
©Denise Dreßler
Wie viele andere Städte im Ruhrgebiet – vor allem in den nördlichen Lagen – kämpft auch die Stadt Duisburg mit den Folgen des Strukturwandels. Denken Sie, dass die Stadt die Folgen irgendwann meistern wird oder wird das eine ewige Last sein?
Dies kann man nur abschließend beantworten, wenn der zu erreichende bzw. angestrebte Zielpunkt eines solchen Prozesses definiert wäre. Die Herausforderung bestand und besteht nach wie vor darin, die massiven Arbeitsplatzverluste der letzten Jahrzehnte in der Montanindustrie durch die Ansiedlung von Unternehmen aus anderen Branchen so gut es geht zu kompensieren. Und dies ist und bleibt in einer von der Schwerindustrie geprägten Stadt schwierig. Zum einen, weil beschäftigungsintensive Großansiedlungen im Produktionsbereich hierzulande längst der Vergangenheit angehören, und zum anderen, weil dringend benötigte Flächen sich immer noch im Eigentum der Großunternehmen befinden und nicht verfügbar sind. Wir haben eine deutlich höhere Nachfrage gerade von kleinen und mittleren Unternehmen, dir wir derzeit nicht bedienen können – insofern ist hier auch noch großes Potenzial vorhanden.
Duisburg ist auch heute noch einer der bedeutendsten Stahlstandorte Europas mit vielen tausend Beschäftigten in den entsprechenden Unternehmen und den zuliefernden Branchen. Die Stadt bekennt sich zur Industrie im Allgemeinen und zum Stahl im Besonderen. Dieses Bekenntnis hat durch massive und nachhaltige Großinvestitionen in die Zukunftsfähigkeit des Standortes auch Früchte getragen. Eine besondere Erfolgsgeschichte ist zweifellos die Profilierung des Standortes Duisburg im Bereich der Logistik. Bedingt durch Lagegunst und hervorragende Verkehrsanbindung sowie mit dem Hafen als „Motor“ hat sich Duisburg zu einem der wichtigsten Logistikstandorte Europas entwickelt. Viele Unternehmen dieser Branche konnten auf ehemaligen Brachen der Montanindustrie angesiedelt und tausende neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Am Beispiel von Logport 1 spiegelt sich diese Entwicklung exemplarisch wider: Hier sind mittlerweile im Logistiksektor mehr Menschen beschäftigt als noch zuletzt im ehemals dort beheimateten Hüttenwerk. Auch die Duisburger Gewerbegebiete – übrigens weitgehend auch ehemalige Brachen der Montanindustrie – sind bestens ausgelastet und stark nachgefragt.
Auch an Standorten, die anderen Nutzungen zugeführt wurden, lässt sich gelungener Strukturwandel besichtigen – was die hohe Nachfrage nach Wohnungen und Büros im Innenhafen und die Besucherzahlen z.B. im Landschaftspark Duisburg Nord und im Rheinpark nachdrücklich belegen.
Eine große Herausforderung stellt sicherlich auch weiterhin das räumliche Ungleichgewicht innerhalb der Stadt dar. Freilich gibt es im Duisburger Norden auch viele attraktive Wohnquartiere, aber eben auch solche mit massiven sozialen und wohnungswirtschaftlichen Problemen. Diese gilt es durch die Beseitigung sog. „Schrottimmobilien“, den Rückbau nicht mehr marktgängigen Wohnraumes, Wohnumfeldverbesserungen und diverse andere flankierende Maßnahmen zu stabilisieren. Auf der anderen Seite haben wir prosperierende, wachsende und stark nachgefragte Stadtteile vor allem im Duisburger Süden, wo die Nachfrage nur durch die Ausweisung neuer Wohngebiete zu befriedigen sein wird.
Vor drei Jahren wurde die Stadtentwicklungsstrategie Duisburg 2027 beschlossen. Können Sie den Entstehungsprozess und die Ziele des Konzeptes erläutern?
