PRIMUS ist bekannt für hochwertige Projektentwicklungen in Wasserlagen. Worin liegt für Sie die Besonderheit, am Wasser zu bauen?
Die Idee, am Wasser zu bauen, markiert den Ursprung der PRIMUS. Ich bin schon lange Jahre als Architekt tätig gewesen, als ich vor gut 18 Jahren die PRIMUS gegründet habe. Damals, Ende der 1990er Jahre, wurden Hafenentwicklungen als Motor der Stadtentwicklung und -erweiterung entdeckt. Es gab Projekte im Düsseldorfer Hafen, in Hamburg fing man langsam mit der HafenCity an und in Köln gab es das Konzept zum Rheinauhafen von Hadi Teherani. Zu der Zeit entwickelte ich die Idee, Projektentwicklung am Wasser zum Alleinstellungsmerkmal der PRIMUS zu machen. Das bot große unternehmerische Chancen, denn es reizte die Menschen damals wie heute sehr, am Wasser zu leben und zu arbeiten. Davor wurde Wasser als etwas Bedrohliches wahrgenommen, weshalb sich die Städte dann häufig von den Flüssen und den Häfen abgekehrt haben.
Das kann man sich aus heutiger Sicht gar nicht mehr vorstellen.
In der Tat! Aber wenn wir hier in der HafenCity aus dem Fenster sehen, erkennt man, dass die Gebäude, die an der Kehrwieder Spitze gebaut worden sind zur Elbe und zu der großartigen Elbphilharmonie hin kleine Fenster haben und auf der anderen Seite mit dem Blick auf die Stadt große Panoramafenster. Das zeigt sehr schön den Wertewandel.
Welche Herausforderungen ergeben sich im Zuge von Projektentwicklungen in Wasserlagen?
Wir sind in den Projektentwicklungen sehr technisch-konstruktiv geprägt. Das Bauen am Wasser traut sich nicht jeder. Die Herausforderungen im Zusammenhang mit Hochwasser und den dafür erforderlichen Abdichtungen werden gefürchtet, was aber bautechnisch im Grunde genommen kein großes Problem darstellt. Mir hat das letztlich die Möglichkeit eröffnet, mich gut etablieren zu können. Das Thema Wasser hat mich all die Jahre immer begleitet, ob das nun der Rhein in Köln war, ob das die Elbe in Hamburg war, die Trave in Lübeck oder jetzt aktuell auch der Main in Offenbach.
Können Sie das näher beschreiben? Was macht sie aus, diese suggestive Kraft von Wasser?
Wasser hat eine mystische Wirkung auf Menschen, es ist ständig in Veränderung, die Oberfläche des Wassers ändert sich. Als ich Bauchchef bei Bertelsmann war, habe ich einen See mit 140 Metern Durchmesser auf dem Parkplatz der Hauptverwaltung bauen lassen. Da fielen Stellplätze weg, was nicht gerade zu großer Begeisterung führte. Aber als der See fertig war, haben alle auf diesen Teich wie auf ein Wunder geschaut . Wie ist die Oberfläche des Wassers gekräuselt? Wie spiegelt sich der Himmel darin? Es gibt sicher auch Ängste, aber es ist auch ein Erlebnis am Wasser zu sein, es zu berühren, zu überqueren und vieles andere mehr. Das Klima am Wasser ist auch angenehm. Und das trägt.
Die Holländer integrieren in ihren Gewerbegebieten häufig künstlich angelegte Wasserflächen. Die scheinen das präsenter zu haben. Die Haltung hier ist wohl eine rein funktionale Betrachtung des Wassers.
Ja, und es gibt meiner Meinung nach auch keine Gründe, warum das hier nicht noch stärker als Element der Stadtplanung einsetzt werden kann. Schauen wir uns die befestigten Flächen mal näher an, also beispielsweise Dachflächen. Warum leitet man das anfallende Niederschlagswasser in die Kanalisation? Warum bauen wir nicht überall großflächig oberirdische Retentionsflächen, in denen das Wasser gestaut wird. Es ist doch attraktiv eine Wasserfläche zu haben, in der das Wasser gesammelt und so erfahrbar wird.
Sie machen ja fast ausnahmslos Projekte am Wasser. Wie gehen Sie an die Planungen ran? Versuchen Sie besondere architektonische Qualitäten unterzubringen, um so einem Projekt Wert beizumessen?
