GEBÄUDE MIT SEELE

Im Gespräch mit Jens Lütjen , Persönlichhaftender Gesellschafter der Robert C. Spies KG

Herr Lütjen, wie würden Sie Ihre Arbeit beschreiben?
Wir vermitteln zwischen den Welten, wir moderieren und versuchen, Käufer und Verkäufer bestmöglich zu beraten. Unsere Aufgabe ist es, insoweit beide Positionen zu verstehen und darauf eingehen zu können. Die Herstellung eines ehrlichen, belastbaren Interessenausgleichs prägt unsere Arbeit.

„Die Mitte der Dinge finden“, was bedeutet das für Sie?
Ich glaube, das Thema „Mitte“ ist in der Tat sensibel zu betrachten. Denn grundsätzlich wird ein Investor bzw. Erwerber versuchen, Idealvorstellungen umzusetzen. Häufig reduziert sich aus der Sicht eines Investors unsere Aufgabe zunächst auf die adäquate Akquisition und Angebotsunterbreitung sowie auf die möglichst minutiöse Bereitstellung der Objektdaten. Dieses Verhalten prägt insbesondere Investoren, die außerordentlich exakte Vorstellungen zum Produkt haben, häufig auch etwas systematisierter agieren. Demgegenüber haben wir viele Kunden, die uns sehr viel „ganzheitlicher“ sehen und einbinden. Dieses korrespondiert mit unserem grundsätzlichen Anspruch, den Kunden optional umfassend zu begleiten und zu beraten und ihm eine mittel- und langfristig idealkonfigurierte Immobilie zu vermitteln. Das passiert modulartig wie ein Mosaik. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Wir hatten vor einiger Zeit hier in Bremen ein Grundstück (Nordstraße / Ecke Hansator), das prädestiniert war für eine Handelsnutzung. Doch aus unserer Sicht sollte dort, salopp gesagt, kein Schuhkarton stehen, sondern lieber eine anspruchsvolle Architektur. Der Senatsbaudirektor stimmte mit uns überein, sodass wir ein tolles Grundstück, eine tolle Architektur und eine tolle Zusammenarbeit mit dem ausgewählten Büro hatten. Aber der Nutzer kam mit den Architekten nicht zurecht. Manchmal scheitert man also auch an Moderation, weil der Investor einfach ganz klare eigene Vorstellungen hat. So ist das nun mal.

Sie haben bei einer Überlegung im öffentlichen Raum begonnen. Ist das eine Haltung, die Sie mit einbringen und die gar nicht unbedingt vom Kunden ausgeht, sondern aus Ihrer Perspektive eher traditionell ist und aus der Teilnahme an Stadt, am öffentlichen Raum hervorgeht?
Ich wollte ursprünglich mal etwas mit Fotografie oder Architektur machen. Nun bin ich aber irgendwie zu diesem Beruf gekommen, den ich auch sehr liebe. Aber in der Tat ist es so, je länger ich es mache, desto größer ist auch bei uns der Gedanke des wertschöpfungsbezogenen Pre-Developments, der Ideenentwicklung zum Nutzen unseres Auftraggebers geworden. Wir haben hier bei uns im Haus das Basisvermittlungsgeschäft im privaten, gewerblichen und wohnwirtschaftlichen Bereich. Und dann gibt es die vermeintliche „Kür“, also besondere Ideen und Architekturthematiken, die wir versuchen, beim Kunden zu platzieren. Wir denken hier normalerweise erst mal wie ein Projektentwickler, wie ein Investor. Hier versuchen wir ein gleiches Gedankengut mit unserem Kunden synergetisch zu entwickeln und daraus ergeben sich automatisch Diskussions- und Optimierungsprozesse, die sich dann sehr unterschiedlich entwickeln können.

Das heißt aber auch, dass Sie in Ihren Gesprächen antizipieren müssen, was die Stadt oder der Standort braucht, im Sinne eines Beitrags für städtebauliche Aspekte. Ist das richtig? Im Verlauf der letzten Jahre ergaben sich zwischenzeitlich diverse, diesbezügliche Projekte und Beratungen. Wir haben teilweise auch öffentliche Mandate, bei denen man uns konsultiert, ob bestimmte Gebäude drittverwendungsfähig sind. Denn man braucht an bestimmten Orten Identifikationsbauten, bevor vielleicht eine Neubausiedlung entsteht. Und bei unseren Kunden und Investoren können wir, auch überregional, sicher diesen Lokalpatriotismus ganz gut rüberbringen und manchmal auch zum Umdenken bewegen, was zum Beispiel die architektonische Gestaltung angeht. Wir sind gerne mal Impulsgeber und gestalten ein bisschen Stadtentwicklung mit.