Alles begann mit der Entscheidung des Stadtrates, einen neuen Flächennutzungsplan aufzustellen, mit dem der gültige aus dem Jahr 1986 ersetzt werde sollte. Normalerweise ist dies ein recht technokratischer Verwaltungsprozess. Doch eigentlich verbergen sich hinter dem vielleicht etwas sperrigen Begriff „Flächennutzungsplan“ wesentliche strategische Entscheidungen für eine zukünftige Stadtentwicklung. In diesem Bewusstsein waren sich Politik und Verwaltungsspitze damals rasch einig, hier einen völlig neuen Weg beschreiten zu wollen – und zwar unter intensiver Beteiligung der Stadtgesellschaft. Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern genauso wie mit Vereinen, Verbänden und Institutionen aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens haben wir Handlungsfelder erstellt, Ziele diskutiert und das Ganze mit der Aufstellung von teilräumlichen Stadtentwicklungskonzepten zu einem Ergebnis gebracht, das die Stadtentwicklung für die nächsten 15 Jahre begleiten soll. Insofern wurde der informelle Planungsprozess dem formellen Prozess praktisch vorgeschaltet.
Die in den Strategiekonzepten formulierten Ziele sind vielfältig, doch insbesondere mit Blick auf die Schwerpunkte Wohnen und Wirtschaft formulieren sie einen langfristig tragfähigen Ausgleich zwischen sozialen, ökologischen und ökonomischen Belangen bzw. den bereits angesprochenen Bedarfen an zusätzlichen Wohn- und Gewerbeflächen und den Ansprüchen an den Erhalt von Freiräumen und die Sicherung von Umwelt- und Lebensqualitäten.
Die hier gewählte Vorgehensweise war in mancher Hinsicht sicherlich vorbildlich und hat große Resonanz erfahren. Diese Stadtentwicklungsstrategie dient heute als Grundlage des künftigen Flächennutzungsplanes und macht es erkennbar leichter, diesen jetzt auf den Weg zu bringen.
Mit Großprojekten wie der Entwicklung des Wohnquartiers in Wedau kommen sie dem Bedarf ja jetzt schrittweise nach. Wie begegnen Sie Kritiken zu dem Bauprojekt – es sei zu dicht und zu monoton?
Ich halte diese Kritik für unbegründet, denn schließlich handelt es sich bei dieser Entwicklung nicht um Bauen „auf der grünen Wiese“, sondern um die Konversion einer Bahnbrache. Im Rahmen zahlreicher Workshops wurde hier gemeinsam mit zahlreichen Akteuren ein Entwurf entwickelt, der genau das Gegenteil einer Planung auf dem Reißbrett sein sollte. Wir versuchen dort verschiedenste Bautypen und städtebauliche Quartiere zu realisieren. Des Weiteren werden wir den Bereich am Wasser weiterhin der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen und dort eine Promenade realisieren. Zudem sind ein Uferpark und Kleingärten geplant, und das Quartier soll von grünen Bändern durchzogen werden – insgesamt aus meiner Sicht ein gelungenes, attraktives Verhältnis zwischen Wohn- und Freiraumflächen. Auch hinsichtlich der städtebaulichen Dichte fällt das Neubauprojekt keinesfalls aus dem Rahmen. Es werden 3.000 Wohneinheiten auf 60 ha entstehen – folglich 50 Wohneinheiten pro ha. Eine zu hohe Dichte im Vergleich zu Neubauprojekten in anderen Großstädten vermag ich hier nicht zu erkennen. Insgesamt halte ich diese Planung für ausgesprochen gelungen, da sie sich – ganz im Sinne unserer Stadtentwicklungsstrategie – an den Bedürfnissen nach attraktivem, aber auch bezahlbarem Wohnen ebenso orientiert wie an den Ansprüchen an Freizeit-, Umwelt- und Lebensqualität.
Der Bahnhof bildet häufig die Visitenkarte der Stadt. Hat die Umgestaltung des Bahnhofsplatzes dazu geführt, diese Funktion zu stärken? Wird der Platz als Open Space angenommen?
Wir haben das Projekt erst vor wenigen Monaten fertiggestellt, und Randbereiche befinden sich nach wie vor in der Entwicklung. So entsteht hier gerade mit dem „Mercator One“ nach einem Entwurf des Stararchitekten Hadi Teherani ein neues architektonisches Highlight, welches nicht nur die räumliche Einfassung des Platzes abschließt und diesen weiter aufwertet, sondern auch die Verknüpfung zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt unterstreicht. Insofern ist es sicherlich noch ein wenig zu früh für ein Fazit.
