flüchtlingszuzug bestehenden demografischen Trends ein deutlicher Zuwachs an Haushalten zu erwarten ist. Auch daraus ergibt sich in vielen Regionen ein erhöhter Neubaubedarf. Beide Entwicklungen sind bei der Erarbeitung lokaler und regionaler Handlungsstrategien sowie der (Weiter-)Entwicklung von Handlungskonzepten Wohnen zu berücksichtigen.
Mehr Informationen zur Modellrechnung sowie zu Förderangeboten der NRW.BANK für Flüchtlingsunterkünfte und Wohnraum für Flüchtlinge finden Sie auf www.nrwbank.de
Dipl.-Ing. Melanie Kloth
ist Stadtplanerin mit Schwerpunkt auf den Themen Wohnen und Stadterneuerung. Seit 2014 leitet sie die Wohnungsmarktbeobachtung NRW, angesiedelt im Bereich Wohnraumförderung bei der NRW.BANK. Mit ihrem Team untersucht sie die Entwicklung der Wohnungsmärkte in Nordrhein-Westfalen und unterstützt Kommunen und Marktakteure bei der Marktanalyse und Entwicklung von Handlungsstrategien.
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