Ist Ihre Motivation Liebe zur Stadt?
Das würde ich so nie sagen, aber ich muss manchmal aufpassen, dass ich das nicht zu gerne mache. Neben dem „Brot und Butter“-Geschäft haben wir über die letzten fünf bis zehn Jahre zunehmend das Projektberatungsgeschäft und die Nähe zur Stadt entwickelt. An dieser Stelle führen wir ganz viele Diskussionen, um zwischen Stadt, Architektur und Investor zu vermitteln.

Wie ist das Verhältnis zwischen dem Wert des Objektes und dem daraus resultierenden öffentlichen Wert? Entsteht aus Ihrer Perspektive der eigentliche, nachhaltige Wert durch die Übereinstimmung dieser beiden Aspekte?
Es gibt Beispiele, bei denen funktioniert es genau so, wie Sie es beschreiben. Wir hatten neulich einen Jurywettbewerb in der Bremer „Hafenkante“, den hat ein Hamburger Büro gewonnen, von dem unser Kunde zunächst überhaupt nicht begeistert war. Der Neubau kostet mehr und ist aufwendiger in der Herstellung, aber wir waren sicher, dass er mehr Vorteile für die Stadt, den Investor, das Wohnungsbauunternehmen und natürlich auch für uns hat, weil wir wussten, dass wir diese Mehrkosten über den Verkauf der Wohnung wieder kompensieren können. Das ist keine Überkompensation, aber es entsteht ein Produkt mit ganz eigener Identität und nicht mit Beliebigkeit. An solcher Stelle gelingt das. Es gibt aber durchaus auch andere Fälle, bei denen die Rechtfertigung einer architektonischen Entscheidung durchaus stärker ausfallen muss.

Wie erleben Sie Ihre Aufgaben? Ist das Vermitteln eher ein Dazwischenstehen als dritter Akteur?
Wir versuchen immer mindestens 100 % Leidenschaft, also Überzeugung, einzubringen. Es gibt Kunden, die finden das toll und lassen sich gerne auf diese Reise gemeinsam mit uns ein. Und dann gibt es die, die ganz klare Vorstellungen haben und von uns einen bestimmten, vordefinierten Job erwarten. Das akzeptieren wir natürlich so, denn wir sind ja Dienstleister und wollen uns auch nicht aufdrängen. Aber wir versuchen zu motivieren und auch zu überzeugen. Und immer langfristig zu denken.

Was ist für Sie Atmosphäre?
Der Begriff ist erst mal über alle Assetklassen zu definieren. Atmosphäre hat viel mit Seele zu tun. Und wir suchen eher das Objekt mit Seele. Wir verstehen sehr gut, was funktionale Gebäude sind und akzeptieren das auch. Es gibt sicher gute Gründe, an bestimmten Standorten sehr funktionale Gebäude zu bauen, die aber dennoch, aus meiner Einschätzung, ob ihrer Funktionalität eine gewisse Seele und Atmosphäre benötigen, um sich langfristig erfolgreich am Markt zu positionieren. Das Bemühen um atmosphärische Architektur, Räume und Stadt in ihrer vermeintlich weichen Beschreibung charakterisiert im Nachhinein also doch eine sehr harte Nachhaltigkeit? Das bringt es gut auf den Punkt. Ich würde mir wünschen, dass beispielsweise Bremen in der Überseestadt den Mut hat, experimenteller zu bauen – Kopenhagen und andere Städte lassen grüßen. In Anbetracht der hohen Nachfrage an bezahlbarem Wohnraum und Nachhaltigkeit haben wir hier vergleichbar günstige Grundstückspreise. Die Bandbreite an Zielgruppen und standortspezifischen Themen, aber auch an Neuem und Innovativem lässt eine positive Reibung entstehen. Hier geht es um Wertewandel, Individualität, eine stärkere Ausprägung von Atmosphäre. Was wünschen sich die Leute? Das zu erspüren und möglichst idealtypisch umzusetzen ist wichtig. Der Kunde muss am Ende mit seinem Objekt glücklich sein.

Eine kurze Ergänzung: Wir machen momentan ganz viel in der Logistikindustrie. Ich finde es teilweise sehr schade, dass die meisten klassischen Logistikimmobilien einfach seelenlose Gebäude sind. Einige machen es vor, dass es Themen und Standorte gibt im High-End-Bereich, zum Beispiel Vitra in Weil am Rhein, bei denen es toll und wohltuend ist, wenn eine solche Immobilie eine andere Haptik, eine andere Emotionalität erzeugt. Ich fände es toll, wenn im Bereich von Logistikimmobilien in Teilen auch mal an exponierten Stellen Architektenwettbewerbe realisiert würden und man hier etwas ausdrücklicher für die daraus resultierende Immobilienwertigkeit und Ertragsstärke wirbt. Diese Thematik würde ich gerne einmal wissenschaftlich untersuchen lassen. Diese Assetklasse ist so wichtig geworden, aber sie stellt nach wie vor eine reine Funktionalität in den Vordergrund.

Vielen Dank für diese Ergänzung und das interessante Gespräch.
Das Interview führte Johannes Busmann

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert