Er trägt den ungewöhnlichen Namen „Copenhill“, der irgendwie gut zu dem Hybrid aus Landschaft und Gebäude passt, der Anfang des Monats in Kopenhagen eröffnet wurde: Auf dem Dach der Müllverbrennungsanlage „Amager Bakke“ befindet sich ein 16.000 m² großer Freizeitpark samt Dänemarks erster Skipiste (ohne Schnee!), langen Wander- und Laufwegen, die von Bäumen gesäumt sind, Spielplätzen, Fitnessgeräten sowie einer Aussichtsplattform mit Café und Après-Ski-Bar. Ganz zu schweigen von der 85 Meter hohen Kletterwand (wieder ein Superlativ: die weltweit höchste), an der sich alle austoben können, die sich nicht für das Skifahren begeistern lassen. Umgesetzt haben diesen vollkommen eigentümlichen Komplex das Kopenhagener Architekturbüro BIG gemeinsam mit den Landschaftsarchitekten SLA aus Kopenhagen.
Skifahrer können eine 500 Meter lange Abfahrt auf grünen Kunststoffgrasmatten genießen, während sie dabei immer das Zentrum und den Hafen der Stadt im Blick haben.
Die Spitze des Berges ist 100 Meter hoch und über vier Skilifte sowie einen verglasten Fahrstuhl zu erreichen, der Einblicke in das Innere des Wärme- und Stromkraftwerks bietet, die ebenfalls nicht zu verachten sind: Während oben Sport getrieben wird, wandeln unter den Hängen Wirbelöfen, Dampf und Turbinen, die jährlich 440.000 Tonnen Müll 440.000 Tonnen Abfall jährlich in saubere Energie umwandeln – diese kann über Fernwärme bis zu 150.000 Haushalte versorgen. Die neue moderne Anlage hat den alten Komplex 2017 ersetzt. 41.000 Quadratmeter fasst die Anlage, die als die sauberste weltweit gilt – eine wichtige Bestrebung im Zusammenhang der angestrebten CO2-Neutralität Dänemarks bis 2025.
Das Innenvolumen des Kraftwerks wird durch die präzise Positionierung und Organisation seiner Maschinen in Höhenordnung bestimmt, wodurch ein effizientes, geneigtes Dach für ein 9.000 m² großes Skigebiet entsteht. Sie tragen dazu bei, die abwechslungsreiche Topographie eines Berges zu schaffen; eine künstliche Landschaft, die in der Begegnung zwischen den Bedürfnissen von unten und den Wünschen von oben entsteht. Zehn Stockwerke Verwaltungsfläche befinden sich ebenfalls in der Anlage, darunter ein 600 m² großes Bildungszentrum für akademische Führungen, Workshops und Nachhaltigkeitskonferenzen.
Oben können Experten die künstliche Skipiste mit der Länge einer olympischen Halfpipe hinunter gleiten, den Freestylepark testen oder die zeitgesteuerte Slalomstrecke ausprobieren, während Anfänger und Kinder auf den unteren Pisten üben. Skifahrer steigen vom Tellerlift, Teppichliften oder Glasaufzug aus in den Park auf, um einen Blick in den 24-Stunden-Betrieb einer Müllverbrennungsanlage zu werfen. Go-Karts stehen bereit und auch Wasserbegeisterte können sich in den sauberen Gewässern der Region austoben.
Äußerlich sind die Prozesse, die im Inneren ablaufen, ziemlich gut verborgen: Umhüllt wird die Anlage von einer glänzenden Metallfassade, die aus einzelnen Aluminiumelementen besteht. Diese sind nach dem Baukastenprinzip übereinander gestapelt. Dazwischen lassen verglaste Fenster das Tageslicht tief in die Anlage eindringen, während größere Öffnungen an der Südwestfassade die Arbeitsplätze in den Verwaltungsgeschossen beleuchten. Nachts wirkt der Bau aus der Ferne wie eine leuchtende Laterne. Zukünftig sollen aus der Fassade auch Pflanzen wachsen, sodass der Berg nach und nach vollständig begrünt sein wird.
In Kopenhagen ist ein vollkommen neuartiger Kraftwerk-Typus entstanden, der womöglich wegweisend für zukünftige solcher Anlagen ist. Der Fokus wurde bewusst auf eine nachhaltige Architektur, sozialen Mehrwert sowie eine saubere Energieproduktion gelegt – die Architekten nennen es das Prinzip der „hedonistischen Nachhaltigkeit“: Gut für die Umwelt heißt nicht im Umkehrschluss, dass es nicht auch Spaß für die Bewohner der Stadt bedeuten kann. Es war von Anfang an als öffentliche Infrastruktur mit sozialen „Nebenwirkungen“ geplant, was nun gelungen ist. Früher war die Anlage bloß Teil der industriellen Infrastruktur, nun ist sie zum Treffpunkt für Familien, Freunde, Sportler, Touristen und viele mehr geworden.
Ein ähnliches Projekt ist kürzlich auch in Trondheim entstanden – hier haben wir darüber berichtet.
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Fotos © Laurian Ghinitoiu | Rasmus Hjortshoj | Dragoer Luftfoto | Aldo Amoretti
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