Der Diplom-Ingenieur und Sachbuch-Autor ist bekannt für seine Tätigkeit als Redakteur und Architekturkritiker bei der Süddeutschen Zeitung. Genau wie polis, beschäftigt sich auch Gerhard Matzig mit dem „Gesicht unserer Städte“ und wie es sich in Zukunft möglicherweise verändern könnte.
Unsere kommende Print-Ausgabe „PUBLIC for all“ erscheint am Montag, 12. Dezember, und wird sich genau diesem Thema widmen: im Fokus stehen die sich verändernden Ansprüche an den öffentlichen Raum. Es geht um die Frage nacch der Zugänglichkeit und die Zukunft solch öffentlicher Räume. Heißt mehr Sicherheit gleich weniger Freiheit? Und umgekehrt, mehr Freiheit gleich weniger Sicherheit?
Für das polis Magazin hat Gerhard Matzig geantwortet..
Herr Matzig, wie wird Ihrer Meinung nach die Stadt der Zukunft eher aussehen – wird es mehr Mauern geben oder mehr „unsichtbare“ und dennoch abwehrsichere Stadtmöblierung?
Ich glaube, dass die Architektur dem Sicherheitsbedürfnis in Zukunft tendenziell zunehmend, gleichzeitig aber auch: in Maßen entsprechen wird. Das gilt auch für den Städtebau. Das heißt: Gebäude wie etwa die amerikanische Botschaft in Berlin am Pariser Platz, im Grunde ein Hochsicherheitstrakt, werden ebenso häufig anzutreffen sein wie Gated Communities. Auch die Stadtmöblierung wird auf eine zunehmende Gefahrenlage abgestimmt werden. ABER: Das wird das Wesen der europäischen Stadt nicht fundamental oder strukturell, sondern nur punktuell, sozusagen an der Oberfläche ändern. Darüber hinaus: Gesellschaften lernen es, mit Gefahren zu leben – siehe Israel.
Was müsste Ihrer Meinung nach von Politik und Gesellschaft geleistet werden, um einerseits dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen in Städten und auf öffentlichen Plätzen nachzukommen und andererseits ein Leben ohne Schutzwälle und hohe Mauern zu gewährleisten?
Zunächst etwas Utopisches: den Urgrund des Terrors beseitigen – dort, wo er entsteht. Falls das nicht oder erst in ferner Zukunft gelingt (wovon auszugehen ist): Politik und Gesellschaft leisten jetzt schon das Notwendige. Vor allem aber findet ein Umdenken statt: Man macht sich bewusst, dass totale Sicherheit eine Illusion ist. Nie und nimmer darf das öffentliche Leben im Zeichen des Terrors auf seine Öffentlichkeit verzichten, denn dann hätte der Terror schon gewonnen. Vorsicht, Gelassenheit und Lebenslust auf den Plätzen und in den Straßen: Das sind keine Widersprüche, sondern das ist fundamental für eine moderne Gesellschaft.
Denken Sie, dass das Errichten von Mauern auch irgendwie geartete Vorteile für eine Gesellschaft haben könnte?
Mauern gehören zum Ursprung des Architektonischen und zur Grammatik der Stadt. Mauern sind konstitutiv für Gesellschaften, solange man dafür sorgt, dass sie auch überwindbar bleiben. Anders formuliert: eine Gartenmauer kann durchaus friedensstiftend sein; die Berliner Mauer war es eher nicht. Mauern sind legitime Mittel der Begrenzung, aber Mauerdurchlässe, Türen und Tore sind auch legitime Mittel der Osmos.
Ein ausführlicher Artikel zum Thema „Sicheres Bauen in der Stadt“ und „Terrorsichere Stadtmöblierung“ erscheint am Montag (12.12.2016) im neuen polis Magazin für Urban Development.
Wir danken Gerhard Matzig ganz herzlich für die Beantwortung der Fragen !
Bilder
© Stephan Rumpf (das Foto zeigt die vor einigen Wochen errichtete Schallschutzmauer vor einem Flüchtlingsheim in München, Perlach. Längst ist das Bauvorhaben zu einem Politikum geworden)
© DDP (Amerikanische Botschaft, Berlin)
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