LONDON: WOHNUNGSNOT MIT APARTMENTS ÜBERHALB VON BAHNGLEISEN LÖSEN?

Das Ingenieursbüro WSP hat sich Gedanken gemacht zum rasanten Bevölkerungswachstum in Englands Hauptstadt – herausgekommen ist eine etwas ungewöhnlichere Idee: Laut ihren Analysen könnten mehr als 280.000 Wohnungen auf ungenutzten Flächen geschaffen werden – und zwar über Bahngleisen, U-Bahnlinien und dem oberirdischen Netz von London. Mithilfe der GIS-Technologie – Geographisches Informationssystem – hat das Büro die zur Verfügung stehenden Flächen für den sogenannten Überbau berechnet – davon wären laut WSP 10 Prozent tatsächlich für den Bau von Wohnraum nutzbar. Genug Raum für 280.000 zusätzliche Wohnungen.

Geplant wären dabei zwölfstöckige Gebäude mit 100 m2 pro Etage. Die Größe der verfügbaren Strecken war einer der begrenzenden Faktoren: Für realistische Entwicklungen würde man ein Grundstück benötigen, das mindestens 100 Meter lang ist. Brent, Ealing und Croydon wären in London die Bezirke mit dem größten Überbauungspotential. WSP gehe es nicht nur um die Schaffung neuer Wohnungen, sondern vor allem auch um die Schaffung neuer, sicherer, umweltfreundlicher und lebendiger Gemeinschaften.

Sie beschränkten ihre Berechnungen allerdings nicht nur auf London und weiteten die Technologie auf internationalen Raum aus: Schätzungsweise könnten in Melbourne durch den Überbau der Eisenbahn mehr als 77.000 zusätzliche Häuser geschaffen werden, 29.100 in Sydney sowie 46.000 in Vancouver – das sind ganz schön stattliche Zahlen.

WSP ist nicht das einzige Unternehmen, das das enorme Überbaupotential immer dichter werdender Städte entdeckt hat: Rogers Partners und Nelson Byrd Waltz zum Beispiel präsentierten die Idee, in Atlanta einen erhöhten Stadtpark über Bahngleisen zu errichten, in Sydney ist ein Stadion mit 45.000 Sitzplätzen über dem Hauptbahnhof im Gespräch.

Im Moment steckt London offensichtlich in einer schweren Immobilienkrise. Der Bürgermeister Sadiq Khan verkündete im letzten Jahr, dass die Stadt jährlich eigentlich 66.000 neue Wohnungen mindestens benötigen würde, um die steigende Nachfrage nach Wohnraum zu stillen. Die Realität allerdings ist ernüchternd: Im zweiten Quartal dieses Jahres waren nur 2.917 neue Wohnungen geplant.

Die aktuelle Analyse folgte auf einen WSP-Bericht im vergangenen Jahr, der die Idee des Überbaus der Eisenbahn erstmals auf den Plan brachte. Damals waren es „nur“ geschätzte 250.000 potentielle Wohnungen für London, durch Verbesserungen ihrer Methodik konnten allerdings weitere dazu gewonnen werden.

In Kooperation mit der Abteilung für Zivil-, Umwelt- und Geomatik des University College London berücksichtigte die WSP sozioökonomische sowie –ökologische Kriterien, um die Entwicklung eines Gebiets realistisch zu planen. Einbezogen wurden Aspekte wie ÖPNV, Bevölkerungsdichte und sogenannte Opportunity-Gebiete, die besondere Entwicklungspotentiale bieten. WSP plädiert für „radikalere Lösungen“ in Städten, da sonst irgendwann die bestehenden Problematiken für Gesellschaft und Stadt implodieren würden.

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Foto © WSP

 

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