Wir haben in den letzten Jahren fast ausschließlich Wohnungen gebaut und nur wenige Bürogebäude, wie beispielsweise die Elbarkaden in Hamburg für Greenpeace. Bei Wohnungen ist der Blick auf das Wasser ein wertvolles Asset. Insofern plant man die Lage der Balkone so, dass möglichst viele Blicke aufs Wasser möglich sind. In Lübeck haben wir sowohl an der Trave als auch an der Wakenitz die Sichtbezüge so konstruiert, dass man nahezu von jeder Wohnung auf die Wasserflächen sehen kann. Die Städte, das gilt für Lübeck wie für andere Städte auch, halten die Ufer für die Öffentlichkeit zugänglich. Mitunter gelingt es uns mal, ein Grundstück mit direktem Wasserzugang zu finden. Allerdings kann ich persönlich auch das städtische Interesse verstehen, die Ufer öffentlich begehbar zu halten. In jedem Fall sollten die Ufer in der Architektur eines Gebäudes sorgfältig inszeniert werden. Gelungene Beispiele von uns sind das KAP am Südkai in Köln mit der großen Terrasse und der Treppe, die zur Rheinpromenade herunter führt. Am schönsten ist uns das hier bei den Elbarkaden und der großen Stadtloggia gelungen, die wie eine große Theaterbühne zum Magdeburger Hafen wirkt. Das muss natürlich von der Nutzung her auch angenommen werden. Wir haben wir immer Wert darauf gelegt, dass die Gebäude sich nicht nur mit den Blickbeziehungen, sondern auch mit den Erdgeschossen und den Zugänglichkeiten zu den Wasserflächen städtebaulich und landschaftsplanerisch vernetzen.
Wie hat sich die Situation seit den 1990ern und dem Beginn der Projektentwicklung am Wasser verändert? Ist es heute ein Thema, dass man hier kaum noch Flächen bekommt? Oder ist die Angst vorm Wasser nach wie vor da?
Wasserlagen sind mittlerweile sehr knapp geworden. Häuser am Wasser sind sowohl bei Investoren als auch bei Nutzern akzeptiert und sehr begehrt. Ich bin inzwischen eher ein bisschen ernüchtert, weil ich immer dachte, dass Gebäude am Wasser anders sein können als diese Mainstream-Häuser. Durch die Vielzahl der Projekte und die Überfrachtung der Projekte mit technischen und organisatorischen Anforderungen ist dieser experimentelle Charakter, den die ersten Projekte am Wasser noch hatten, weg. Das ist zur Routine geworden.
Gibt es Städte, die in dieser Hinsicht noch Entwicklungspotenzial haben, wo es noch viel zu tun gibt?
Ja, die gibt es. Ich denke vor allem an drei Städte, in denen dieser Geist noch zu spüren ist und die diese Weiterentwicklung der städtischen Strukturen zum Wasser hin fördern. Das ist zum einen Mainz. Dort haben wir 2015 einen Wettbewerb gewonnen und das DOXX mit schneider+schumacher entwickelt, ein hervorragendes Projekt im Zollhafen, das inzwischen Pandion baut und vermarktet. Zum anderen Offenbach. Dort bauen wir auf dem ehemaligen Hafengelände die Marina Gardens. Diese Städte haben erst relativ spät die Infrastruktur für Bauten am Wasser geschaffen und aus den früheren Hafenprojekten gelernt. Und in Offenbach spürt man einfach auch, dass die Offenbacher sich freuen, dass wir etwas riskieren. Diese Projekte sind aus meiner Sicht inzwischen interessanter als die etablierten Standorte.
Wo der Immobilienmarkt in seiner Mechanik auch unglaublichen Druck ausübt.
Genau. Die Kapazitäten sind nahezu erschöpft und im Grunde genommen kann nahezu jeder Preis gefordert werden. Man braucht aber, um innovative Projekte zu machen, Locations, die nicht im Höchstpreissegment liegen. Da sind Projektstandorte wie Mainz, Offenbach und auch Lübeck interessanter. Dort hat man im Vergleich noch die Möglichkeit, an Grundstücke zu kommen und etwas auszuprobieren. Lübeck ist jetzt unser jüngstes Projekt am Wasser im Hafengebiet um die Wallhalbinsel. Und ein Projekt habe ich noch vergessen: die Allerinsel in Celle. Wir haben dort an einem Wettbewerb mit den Architekten Hubertus von Bothmer und Christoph Jessnitz teilgenommen, und bauen in Kürze 100 Wohnungen am kleinen Binnenhafen in Celle. Und plötzlich merkt man, dass die Menschen in einer Stadt wie Celle, die an die Lüneburger Heide grenzt, sagen: Das ist toll! Wir haben Wohnungen mit Blick auf die Aller.
Wie erleben Sie die Kommunikation mit den Kommunen, wenn es um die Wasserkanten geht? Gibt es da Interessenkonflikte?
Diese Frage beantworte ich zuerst als Bürger. Als Bürger kann ich verstehen, dass die Kommunen in unser aller Interesse dafür sorgen wollen, dass Wasserflächen zugänglich sind und dass die Bürger die Wasserflächen erleben können. Bei unserem Projekt Wasserkunst in Lübeck haben wir Wassergrundstücke gekauft und hatten sogar ein Rücktrittsrecht für den Fall, dass wir in der weiteren Projektentwicklung keinen exklusiven Wasserzugang hätten. Irgendwann hat die Politik gesagt: Nein, wir wollen das nicht. Wir sind trotz aller Diskussionen schließlich nicht zurückgetreten. Inzwischen ist dies eine Selbstverständlichkeit. Wasser hat einen großen Freizeitwert und es ist einfach schön am Wasser zu leben und zu arbeiten. So wie wir es hier in der HafenCity erleben. Man kann nahezu kreuzungsfrei die Wasserpromenaden begehen oder mit dem Fahrrad befahren. Das ist eine große Qualität, die letztlich uns allen, die wir am Wasser bauen, auch wieder zu Gute kommt.