Für die Akzeptanz dieses Platzes in der Bürgerschaft war es aber gewiss von Bedeutung, dass wir auch für diese Planung eine intensive Form der Einbindung und Mitgestaltung gewählt haben. Im Rahmen eines Charette-Verfahrens haben wir in Workshops mit allen Interessierten gemeinsam ein Konzept für diesen Platz erarbeitet und entwickelt, sodass der Zuspruch nach meiner Wahrnehmung entsprechend positiv ist. Aber auch objektiv dürfte bei aller Unterschiedlichkeit der Geschmäcker wohl niemand, der den Platz von früher kennt, ernsthaft behaupten, dass er nicht enorm an Wert gewonnen hätte. Von einer „Visitenkarte“ wird man aber wohl erst dann reden können, wenn mit der Erneuerung des Bahnhofdaches nach den vorgestellten Plänen endlich ein langgehegter Wunsch in Erfüllung geht.
Und wie kann es Duisburg dann noch gelingen, sich zukünftig stärker als Einkaufsstandort zu profilieren? Die Shoppingadressen in der Region sind eher Düsseldorf, Essen oder Dortmund.
Tatsächlich nimmt die Stadt Duisburg eine gewisse „Sandwichposition“ zwischen den Nachbarstädten ein, die sich in diesem Bereich in der Vergangenheit stark entwickelt haben. Die Kaufkraft und die Zentralität, die wir in Duisburg zu verzeichnen haben, entsprechen definitiv nicht einem Oberzentrum mit 500.000 Einwohnern. In den letzten Jahren hat Duisburg bekanntlich ganz bewusst auf die Entwicklung innerstädtischer Lagen gesetzt und auf der Basis des Integrierten Handlungskonzeptes Innenstadt u.a. die Aufenthaltsqualität auf zentralen Plätzen erhöht, ein neues Fußgängerleitsystem installiert und mit einer Vielzahl von Veranstaltungen für zusätzliche Belebung sorgen können. Hiermit konnte einiges an Terrain zurückgewonnen werde, doch neben der Konkurrenz in der Nachbarschaft wird die Entwicklung nun zunehmend auch durch den Onlinehandel deutlich erschwert, z.B. durch verzögerte oder ausbleibende Investitionsentscheidungen.
Im Bewusstsein, dass in dieser schwierigen Situation alle Akteure an einem Strang ziehen müssen, haben wir – d.h. der Einzelhandelsverband, die IHK und die Stadt – in diesem Jahr den „Pakt für die Duisburger Innenstadt“ miteinander geschlossen. Des Weiteren wird in Kürze auch der fünfte Innenstadtdialog stattfinden, mit dem die Zusammenarbeit weiter konkretisiert und weitere Maßnahmen und Aktionen verabredet werden sollen. Natürlich bleibt aber auch die weitere Umsetzung des Integrierten Handlungskonzeptes Innenstadt ein Schwerpunkt. Hierzu zählen u.a. die Vitalisierung der Innenstadt als Wohnstandort, welche mit der Entwicklung des Mercatorviertels einen deutlichen Schub erhalten wird, aber auch die weitere Belebung der öffentlichen Plätze durch gestalterische Maßnahmen und neue Veranstaltungsformate.
Fest steht aber auch, dass das Thema Einkaufserlebnis und Gastronomie vor dem Hintergrund des rasant wachsenden Onlinehandels ganz neu gedacht und entwickelt werden muss. Bei diesem Prozess sind die Eigentümer der Immobilien und die Einzelhändler ebenso gefragt wie die Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihren Kaufentscheidungen nicht unwesentlich über die weitere Zukunft des stationären Einzelhandels mitentscheiden.
Duisburg ist auch Hafen- und Logistikstandort. Welche Impulse entstehen hieraus langfristig für die Stadtentwicklung?
Die besondere, ja herausragende Rolle des Hafens in dieser Entwicklung hatte ich ja bereits kurz erwähnt. Nicht nur wegen seiner Größe und Umschlagskapazitäten – der Duisburger Hafen ist Europas größter Binnenhafen -, sondern vor allem wegen seiner Impulse im Hinblick auf die Ansiedlung von Unternehmen im Logistiksektor und hiermit verbundenen Wertschöpfungsketten. Die ungeheure Dynamik des Hafens lässt sich am besten daran erkennen, dass in den letzten 20 Jahren bereits 5 ehemalige Industriebrachen in florierende Logistikzentren umgewandelt wurden – und ein sechstes aktuell in Planung ist. Mit dieser Dynamik planerisch mithalten und auch künftig entsprechende Flächen bereitstellen zu können, ist zweifellos eine besondere Herausforderung für die Duisburger Stadtentwicklung.
