
© Emma’s Tag und Nachtmarkt GmbH
Altengottern, ein Dorf in Thüringen mit etwa 1.200 Einwohner:innen, hatte, wie so viele andere Orte auch, lange mit dem Problem einer fehlenden Nahversorgung zu kämpfen. Deshalb gibt es dort nun seit einigen Monaten Emma’s Tag- und Nachtmarkt, in dem die Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes mithilfe eines ausgeklügelten digitalen Einlass- und Überwachungs- sowie Bezahlungssystems rund um die Uhr einkaufen können. Die Idee dazu kam dem Gründer Mario Demange, der selbst aus einem kleinen Dorf kommt, bereits vor einigen Jahren. Im Februar 2020 konnte schließlich der erste digitale Dorfladen eröffnet werden. Ein Beispielprojekt, das schon einige andere Gemeinden inspiriert hat denn neue Filialen sind bereits in Planung.
Von der Gemeinschaft für die Gemeinschaft
Im Gegensatz zu anderen Dorfläden kommt der Tag- und Nachtmarkt in Altengottern fast komplett ohne Personal aus. Lediglich eine Angestellte kümmert sich für etwa eine Stunde täglich um die Sauberkeit und zwei Mal pro Woche um das Auffüllen der Regale. Infolgedessen ist der Markt weder mit hohen Personalkosten konfrontiert noch auf Ehrenamtliche angewiesen – zwei Aspekte, die für viele andere Dorfläden große Herausforderungen darstellen und sie nicht selten scheitern lassen. Das Sortiment besteht aus einer Grundauswahl haltbarer Lebensmittel, verschiedener Drogerieartikel, aber auch aus frischen Produkten, wie Obst und Gemüse, Fleischwaren vom lokalen Metzger oder Backwaren der Dorf-Bäckerei. „Das Motto des Tag- und Nachtmarktes lautet Von der Gemeinschaft für die Gemeinschaft und dazu zählt für uns auch, regionale Produkte anzubieten und somit Betriebe aus der direkten Umgebung zu unterstützen“, betont Mario Demange.
Bargeldlose Bezahlung – auch mit Prepaid-Karten

© Emma’s Tag und Nachtmarkt GmbH
Der Einlass funktioniert per Kundenkarte, die bereits etwa 850 Personen beantragt haben, und einem PIN-Code. Ein Kamera-System behält den Überblick über den Markt. Die Bezahlung erfolgt an Selbstbedienungskassen mit EC-, Kredit- oder der Kundenkarte, die man wie eine Prepaid-Karte mit einem beliebigen Betrag aufladen kann. Eine Barzahlung ist nicht möglich. Dies trägt wiederum zur Sicherheit bei, da es so keine hohen Bargeldmengen im Tag- und Nachtmarkt gibt. Eine automatisierte Registrierung erfasst, welche Waren verkauft werden und entsprechend nachbestellt werden müssen. Auch die lokalen Lieferant:innen wie Imker:in, Metzger:in und Bäcker:in bekommen direkt über eine App angezeigt, welche ihrer Produkte verkauft werden und können so ihre Lieferung flexibel und individuell anpassen. Sie haben außerdem einen eigenen Zugang zum Laden, um selbst entscheiden zu können, wann sie liefern. Diese Vorgehensweise sorgt zudem für ein höheres Maß an Nachhaltigkeit, da die Warenlieferungen direkt an den Verbrauch angepasst werden, sodass kaum ein Überschuss an Lebensmitteln entsteht.
Auch wenn das System mit all seinen technischen Raffinessen anfangs sicherlich ungewohnt war und befremdlich gewirkt hat, so wird das Konzept laut Demange inzwischen sehr gut angenommen. Selbst die älteste Kundin habe sich mit ihren 91 Jahren mit der Technik vertraut gemacht und kommt mittlerweile sehr gut damit zurecht.
Verkaufsraum durchgehend geöffnet
Doch das Projekt dient nicht nur der Versorgung mit Produkten für den täglichen Bedarf zu jeder beliebigen Tageszeit, es soll ganzheitlich die Lebensqualität der Dorfbewohnerinnen und -bewohner steigern. Dementsprechend gibt es zusätzlich zur Einkaufsmöglichkeit eine integrierte Café-Ecke, einen WLAN-Hotspot, eine Paketstation, eine Ladestation für Elektroautos sowie eine digitale Infotafel der Gemeindeverwaltung. Durch eine Klubmitgliedschaft – quasi ein kleines Upgrade der Kundenkarte – können die Kunden außerdem ein Gemeinschaftsauto mit Elektroantrieb mitbenutzen. Ab Frühjahr 2021 soll das Mobilitätskonzept erweitert werden, indem zusätzlich vier E-Bikes und fünf E-Scooter bereitgestellt werden.

© Emma’s Tag und Nachtmarkt GmbH
Dennoch stellt sich die Frage, ob ein durchgängig geöffneter Supermarkt in einem Dorf wie Altengottern sinnvoll ist, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch ein digitales System ersetzt und somit kaum neue Arbeitsplätze schafft. Die Antwort lautet „Ja!“, denn dieses moderne Konzept stellt sicher, dass die Nahversorgung nicht durch zu hohe Betriebskosten gefährdet wird, unterstützt lokale Produzent:innen und gibt den Bewohnerinnen und Bewohnern im ländlichen Raum ein Stück mehr Unabhängigkeit. Und letztendlich braucht es einfach gute Ideen, die sich an aktuellen Entwicklungen und technischen Möglichkeiten orientieren, um die Infrastruktur auf dem Land nachhaltig zu stärken.
Schreibe einen Kommentar