Schon der Blick hier aus dem Fenster bietet eine hohe Qualität. Ist es angesichts dieser Lagequalitäten eigentlich möglich, eine soziale Spreizung an der Wasserkante zu erreichen?
In Hamburg ist das inzwischen die Regel. Wir haben hier eine 30% Regelung für geförderten Wohnungsbau. Im östlichen Teil der HafenCity bilden sich verstärkt neue Baugenossenschaften und Bauherrengemeinschaften und es wird geförderter Wohnungsbau errichtet. Das ist eine sehr bunte Veranstaltung und die wird von der Verwaltung auch gut begleitet und gefördert. Das Wohnen und Arbeiten am Wasser ist einfach für sehr viele attraktiv. Ich zum Beispiel bin ein Freund vom Arbeiten im 1. Obergeschoss. Da fehlt einem zwar der Weitblick über die Stadt und die Landschaft, aber man hat den unmittelbaren Bezug zu dem, was auf dem Wasser stattfindet. Man sieht, wer auf dem Boot steht, hat das Gefühl, an die Masten der Segelschiffe fassen zu können und das alles bietet ein tolles Lebensgefühl.
Es gibt wirklich eine Reihe von Beispielen für eine vitale und nutzungsgemischte Entwicklung an der Wasserkante. Letzte Woche habe ich das zufällig in Leipzig erlebt. Am Karl-Heine Kanal ist dort ein Reichtum unterschiedlicher Qualitäten an der Wasserkante entstanden, ein Wechsel von Bebauung und Belebung mit Szenecafés, auch Privateigentum und alten Industriefabriken. Das war schon beeindruckend.
Oder der Innenhafen in Duisburg. Der Innenhafen ist ein hervorragendes Beispiel, weil dort zunächst, noch lange vor dem Baubeginn der Häuser, Grachten künstlich angelegt wurden. Dadurch habe ich Duisburg damals das erste Mal richtig wahrgenommen. Die Stadt hat mithilfe von Fördermitteln ein unglaubliches Entwicklungspotenzial in diesem Innenhafen entfaltet.
Das war in der Tat ein großer Schub für Duisburg.
Ja, das ist ein echter Schub geworden. Ein anderes Beispiel ist Stockholm, wo es an einer der Schären in Nybro ebenfalls eine Art HafenCity gibt, sehr weitläufig und nicht so verdichtet wie hier. Dort sehen es auch diese harten Hafenpromenaden, wie wir sie hier in Hamburg haben. Aber auch den Wohnungen vorgelagert, Wege in Schilfbepflanzungen. Das finde ich sehr schön, so etwas gibt es in Deutschland leider noch nicht.
Haben wir in dieser Hinsicht noch mehr Potenzial für künftige Entwicklungen? Wenn neben der „harten Kante“ eine größere Variation und Reichhaltigkeit von Zugängen zum Wasser erkennbar wäre?
Das sind Dinge, die ich mir in Zukunft vermehrt wünschen würde und auch vorstellen kann. In Offenbach haben schneider+schumacher die Spitze des Mainhafens so geplant und einen Sandstrand konzipiert. Hier in Hamburg kann man das im Hafen nicht so ohne weiteres machen. Was passiert, wenn die Vertäuung der Cap San Diego reißt und diese durch die Fleet getrieben wird … Aber es gibt einen Wandel im Umgang mit Wasser, der sich noch fortsetzen wird. Früher wollte keiner den Fuß in die Elbe setzen. Inzwischen gibt es Elbschwimmer. Hamburg hat noch viele Potenziale. Leben am Wasser, das ist nicht nur in Hamburg ein unerschöpfliches Thema.
Vielen Dank für das anregende Gespräch!
Das Interview führte Johannes Busmann
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Achim Nagel
wurde 1959 in Löhne geboren. Der Dipl.-Ing. Architekt studierte Architektur an der TU Hannover. Nach Stationen in Hamburg und Gütersloh wurde er 1993 Partner im Architekturbüro Ingenhoven Overdiek + Partner in Düsseldorf. Im Jahr 2000 gründete er die PRIMUS Immobilien AG in Düsseldorf; die heutige PRIME site development GmbH in Hamburg. Ein Jahr später gründete er die PRIMUS developments GmbH in Hamburg sowie zusammen mit Claudia de Bruyn product development and integrated design in Ratingen.
Vielen Dank für die Informationen zur Projektentwicklung. Ein Freund von mir ist daran interessiert, mehr über die Projektentwicklung für ein Grundstück zu erfahren, das ihm gehört. Ich werde diesen Blog mit meinem Freund teilen und schlage vor, dass er mit einem Fachmann spricht, um mehr über die Projektentwicklung zu erfahren.
[…] zum Thema: unser Interview mit Achim Nagel, Gründer der PRIMUS Immobilien AG über Projektentwicklung am […]