
© Werner Sobek / Lürssen
Nicht immer müssen es die großen Gesten, die imposanten, schillernden Hochbauten sein, die das äußere Profil einer Stadt zukunftsweisend und eindrucksvoll verändern. Von Zeit zu Zeit lohnt es sich, den Blick auf das scheinbar Gewöhnliche, schon immer Dagewesene zu richten, um sich neuen Möglichkeiten gegenüber stehen zu sehen. Das Bremer Familienunternehmen Lürssen hat diesen Blick gewagt und inszeniert mit der Modernisierung und Überdachung von Dock 10 der Traditionswerft Blohm+Voss Altbewährtes ganz neu.
Rund 13 Millionen Euro nimmt die Unternehmensgruppe Lürssen für die Baumaßnahmen in die Hand, mit der sie nicht nur den Werftstandort Hamburg weiter stärken will, sondern auch ein spektakuläres visuelles Zeichen in dem weltweit bekannten Hafenpanorama der Stadt hinterlassen wird. Fünf renommierte Architekturbüros aus London, Paris, Stuttgart und Hamburg reichten im Zuge des hochbaulichen Workshopverfahrens ihre Visionen für die Überdachung des Docks ein. Letztendlich konnte das Stuttgarter Büro Werner Sobek die Jury unter Vorsitz der Hamburger Architektin Sibylle Kramer und Federführung des Oberbaudirektors Franz-Josef Höing überzeugen. Das Gewinnerbüro hat in der Vergangenheit bereits mit seiner filigranen, faltbaren Dachkonstruktion für das Tennisstadion am Rothenbaum erfolgreich bewiesen, wie textile Membranen den Hamburger Bestand eindrucksvoll transformieren und zu neuem Leben verhelfen können. Der Entwurf des Stuttgarter Architekten und Ingenieurs Werner Sobek beeindruckte die Jury vor allem aufgrund seiner dem Standort sowie Nutzungskontext angemessenen Inszenierung sowie der technischen Machbarkeit, die bei einer Dockseitenkastenlänge von knapp 272 Metern sowie einer Hallenhöhe von rund 50 Metern (inklusive Dockseitenkastenhöhe) eine besondere ingenieurstechnische Herausforderung darstellt. Trotz der räumlichen Komplexität und der Härte, die die industrielle Nutzung zunächst ausstrahlt, gelingt es dem Entwurf von Werner Sobek eine kaum greifbare Leichtigkeit und Eleganz auszustrahlen. So schmiegt sich die durchsichtige Nordfassade als Milimeterdünne Folie über filigrane Stahlstützen, die an der Längsseite der Halle abwechselnd nach innen und außen gedreht angeordnet sind. Durch die Faltung der Folie entstehen Reflektionen und Schattenwurf, die sich belebend auf die riesige Konstruktion auswirken.

© Werner Sobek / Lürssen
Auf den Betrachter, der von den Landungsbrücken und dem Fischmarkt ausgehend einen phänomenalen Blick auf die Konstruktion erhält, wirkt die Überdachung beinahe wie ein überdimensionales Schaufenster. Ein Schaufenster in eine Welt, die sich ihm zwar auch zuvor nicht verbarg. Die neue Dachkonstruktion lenkt den Blick zukünftig durch dessen besondere und für den Hafen einmalige Architektur gezielter auf die Arbeit die tagtäglich im Dock passiert: auf Schiffe, die gewartet oder aber ganz neu gebaut werden. Nicht zuletzt ist diese Geste auch ein Unterstreichen dessen, was Hamburg eben – noch immer – ausmacht und was untrennbar mit der Stadt verbunden ist.
Selbstverständlich dient die textile Hülle aber nicht nur dazu, dem Betrachter einen neuen Blick auf einen bewährten Teil der Stadt Hamburg zu eröffnen, sondern erfüllt auch einen nicht unerheblichen, funktionalen Zweck. Durch den Umbau des Docks wird dieses wetterfest, was Lürssen eine deutliche Erweiterung ihres Leistungsspektrums für potenzielle Kunden von Yachten, Marine- und Kreuzfahrtschiffen ermöglicht. Die zukünftige Allwetterhalle schafft ungeachtet von Regen und Sturm sehr gute Bedingungen sowohl für die Werftarbeiter als auch für die Bearbeitung von komplexen Aufträgen. Überdies leistet die Einhausung durch eine deutliche Reduzierung der Lärmemissionen und eines geringeren Energieverbrauchs einen spürbaren Beitrag zum Umweltschutz.
Mit dem Bau der Konstruktion wurde Mitte 2020 gestartet. Das Dock 10 selbst steht während der Bauphase jedoch nicht gänzlich leer, sondern dient dem Bau einer neuen Yacht. Nach einer voraussichtlichen Bauzeit von rund sechs Monaten werden das Schwimmdock sowie die Yacht bis zur geplanten Fertigstellung des Schiffes an den Bremer Werftstandort Berne verlegt. Mit der für 2022 geplanten Fertigstellung soll das Dock schließlich wieder an seinem gewohnten Stammplatz neben dem Dock Elbe 17, gegenüber der Landungsbrücken in Hamburg seinen Platz einnehmen.
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