Wenn Kommunen von jungen Stadtpionieren lernen. Junge Menschen, die ihre Städte aktiv mitgestalten wollen, haben im Rahmen des Forschungsfeldes Jugend.Stadt.Labor Impulsprojekte als Experimentierfeld in der Stadt umgesetzt und beweisen den Einfluss junger Menschen auf die Stadtentwicklung von morgen.
Das Forschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) ist ein vom Bund gefördertes Programm des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktionssicherheit (BMUB) und wird vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) betreut. Innerhalb dieses Programms fördert der Bund Forschungsfelder, Studien, Initiativen und Modellvorhaben.
Im November 2013 startete das Forschungsfeld „Jugend.Stadt.Labor“, dessen Förderperiode noch bis Sommer 2016 läuft. Für die Forschungsassistenz des Projektes hat das BBSR das Berliner Büro Urban Catalyst studio beauftragt.
Innerhalb des Forschungsfeldes Jugend.Stadt.Labor sollen junge Stadtentwickler der Frage nachgehen, wie sie in Zukunft in unseren Städten leben möchten. In diesem Zusammenhang sollen neue Modelle von Gemeinschaft und Teilhabe entwickelt werden und die Frage danach wie junge Menschen ihre Ideen in Stadtentwicklungsprozesse mit einbringen können, beantwortet werden. Die Realisierung der Jugend.Stadt.Labore soll im Idealfall zur Bildung nachhaltiger und langfristiger Strukturen führen. Ausschlaggebend dafür ist jedoch zu einem nicht ganz unbedeutenden Teil die Offenheit und Kooperationsbereitschaft der Städte und Kommunen.
Acht Modellvorhaben in ganz Deutschland beteiligten sich auf ganz unterschiedliche Weise am Jugend.Stadt.Labor und beweisen mit ihrer Kreativität und ihrem Engagement, dass junge Menschen entscheidend zu einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung beitragen können. Die Jugend.Stadt.Labore siedeln sich in Anklam, Dessau-Rosslau, Esslingen, Görlitz, Halle (Saale), Hannover, Witten und dem Wittlager Land an. Die Tatsache, dass es sich dabei sowohl um Kleinstädte im ländlichen Raum als auch um Mittel- und Großstädte handelt, stellt die Modellvorhaben vor ganz unterschiedliche Herausforderungen.
In Zentrum jedes der acht Labore steht eine Kerngruppe, die eine sogenannte Basisstation aufbaut, einen Diskussionsprozess zu wichtigen Zukunftsthemen der Stadtentwicklung anstößt, und schließlich konkrete Impulsprojekte entwickelt. Innerhalb dieser Vorgehensweise entstehen wichtige Kooperationen zwischen jungen Stadtmachern, der jeweiligen Kommune, Gebäudeeigentümern und Unternehmen. Mit ihren zum Teil sehr ausstrahlungsstarken Impulsprojekten konnten die Initiativen einen starken Einfluss auf die lokale Stadtentwicklungspolitik entfalten und neue Berührungspunkte zwischen einer jungen engagierten Generation an Stadtmachern und dem kommunalen Verwaltungsapparat aufzeigen.
In der amtsfreien Hansestadt Anklam, die mit rund 13.700 Einwohnern in der im Landkreis Vorpommern-Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern liegt, haben die jungen Menschen innerhalb des Modellvorhabens einen Demokratiebahnhof aufgebaut. Das selbstverwaltete Jugendzentrum im zuvor leerstehenden Anklamer Bahnhof stellt heute einen alternativen Lebens- und Entfaltungsraum in einer von Rechtsextremismus geprägten Region dar und vermittelt mit allen dazugehörigen Aktivitäten und Projekten Werte wie Offenheit und Nachhaltigkeit, die bis in die Stadt hinein wirken. Während sich das Jugend.Stadt.Labor in Anklam insbesondere auch mit politischen Fragestellungen auseinandersetzen musste, ging das Kernteam des Jugend.Stadt.Labors „Schwarzmarkt“ in der knapp 100.000 Einwohner großen Ruhrgebietsstadt Witten der Fragestellung nach, wie eine gemeinschaftliche Aneignung öffentlicher Räume ausgestaltet werden kann. Durch die im Rahmen des „Schwarzmarkt“ initiierten Projekte zeigt das Jugend.Stadt.Labor in Witten heut unterschiedliche Herangehensweisen auf, wie durch Raumaneignung eine kollektive Nutzung der Ressource Stadt gelingen kann. Ob durch den „Tummelmarkt“, der vier Mal im Jahr im Kreativquartier einen Parkplatz in einen beliebten Treffpunkt verwandelt und zwischen Wochen- und Streetfoodmarkt einzuordnen ist, ob durch Urban-Gardening Projekte oder das im Leerstand angesiedelte Coworking-Space Café [….] raum – die kollektive Gestaltung, Nutzung und Verantwortung für die Ressource Stadt steht bei allen Projekten im Vordergrund.
Das Jugend.Stadt.Labor in Hannover hingegen hat mit dem „PLATZprojekt“ unter Beweis gestellt, dass auch junge Leute eine gelungene Zusammenarbeit mit Grundstückseigentümern und kommunaler Verwaltung anstoßen können, aus denen sich alternative Formen der Flächennutzung ergeben können. Durch die Aktivierung einer der im Eigentum der Metro Group befindlichen rund 2 ha großen Gewerbebrache entstand eine Container-Stadt, die jungen Kreativen und Start-Ups ein offenes und innovatives Experimentierfeld bietet. Heute sind auf dem temporär genutzten Gelände unter anderem ein Café, ein Nähatelier, eine Holzwerkstatt, eine Fahrradmanufaktur, ein Tattoo-Studio und ein Massagecontainer anzutreffen. „Politisch ist das PLATZprojekt so stark eingeschlagen, dass auch Akteure wie die Wirtschaftsförderung darauf aufmerksam geworden sind und ihnen bewusst wurde, dass es Sinn macht in derartige Strukturen in Zukunft stärker investieren zu müssen“ so Klaus Overmeyer, Gründer von Urban Catalyst studio und internationaler Vordenker im Feld der nutzergetragenen Raum- und Stadtentwicklung.
Mitte September wird es im Rahmen des Bundeskongresses zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik eine Buchpräsentation mit Vorstellung der Jugend.Stadt.Labore mit dem Titel „Jugend.Stadt.Labor – Offene Räume in der Stadt“ geben. Die Abschlusspublikation fasst die Wirkung und insbesondere auch die Relevanz der Förderung alternativer und junger Ansätze zu nutzergetragener Stadtentwicklung zusammen. Schlussendlich konnten die durch das Forschungsvorhaben aufgestellten Fragen innerhalb der Jugend.Stadt.Labore auf ganz unterschiedliche Art und Weise beantwortet werden. Alle Jugend.Stadt.Labore haben in ihren Städten und Quartieren lebensnahe Bildungsprozesse eröffnet und sowohl bauliche als auch organisatorische Fähigkeiten erlernt. Das daraus entstandene soziale und kreative Kapital ist eine wichtige Grundlage für individuelle und kollektive Lernprozesse junger Menschen.
Bild Tummelmarkt © Tobias Koop
Bild Sommerfest © Jamuna Putzke
Bild Beteiligung © Waldemar Riedel
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