UMSTEIGEN, BITTE – EINE INTERMODALE MULTIMODALREISE

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Manchmal verleiten uns meteorologische Umstände dazu, das Rad der üblichen Busreise vorzuziehen; dann wieder sind es göttliche Geschicke, wie verlegte Autoschlüssel, die Mobilitätsalternativen überraschend attraktivieren. Doch im Schnitt ist das menschliche Mobilitätsverhalten beständig und von massenträgen gesamtgesellschaftlichen Veränderungen geprägt, was im Lichte der Flexibilisierung unserer Lebens- und Arbeitswelten, unserer Lebensstile und der Vielfalt an Alternativen anachronistisch erscheint.

Mobilitätsverhalten, Modal Split & Modal Shift

Im Mobilitätsjargon spricht man von Modalitäten – Multimodalität für die flexible Wahl des geeignetsten Verkehrsmittels für die jeweilige Strecke, Intermodalität für die Kombination von Verkehrsmitteln auf einer Wegstrecke, um die beste Kombination für den Weg zu nutzen. Wie sich kommunale Verkehre anteilig zusammensetzen, drückt der Modal Split aus, ein wichtiger Kennwert, um das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung einer Kommune darzustellen, dessen möglichst positive Wandlung als Modal Shift bezeichnet wird; also eine Transformation hin zu emissionsarmen, nachhaltigen und effizienten Verkehrsmitteln. An den Partnerstädten der Studie „Die Stadt von morgen – Herausforderungen und Lösungsansätze für eine nachhaltige urbane Mobilität“, die das Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) im Auftrag der Koelnmesse sowie der Stadt Köln zur Zukunft urbaner Mobilität durchgeführt hat, werden die spezifischen Ansätze hin zur Mobilitätswende betrachtet.

Active Mobility – Eine Frage der Infrastruktur?

Gerade den aktiven Mobilitätsformen wie dem Zufußgehen und Fahrradfahren wird besonders positives Potenzial zugesprochen, da sie zum einen Flexibilität und Umweltverträglichkeit vereinen und zum anderen gesundheitsfördernd sind. Insbesondere der Radverkehr erlebt, nicht zuletzt Pandemie-bedingt, eine Renaissance, was auf archaisch anmutender Infrastruktur geschieht. „Durch die Umverteilung der Verkehrsflächen, die Rückgewinnung verkehrsbelasteter Orte für städtisches Leben, den Ausbau von Rad-, Fußwegen und moderne Fahrradabstellanlagen kann der Trend zum Radfahren und Zufußgehen massiv gefördert werden“ (DLR 2021), wie sich am Beispiel Peking eindrucksvoll beweisen lässt. Die beiden Stadtteile Huilongguan und Shangdi waren bis zur Umwidmung der Verbindungsachse hin zu einem Fahrrad-Highway von langwierigen Pendlerstaus geprägt. Doch seit seiner Eröffnung am 31. Mai 2019 trägt der Fahrrad-Highway maßgeblich dazu bei, dass viele Pendlerinnen und Pendler auf das Fahrrad umgestiegen sind.

Jetzt radeln täglich zwischen 4.000 und 6.000 Menschen über die „Fahrrad-Schnellstraße“ und können dabei über 20 Minuten Fahrtzeit einsparen. „Der Highway entwickelte sich zur schnellsten, günstigsten und gesündesten Möglichkeit, um zwischen den beiden Stadtquartieren zu pendeln. Vor allem Personen, die früher die U-Bahn nutzten, aber auch einige Autofahrerinnen und Autofahrer, bevorzugen heute das Fahrrad“, fasst die DLR-Studie zusammen.

Eine ähnliche Strategie verfolgt die Stadt Rotterdam, die ebenfalls auf Radschnellwege für Pendler:innen setzt und damit sicherstellt, dass auf diesen Routen Hindernisse wie Autobahnen, Wasserstraßen und Bahnschienen mühelos überquert werden können. Mit diesem regionalen Ansatz, der den Planerinnen und Planern einiges an interkommunaler Diplomatie abverlangt hat, können nun mindestens zehn Prozent mehr Personen über sechs neue Routen innerhalb von 45 Minuten mit dem Rad ihren Arbeitsplatz erreichen.

Neue Technologie und Angebote

Um die Multimodalität im städtischen Verkehr zu fördern, gilt es weiterhin als erstrebenswert, neue Technologien als Alternative zu bestehenden Verkehrsmitteln zu implementieren. In Monheim am Rhein verbindet seit Februar 2020 eine vollautomatisierte Buslinie die Altstadt mit dem Busbahnhof. Allein zur Sicherheit fährt stets noch ein:e Operator:in in den Altstadtstromern mit, die deutschlandweit den ersten Flottenbetrieb von vollautomatisierten Fahrzeugen darstellt. Aufgrund der elektrischen Antriebe, geladen mit Ökostrom, gelten sie als lokal emissionsfrei und bieten somit eine umweltbewusste Alternative zu den gängigen Verkehrsmitteln.

