HERNE: ZECHEN-KOLONIEN IM WANDEL DER ZEIT

Die Stadt Herne gehört zu den Städten im Ruhrgebiet, die während des Zweiten Weltkriegs nur wenig zerstört wurden. Insbesondere von Luftangriffen blieb die Stadt weitestgehend verschont. Aus diesem Grund bietet das Stadtgebiet bis heute eine für die Region unerwartet hohe Dichte an Altbauten bzw. historischer Bausubstanz. Insbesondere die ehemaligen Zechensiedlungen in Herne sind Beispiele für das reiche baukulturelle Erbe der Stadt und gehören zu den schönsten Anlagen im Ruhrgebiet. In vorbildlicher Kraftanstrengung vieler Beteiligter (Kommunen, Land, Denkmalpflege, Bürgerinitiativen, Wohnungsunternehmen) ist es hier gelungen, einige der historischen Arbeitersiedlungen zu erhalten, diese unter Wahrung ihrer gestalterischen und baulichen Qualitäten instand zu setzen und das Wohnumfeld modernen Ansprüchen von Bewohnerinnen und Bewohnern anzupassen.

Kein Objekt gleicht dem anderen

Besonders erfolgreich waren die Bemühungen im Ortsteil Börning, in der ehemaligen Bergarbeitersiedlung Teutoburgia. Die Siedlung wurde zwischen 1909 und 1923 gebaut und liegt in direkter Nähe zur Zeche Teutoburgia I / II, in der bereits 1911 mit der Kohleförderung begonnen wurde. Nur 14 Jahre später, kurz nach Fertigstellung der Siedlung, wurde die Zeche aber wegen Unrentabilität bereits wieder stillgelegt. Für die 530 Wohneinheiten, verteilt auf einer Fläche von 21,6 ha, schien die Zukunft infolgedessen genauso trist wie für die stillgelegte Zeche und blieb bis in die 1980er-Jahre ungewiss. Erst 1988 brachte die VEBA AG umfassende Sanierungsmaßnahmen auf den Weg und rekonstruierte die Außenhaut der 136 Gebäude, vorwiegend Doppel- oder Reihenhäuser, werk- und detailgetreu. Obwohl kein Objekt dem anderen gleicht, bilden sie zusammen betrachtet eine harmonische Komposition. Anstatt die Häuser streng nebeneinander aufzureihen, wurden sie versetzt an den meist leicht geschwungenen Straßen angeordnet.

Bis heute ist die Siedlung weitgehend abgeschlossen und vom Aufbau her angelehnt an das Gartenstadt-Konzept von Ebenezer Howard. Jede Wohneinheit verfügt über einen Garten; die Haupt- und Nebenwege werden flankiert von Hunderten von Straßenbäumen. Für die umfassende Erneuerung der Siedlung wurden circa 65 Millionen Deutsche Mark investiert. Alle Häuser stehen mittlerweile unter Denkmalschutz.

Historische Baukultur als identitätsstiftende Qualität

Weitere Beispiele für die besondere Substanz in Herne sind die Kolonien Königsgrube und Hannover I / II. Beheimatet in den Stadtteilen Röhlinghausen und Eickel wurden die beiden Siedlungen bis in die 1970er-Jahre durch die Zeche Hannover geprägt. Anders als in der Siedlung Teutoburgia zeigen die Straßenzüge in diesen Kolonien sehr unterschiedliche Gesichter. Entlang der verschiedenen historischen Bauabschnitte kommen unterschiedliche Architekturkonzepte zum Vorschein, die durch frühe Einzelprivatisierung weiter ausdifferenziert wurden. Trotzdem befinden sich beide Siedlungen in einem guten städtebaulichen Zustand. Je nach Straßenzug stehen rund 60 bis 90 % der Gebäude unter Denkmalschutz. Die historischen Kleider der Siedlungshäuser bilden Ziegel- und Putzbauten, die an einigen Stellen mit aufwändigen Ziegel- und Putzornamenten aufgewertet wurden.

Die historische Baukultur in Herne gilt heute wieder als besondere, identitätsstiftende Qualität und hat sich im Zuge der beschriebenen Transformationsprozesse zu einem echten Standortvorteil entwickelt. Der Umgang mit den Objekten und Flächen strahlt zudem als positives Beispiel in die gesamte Region aus.

Fotos: © RIK/Staudinger

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