
© Dr. Jochen Hentschel
Die Vorstellung, unmittelbar am Wasser zu leben oder zu arbeiten, begeistert viele. Ehemalige Hafengelände und andere vernachlässigte Uferlagen wurden in den letzten Jahrzehnten vielerorts wiederentdeckt und zu hochattraktiven Quartieren umgebaut.
Uferflächen mit vielversprechendem Entwicklungspotential lassen sich auch heute noch finden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Projektentwicklung in entsprechenden Lagen wurden allerdings in den 2000er Jahren erheblich verschärft. Unter dem Eindruck der Hochwasserkatastrophen an Oder, Elbe und Donau erließ der Bund das Hochwasserschutz-gesetz, durch das vor allem das Wasserhaushaltsgesetz und das Baugesetzbuch geändert wurden. Dieses schränkte die Ausweisung von Baugebieten sowie die Genehmigung von Vorhaben in hochwassergefährdeten Gebieten, zu denen im Regelfall die ungeschützten Ufer von Flüssen gehören, erheblich ein. Noch nicht verwirklichte Projekte, wie etwa die seit langem diskutierte Umgestaltung des Deutzer Hafens in Köln zu einem Wohn- und Büroquartier, wurden daraufhin mitunter schon totgesagt. Teilweise wurde das Hochwasserschutzgesetz nämlich, weil zentrale Regelungen unklar formuliert waren, strenger ausgelegt, als es vom Gesetzgeber beabsichtigt war.
Die Hochwasserereignisse 2013 waren Anlass für eine Überarbeitung der noch gar nicht so alten Schutzvorschriften. Diese wurden durch das Hochwasserschutzgesetz II, das im Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist, teilweise noch einmal verschärft. Zugleich wurden jedoch auch die Regelungen, die zu Fehlinterpretationen Anlass gegeben hatten, neu formuliert.
Die aktuelle Rechtslage stellt sich nun wie folgt da:
In festgesetzten Überschwemmungsgebieten, die im Außenbereich liegen, ist die Ausweisung neuer Baugebiete für Wohnen und Gewerbe grundsätzlich untersagt (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz – WHG).
Hervorzuheben ist, dass unter „Überschwemmungsgebieten“ bei weitem nicht nur unberührte Auenlandschaften oder Uferwiesen zu verstehen sind. Auch eine ehemalige Kaianlage samt sich anschließender Industriebrache kann ein Überschwemmungsgebiet im rechtlichen Sinne sein. Überschwemmungsgebiete sind nämlich alle Gebiete, unabhängig von ihrer Bebauung, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG). Die förmliche Festsetzung dieser Gebiete als Überschwemmungsgebiete durch die Wasserbehörden dürfte im Regelfall inzwischen überall abgeschlossen sein. Schon das Hochwasserschutzgesetz I enthielt nämlich eine Verpflichtung, die Festsetzungen bis spätestens 22. Dezember 2013 vorzunehmen (§ 76 Abs. 2 Satz 2 WHG).
In Kommunen, in denen ansonsten keine andere Möglichkeit der städtebaulichen Weiterentwicklung besteht oder geschaffen werden kann, dürfen unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch im Außenbereich neue Baugebiete für Wohnen oder Gewerbe in Überschwemmungsgebieten ausgewiesen werden (§ 78 Abs. 2 WHG). Auf diese Ausnahmeregelung wird man sich aber nur äußerst selten, etwas in engen Flusstälern, wie beispielsweise am Mittelrhein, mit Erfolg berufen können.
Anders verhält es sich im Innenbereich. Dort dürfen auch in festgesetzten Überschwemmungsgebieten Bebauungspläne aufgestellt, geändert oder ergänzt werden, jedoch muss der Hochwasserschutz hierbei berücksichtigt werden. Dies meint nicht nur, dass Festsetzungen getroffen werden müssen, die dafür sorgen, dass die Gebäude im Baugebiet selbst vor Hochwasser geschützt sind. Es muss auch vermieden werden, dass sich durch den Bau von neu ausgewiesenen Gebäuden der Hochwasserschutz für die Ober- oder Unterlieger außerhalb des in Rede stehenden Baugebiets verschlechtert. Der Bebauungsplan muss zusammengefasst Folgendes gewährleisten: keine nachteilige Auswirkungen auf Ober- oder Unterlieger, keine Beeinträchtigung des bestehenden Hochwasserschutzes, hochwasserangepasste Errichtung der Bauvorhaben (§ 78 Abs. 3 Satz 1 WHG).
Das Hochwasserschutzgesetz reglementiert jedoch nicht nur die Bauleitplanung. Auch die Erteilung von Baugenehmigungen unterwirft es strengen Regelungen, um zu gewährleisten, dass in festgesetzten Überschwemmungsgebieten – wenn überhaupt – nur „hochwasserangepasst“ gebaut wird. Daher verbietet es grundsätzlich, in festgesetzten Überschwemmungsgebieten Gebäude zu errichten oder zu erweitern (§ 78 Abs. 4 Satz 1 WHG). Dieses gesetzliche Verbot gilt unabhängig von bauleitplanerischen Festsetzungen. Es greift selbst dann, wenn die Errichtung eines bestimmten Gebäudes in einem Bebauungsplan, der seinerseits allen Belangen des Hochwasserschutzes entspricht, als zulässig ausgewiesen ist.
Allerdings kann abweichend von diesem gesetzlichen Verbot die Errichtung oder Erweiterung genehmigt werden, wenn (auch) aufgrund einer Prüfung des konkreten Einzelvorhabens feststeht, dass dieses den Hochwasserschutz, nicht beeinträchtigt (§ 78 Abs. 5 Satz 1 WHG).
Die Entwicklung von Uferflächen für Wohnen und Gewerbe wird also durch die Hochwasserschutzgesetze nicht gänzlich verhindert. Im Vergleich zur früheren Rechtslage sind die Anforderungen jedoch ganz erheblich gestiegen. Wasserbehörden und Fachgutachter müssen von Anfang an miteinbezogen werden. Der Belang des Hochwasserschutzes kann nicht mehr im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung zugunsten anderer städtebaulicher Belange zurückgestellt („weggewogen“) werden. Es müssen Lösungen gefunden werden, die gewährleisten, dass nicht nur die geplanten Gebäude selbst vor Hochwasser geschützt sind, sondern dass diese ihrerseits auch keine nachteiligen Auswirkungen auf den Hochwasser-schutz von Ober- oder Unterliegern haben werden. Mit rein bautechnischen Vorkehrungen, die dafür sorgen, dass „die Keller nicht volllaufen“, ist es bei weitem nicht mehr getan.
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Dr. Jochen Hentschel
Dr. Jochen Hentschel ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei CBH Rechtsanwälte Corneli-us Bartenbach & Partner, Köln, die bundesweit Bau- und Infrastrukturvorhaben rechtlich be-gleitet. Er hat über die EU-Wasserrahmenrichtlinie promoviert und berät und vertritt Unter-nehmen und Körperschaften des öffentlichen Rechts im Umwelt- und Planungsrecht.
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