Wie sich derlei Technologien im urbanen Umfeld entwickeln und testen lassen, zeigt die CityZone in Tel Aviv-Yafo. Hier überträgt die Stadt ihre Führungsrolle in KI-Technologie und Start-up-Kultur in ein Reallabor der städtischen Verwaltung, Wissenschaft und Industrie, um Innovationen in nachhaltiger autonomer Mobilität zu fördern. So gelingt die städtische Strategie, die Mobilitätspyramide umzudrehen sowie Fußgängerfreundlichkeit, gemeinsam genutzte Mikromobilität und öffentliche Verkehrsmittel auszubauen und mit Wirtschafts- und Innovationsförderung zu verbinden. In beiden Fällen steht die Markt- und Kundenorientierung im Fokus, da die Akzeptanz der erprobten Verkehrsmittel über Studien verfolgt und bewertet wird.

Urbane Mobilität als soziale Gerechtigkeit und demokratisches Raum-Paradigma

Gerade in hochverdichteten innerstädtischen Quartieren können regulatorische Maßnahmen, die darauf abzielen, den dominierenden Autoverkehr zu mindern, auf den Modal Split hinsichtlich der aktiven Mobilität wirken und damit das Mobilitätsverhalten der ansässigen Bewohner:innen multimodaler gestalten lassen. In den Superblocks von Barcelona wurden durch das Fahrverbot für Autos der Straßenraum wieder als Begegnungsort den Bürger:innen zurückgewidmet und so aktive Mobilität und das Nachbarschaftsempfinden gesteigert. Einher geht diese Transformation mit dem Ausbau des ÖPNV. Dies hat zur Folge, dass Umweltemissionen, wie Abgase und Lärm, reduziert werden und die Zugänglichkeit des Stadtraumes für alle Bewohner:innen sichergestellt wird. „Jede und jeder hat das Recht, sich auf eine sichere, gesunde, nachhaltige, gerechte und intelligente Weise fortzubewegen“, ist Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau überzeugt.

Wie sich die Mobilitätswende gesetzlich verankern lässt, zeigt das Berliner Mobilitätsgesetz, das den Vorrang des Umweltverbundes aus ÖPNV, Fuß- und Radverkehr regelt und klare Ziele und Vorgaben für die Verwaltung zur Umsetzung der Mobilitätswende vorschreibt. Der transparente Prozess der Formulierung des Gesetzestextes unter Einbeziehung aller relevanten stadtgesellschaftlichen Akteure beweist, dass in der Berliner Bevölkerung eine demokratische Mehrheit zum Ausbau des Rad- und Fußverkehrs besteht.

Mobilstationen – Intermodale Orte

Die Veränderungen im Mobilitätsverhalten von Großstädter:innen und Bewohner:inen suburbaner Regionen weltweit zeugen von Flexibilisierung und Experimentierfreude. Mikromobilitätsvehikel, Sharing-Dienste und On-Demand-Ridepooling-Angebote ergänzen zunehmend klassische Verkehrsmittel und lassen mobiles Leben auch autofrei komfortabel erscheinen. Alle Optionen lassen sich idealerweise über das Smartphone planen, buchen und kombinieren: Die Digitalisierung kommt als der Grundpfeiler intermodalen Verkehrsverhaltens zum Tragen (DLR 2021). Diese Intermodalität wird sich in Mobilitätsstationen verorten, die zentrale Umstiegspunkte zwischen den Verkehrsmitteln darstellen und jeweils auf die entsprechenden Gegebenheiten hin konfiguriert sind. Der Clou wird die anbieterübergreifende Verknüpfung der Mobilitätsdienste werden – ein Geschäftsfeld, das intermodales Mobilitätsverhalten maßgeblich beeinflussen wird.

Ron Huldai, Bürgermeister von Tel Aviv-Yafo, bringt es auf den Punkt: Der Wandel kommt. Doch liegt es vornehmlich am Nutzerverhalten, wie sich die unterschiedlichen Mobilitätsformen ausgestalten. Wir können daher, sollten wir kein Reallabor in unserer Nachbarschaft haben, schon einmal damit anfangen, unsere Flexibilität zu trainieren, indem wir einfach mal umsteigen.


Weitere Informationen zu der DLR-Studie „Die Stadt von morgen – Herausforderungen und Lösungsansätze für eine nachhaltige urbane Mobilität“: https://www.polis-mobility.de/die-messe/ studie-urbane-mobilitaet/

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