Karlsruhe ist eine der wenigen Städte, die noch weitgehend nach dem aufklärerischen Konzept der „idealen Stadt“ organisiert sind. Die Stadt wuchs um das Karlsruher Schloss herum und ist daher zweigeteilt, mit einer dichten Bebauung im Stadtzentrum südlich des Schlosses und einer „grünen Stadt“ mit Parks und Wäldern im Norden. Der Masterplan von MVRDV verwischt diese Unterscheidung, füllt eine Lücke innerhalb der Stadtblöcke und bringt gleichzeitig mehr Grün in die südliche Hälfte der Stadt.
Bürgerbeteiligung im Mittelpunkt
MVRDV’s Entwurf ist das Ergebnis eines öffentlichen Beteiligungsverfahren, wodurch Impulse aus der Bürgerschaft direkt in die Entscheidungsfindung des Begleitgremiums einfließen konnten. Der erste Schritt bei der Entwicklung des Masterplans bestand darin, sich das Gebiet mit vierstöckigen Blöcken vorzustellen, die den Höhen der Stadtblöcke im Norden entsprechen. Von diesem Ausgangspunkt aus werden diese Blöcke „geschnitzt“, um die notwendigen urbanen Räume zu schaffen: ein Platz wird geschaffen, um den Zugang zum Badischen Staatstheater zu erhalten; um bestehende Bäume zu erhalten, werden die Blöcke so geschnitzt, dass sie sich an die Bäume anpassen; zwei diagonale Straßen werden hinzugefügt, um die Erschließung zu verbessern; und innerhalb der Blöcke werden nach Bedarf Innenhöfe geschaffen.
Floating Garden als Kernstück
Das Kernstück des Masterplans bildet ein schüsselförmiger „Floating Garden“ über dem Ettlinger-Tor- Platz, als Gegenpart zum Karlsruher Schloss an der Via Triumphalis. Er bietet Ausblicke über die Dächer von Karlsruhe, in Anlehnung an die privilegierte Aussicht des Schlosses auf die Stadt, gibt sie aber im übertragenen Sinne „den Einwohnern von Karlsruhe zurück“. Unterhalb des Floating Gardens gibt es Platz für ein öffentliches Stadtforum und ein Hotel. Die gewölbte Fassade der Unterseite des Floating Gardens besteht aus Spiegelpaneelen, die die Stadt von überall her reflektieren, während der kreisförmige Dachgarten als konzeptioneller Stadtplan von Karlsruhe gestaltet ist, mit Wegen und Pflanzen, die die 32 radialen Straßen der Stadt nachbilden.
„Karlsruhe ist eine Stadt mit einem ganz eigenen Charakter. Unser Masterplan ist sowohl eine Fortsetzung als auch eine Huldigung der Elemente, die sie so besonders machen“, sagt MVRDV- Gründungspartner Winy Maas. „Mit einem verspiegelten Unterbau und einem Dachgarten, der eine Miniaturnachbildung der ‚Fächerstadt‘ bildet, wird der Mittelpunkt unseres Masterplans zu einem Denkmal für die Stadt, die umliegenden Gebäude und die Menschen, die dort leben.
Jede Fassade der viergeschossigen Blöcke hat einen anderen Charakter, sodass Bauherren und Beteiligte ihren eigenen Stil in den Stadtteil einbringen können. Die Dächer dieser neuen Blöckewerden dicht bepflanzt, so dass ein Stadtwald entsteht. Treppen und Brücken machen sie zu einem zugänglichen urbanen Park, was zu einer Verringerung des städtischen Wärmeinseleffekts beiträgt.
Neue Heimat für das Landratsamt
Der Masterplan wurde unter sorgfältiger Berücksichtigung bezüglich der Zukunft des Landratsamtes Karlsruhe erstellt, das derzeit in einem veralteten modernistischen Turm im Westen des Masterplangebiets untergebracht ist. Der Plan sieht einen schrittweisen Umzug in einen neuen Niedrigbau vor, der den Hochbau umgibt. Danach könnte der Turm entweder zu Wohnungen umgebaut oder abgerissen und ersetzt werden. Eine weitere Alternative bietet ein Szenario, bei dem das Landratsamt in einen über dem Ettlinger-Tor-Platz schwebenden Neubau umzieht und den Floating Garden ersetzt, wonach auch das Badenwerk-Hochhaus entweder modernisiert oder ersetzt werden könnte. Auch andere Standorte innerhalb des Masterplans eignen sich für den Neubau von Wohntürmen, die durch den verbesserten Nutzungsmix zu einer lebendigeren Innenstadt beitragen würden.
MVRDV wurde gemeinsam mit Max Dudler Architekten mit dem ersten Platz im Wettbewerb ausgezeichnet, da beide Büros in einigen Aspekten ähnliche Ansätze verfolgten. Das Landratsamt schlägt daher vor, die beiden Masterpläne zu „überlagern“, und auf diese Weise den städtebaulichen Rahmenplan für Architekturwettbewerbe zu schaffen. Eine Entscheidung zum Ettlinger-Tor-Platz soll bis Ende des Jahres vorliegen.
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Bilder: © MVRDV
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