Bei allen positiven Effekten darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die mit dieser Entwicklung verbundene, drastische Zunahme der Wirtschaftsverkehre uns ebenfalls vor große Herausforderungen stellt. Die Hauptaufgabe ist dabei natürlich, die hiermit verbundenen Belastungen an Lärm und Immissionen für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu reduzieren. Es gilt aber auch, die hohe Beanspruchung unserer Infrastruktur zu minimieren – viele Straßen und Brücken sind auf solche gewaltigen Lasten gar nicht ausgelegt. Hier müssen wir durch intelligentere Verkehrsführung für eine Optimierung der Verkehrsflüsse sorgen.
Inwieweit ist Duisburg auch Fahrradstadt und was werden hier für Maßnahmen unternommen, den Radverkehr zu stärken?
Seit 2010 ist Duisburg in der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte und hat in der letzten Zeit auch viel getan, um die Fahrradattraktivität zu stärken – sei es bei Straßenbaumaßnahmen oder Flächenentwicklungen, wo der Radverkehr mitgedacht werden muss. Duisburg ist darüber hinaus Start- und Endpunkt des Radschnellweges Ruhr und wird vom Emscherradweg und der HOAG-Trasse durchzogen. Mit dem Neubau der A 40-Brücke und dem weiteren Ausbau der A 59 stehen aktuell zwei große Maßnahmen auf der Agenda, wo wir dem Radverkehr gerne größeren Raum einräumen möchten. Für die Brücke bemühen wir uns um eine größere Dimensionierung des Radweges, und für die A 59 schlagen wir eine Tunnellösung vor, um dann oberirdisch eine entsprechende Radtrasse realisieren und anbieten zu können. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch das Projekt „Dein Radschloss“: Hier bieten wir an 5 Standorten – was sicherlich noch ausbaufähig ist -Fahrradboxen an, wo Fahrräder sicher abgestellt werden können. Hiermit soll ein Umstieg auf den ÖPNV erleichtert und damit attraktiver gemacht werden. Mit dem Ausleihsystem „metropolradruhr“ sind wir in Duisburg im Hinblick auf die Ausleihzahlen übrigens führend im Ruhrgebiet.
Vielleicht zum Ende eine kleine persönliche Ode an Duisburg?
Ich finde, dass Duisburg eine unheimlich spannende, vielfältige und vor allem unterschätzte Stadt ist, die zahlreiche Qualitäten und Sehenswürdigkeiten aufweist. Viele auswärtige Gäste staunen auch immer wieder, wie grün diese Stadt ist, wie viel Natur und Wasser sie zu bieten hat. Auch dass sich mit dem Landschaftspark Duisburg-Nord die zweitmeistbesuchte Attraktion Nordrhein-Westfalens nach dem Kölner Dom in Duisburg befindet, weiß ja kaum jemand. Darüber hinaus mag ich die Menschen hier – die Duisburger sind in der Regel offen, direkt, tolerant und freundlich. Als gebürtiger Hamburger habe ich Duisburg rasch lieben und schätzen gelernt. Ich arbeite und lebe sehr gerne hier mit meiner Familie und es macht Freude, sozusagen auch professionell einen Beitrag dazu zu leisten, die Stadt zukunftsfähig zu gestalten und ihre Qualitäten nach innen und außen noch stärker herauszustellen. Denn das hat die Stadt definitiv verdient!
Carsten Tum
wurde 1963 in Hamburg geboren. Von 1984 bis 1990 studierte Carsten Tum an der Universität Dortmund Raumplanung. Sein Städtebaureferendariat absolvierte er bei der Bezirksregierung Düsseldorf.Ab 1992 begann die Berufslaufbahn für Carsten Tum in der Stadtverwaltung Oberhausen, wo er viele Jahre den Fachbereich Stadtentwicklung leitete. Im Anschluss wechselte er 2002 zum Kommunalverband Ruhrgebiet, als Fachbereichsleiter für Strukturentwicklung und Wirtschaft. Ab 2004 übernahm er als Leiter das Referat Regionalentwicklung im Regionalverband Ruhr. Über Gladbeck, wo Carsten Tum für vier Jahre als technischer Beigeordneter tätig war, kam er nach Duisburg. Von 2012 bis 2018 war Carsten Tum Beigeordneter für Stadtentwicklung der Stadt Duisburg.
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