
Friedrich-Ebert-Straße 18 | Kassel © EBR Projektentwicklung GmbH
40 Prozent der Emissionen an Treibhausgasen in Deutschland gehen auf den Gebäudesektor zurück. Dabei macht der Verbrauch von Strom und Wärmeenergie im laufenden Betrieb im Schnitt nur die Hälfte aus. Die übrigen 50 Prozent entfallen auf den Bau selbst. Deshalb heißt der Trend seit einiger Zeit folgerichtig: Nichts Neues bauen – besser den Bestand erhalten. Jedes Gebäude, das erhalten wird, ist heutzutage ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz.
Innerhalb der EBR Gruppe verfahren wir bereits seit Jahren nach eben diesem Prinzip: Wo Bestandserhaltung möglich ist, modernisieren wir unter Nutzung der vorhandenen Ressourcen. Das geht so weit, dass wir die dabei ausgebauten Materialien auf anderen Baustellen wiederverwenden und somit einem hohen Wertstoffkreislauf anstreben. Und doch stehen auch wir zuweilen vor Aufgaben, die sich beim besten Willen nicht in diesem Sinne lösen lassen.
Unsere Immobilien sollen leben, indem sie einen Zweck erfüllen
Für die Kaufburg in Kassel, wegen seiner markanten roten Ziegel, durchsetzt mit einer Vielzahl an Fassadenvorsprüngen und weißen Erkern, so genannt, haben wir auf Wunsch eines privaten Investors ein umfassendes Sanierungskonzept erarbeitet, das nach detaillierten Abstimmungen schließlich auch den Segen der Genehmigungsbehörde der Stadt Kassel erhalten hat. Das architektonisch auffällige Gebäude an der belebten Friedrich-Ebert-Straße hatte eine mängelbehaftete Bausubstanz, die aber gemäß unserem Konzept zu vertretbaren Kosten zu retten gewesen wäre. Aber wir betrachten Gebäude nicht als Selbstzweck, unsere Immobilien sollen leben, indem sie einen Zweck erfüllen, indem Menschen darin wohnen und arbeiten.
Unter diesen Aspekten sind wir bei der Kaufburg an unsere Grenzen geraten. Denn die unzeitgemäßen, unflexiblen Grundrisse, die mit ursächlich für nachlassende Attraktivität des Gebäudekomplexes sind, würden sich auf Basis unseres Sanierungskonzepts zwar neu strukturieren lassen. Aber sämtliche von uns ersonnenen Revitalisierungsoptionen führten zu dem Schluss, dass eine Kernsanierung zwar möglich, aber wenig zielführend sein würde.
Dabei sind es nicht zuvorderst wirtschaftliche Aspekte, die uns einen Strich durch die Rechnung machen, sondern insbesondere die Perspektiven, die dabei vergeben werden könnten. Unser Neuentwicklungskonzept ermöglicht auf derselben Grundfläche eine Verdopplung der Mietwohnfläche. Überdies sieht unsere Planung eine Verkehrsberuhigung von einer der drei Straßen vor, welche die Kaufburg umgeben – inklusive Verbreiterung des Bürgersteigs.
Dach- und Fassadenbegrünungen mit positiven Effekten für das innerstädtische Mikroklima
Mehr noch: Wir würden den Neubau nach klar definierten ökologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kriterien realisieren – angelehnt an die Nachhaltigkeits-Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Umfangreiche Dach- und Fassadenbegrünungen mit positiven Effekten für das innerstädtische Mikroklima würden diese Immobilie zu einem innerstädtischen Entree für die beliebte Friedrich-Ebert-Straße machen. Auf diesem Gebiet haben wir unter anderem durch die Partnerschaft mit dem renommierten Architekten Stefano Boeri, der in Mailand den Bosco Verticale – ein Hochhaus mit vertikaler Begrünung – realisiert hat, viele Erfahrungen gesammelt. Einen solchen „Bosco Verticale“ planen wir derzeit auch für ein Wirtschafts- und Gesundheitscampus in Göttingen.
Für die Stadt Kassel, die bis 2030 insgesamt 8.000 neue Wohnungen schaffen will, würde diese Neubauplanung nicht nur die Möglichkeit bieten, auch sozialen Wohnraum zu realisieren. Darüber hinaus sieht unser Konzept eine flexible Nutzungsmischung vor. Damit würde auch Wohnraum für junge Familien entstehen, die Kassel vielfach verlassen, weil sie keine geeignete Unterkunft für sich und ihren Nachwuchs finden.
Zahlreiche Vorteile also, die – zumindest in einem Fall wie diesem – dafür sprechen, eine Ausnahme zu machen: Neu bauen und den Bestand so umfangreich wie möglich recyceln.
DANIELA RAFIE ELIZEI
studierte Psychologie und trat 2013 in das Management der EBR Projektentwicklung ein. Ihr Ziel ist es, mit ihrem Team ökologisch nachhaltige Immobilien sowie urbane Quartiere zu schaffen. Dafür verfolgt sie mit dem harmonischen Zusammenspiel ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Aspekte einen ganzheitlichen Denkansatz. Als Initiatorin und Impulsgeberin setzt Daniela Rafie Elizei außerdem auf den Austausch zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Stadtverwaltung und Gesellschaft, um gemeinsam an einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung zu arbeiten.
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