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Seit 2010 hat sich eine Stagnation der Wohneigentumsbildung in Deutschland eingestellt. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Eine Stagnation besteht definitiv. Diese Situation lässt sich auf zwei negative Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt zurückführen: Zum einen sind die Immobilienpreise in den letzten Jahren massiv angestiegen. Zum anderen setzen die Banken aufgrund der Niedrigzinsentwicklung den Eigenkapitalanteil der Haushalte bei Eigentumserwerb sehr hoch an. Ein Senken des Eigenkapitalanteils seitens der Banken wäre zwar eine mögliche Lösung des Dilemmas, ist jedoch meines Erachtens nach, nicht zu erwarten. Aufgrund des niedrigen Zinssatzes bestünde in diesem Fall ein zu hohes Risiko. So wäre zu befürchten, dass Haushalte Eigentum erwerben, ohne langfristig wirtschaftlich in der Lage zu sein, die aufgenommenen Kredite vollständig zurückzuzahlen. Vor allem dann, wenn die Zinsen künftig wieder steigen sollten.
Besteht aufgrund dieser prekären Lage auch hinsichtlich der aktuellen Mietraumnot Förderbedarf zur Eigentumsbildung?
Ob Wohneigentumsbildung gefördert werden sollte oder nicht, ist eine rein politische Entscheidung. Dabei sollten sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte gegeneinander abgewogen werden. Auf politischer Ebene ist es allerdings relativ unumstritten, dass die Bildung von Wohneigentum weiter gefördert werden sollte.
Meiner Meinung nach besteht hier allerdings eine Schieflage: Zwar ist es mit Sicherheit ein Traum vieler Menschen, ein Eigenheim zu erwerben. Ein Traum, der durch die Politiker weiter verstärkt wird. Dabei wird jedoch die Frage nach der individuellen, langfristigen Kreditwürdigkeit der privaten Haushalte häufig außer Acht gelassen. Bevor ein Eigentum gebildet wird, sollte sich der jeweilige Haushalt fragen, ob er nach Erwerb langfristig auch die anfallenden Zinsen und Tilgungsraten stemmen können.
Sollte also der Staat blind private Haushalte fördern, die eigenständig wirtschaftlich schon nicht in der Lage sind den Eigenkapitalanteil aufzubringen? Jeder sollte sich nur das leisten können, was er auch finanzieren kann. Ich würde vielleicht auch gerne einen Porsche fahren, kann ihn mir aber nicht leisten, also kaufe ich ihn auch nicht. Gleiches sollte auch für Immobilien gelten, besonders, weil die finanzielle Belastung langfristig noch viel gravierender ausfällt. Aus diesen Gründen sollte meiner Meinung nach, die staatliche Förderung von Eigentumsbildung grundsätzlich infrage gestellt werden.
Im Koalitionsvertrag wurde allerdings sogar ein staatlich gefördertes Bürgschaftsprogramm durch die KfW-Bank beschlossen. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Beschlossen wurde die Einrichtung eines Bürgschaftsprogramms, wodurch die Eigentumsbildung von Haushalten mit geringerem Einkommen gefördert werden sollte. Die Haushalte hätten durch dieses Programm anstelle des Eigenkapitals dann eine Bürgschaft der KfW einsetzen können. Die konkrete Umsetzung dieses Programms liegt aktuell jedoch auf Eis, da der KfW-Bank die entsprechende Banklizenz fehlt.
Ein Argument für die Förderung der Eigentumsbildung ist die Altersvorsorge. Für viele ist das Wohneigentum aufgrund des demografischen Wandels und der niedrigen Zinslage eine sichere Kapitalanlage. Wie ordnen Sie dieses Argument ein?
Im Alter mietfrei zu leben und bestenfalls eine wertvolle Kapitalanlage zu besitzen, klingt im ersten Moment mit sicherlich verlockend. Doch wie finanziere ich ein Haus? Zunächst muss ich im Grunde mindestens 100.000 Euro an Eigenkapital aufbringen. Diese Summe ist für einen Haushalt bei geringem Einkommen und der aktuellen Zinslage bereits mit einer enormen Ansparphase verbunden. Habe ich den Kredit dann aufgenommen, ist mit einer hohen Tilgungsrate zu rechnen, die eine monatliche Miete meist weit übersteigt. Selbst wenn die Immobilie im Rentenalter dann abgezahlt ist, muss sie weiter unterhalten werden. Das Leben ist dann im Alter zwar vielleicht miet- aber niemals kostenfrei. Zudem sollten auch etwaige Sanierungskosten nicht außer Acht gelassen werden. Diese können, vor allem wenn das Haus in jungen Jahren erworben wurde, im Alter schwer ins Gewicht fallen.
Die Barriere zur Eigentumsbildung einkommensschwächerer Haushalte liegt zentral in den stetig wachsenden Immobilienpreisen und den damit verbundenen hohen Eigenkapitalanteilen begründet. Wo liegen hier die Ursachen?
Das ursächliche Problem liegt im Anlagedruck des Marktes. Aktuell ist sehr viel Kapital im Umlauf, das die Menschen rentabel anlegen wollen. Mangels Alternativen sind Immobilien hier immer noch sehr interessant und die Nachfrage ist groß. Auch wenn Immobilienanlagen nur zwei bis drei Prozent Rendite bringen, ist das vergleichsweise immer noch mehr als andere Anlageoptionen aktuell bieten können. Solange es keine wirtschaftlich attraktiven Alternativen gibt, wird diese Nachfrage auf dem Immobilienmarkt anhalten und die Preise dementsprechend weiterwachsen. Das eigentliche Problem ist daher am Kapital- und nicht am Immobilienmarkt zu verorten.
PROFESSOR DR. GÜNTER VORNHOLZ
(geb. 26.12.1961) ist seit 2011 Professor für Immobilienwirtschaft an der EBZ Business School in Bochum. Nach dem Abschluss als Diplom Volkswirt legte er 1993 im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Uni-GH Paderborn seine Promotion ab. Im Anschluss war er unter anderem Mitarbeiter in der volkswirtschaftlichen Abteilung der Norddeutschen Landesbank Girozentrale Hannover. Außerdem war er von 2008 bis 2019 als Leiter des Bereichs Immobilien Research der Deutschen Hypothekenbank in Hannover tätig. Seine Lehr- und Forschungsinteressen liegen in der volkswirtschaftlichen Analyse von Immobilienwirtschaft und –märkten. Zu diesem Forschungsschwerpunkt publizierte er die ersten immobilienökonomischen Lehrbücher: „Volkswirtschaftslehre für die Immobilienwirtschaft“ und „Internationale Immobilienmärkte“.
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