SCHLEPPENDER WOHNUNGSBAU: 17 VERBÄNDE UND KAMMERN VERÖFFENTLICHEN APPELL

In einem gemeinsamen Appell haben 17 Spitzenverbände und Kammern der Bau-, Planungs- und Immobilienwirtschaft ihre Forderungen an Bundesregierung, Bundestag und die Verantwortlichen in den Ländern formuliert. Sie beschreiben die Lage auf dem Wohnungsmarkt als alarmierend. Obwohl ein wachsender Bedarf an (kostengünstigem) Wohnraum besteht, sehen die Autorinnen und Autoren des Brandbriefs den Wohnungsbau in einer Abwärtsspirale gefangen. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung hier dagegen zu steuern, werden als unzureichend beschrieben.

Die Expertinnen und Experten fordern die Bundesregierung darum auf, nachfolgende Schritte schnellstmöglich anzugehen:

  • Wohnungsbau muss Chefsache werden

Der tatkräftige Einsatz von Bundesbauministerin Klara Geywitz braucht Unterstützung aller beteiligten Ressorts der Bundesregierung. Es ist Zeit für eine mutige Steuerung auf oberster Ebene.  Bundeskanzler Olaf Scholz muss den Wohnungsbau als Chefsache angehen und sein Kabinett zu einer gemeinsamen Offensive antreiben.

  • Gesicherte Förderkulisse und moderne Beschluss-Tools endlich vorlegen

Nach mehrfachen Förderstopps muss die Bundesregierung die bis Ende des Jahres angekündigte Gesamtplanung fürs Fördern von Neubau und Sanierung endlich vorlegen. Ohne ein rundes Konzept werden bezahlbarer Wohnraum und die Sanierung des Gebäudebestands unmöglich. Dazu zählen auch moderne Beschluss-Tools wie die Online-Eigentümerversammlung.

  • Zielgenaue Neubauförderung – verlässliche Bedingungen bis Jahresbeginn schaffen

Beim Neubau müssen Förderung und Anreize die Wirtschaftlichkeitslücke schließen. Benötigt wird eine Neubauförderung zu Jahresbeginn in Höhe von 10 Milliarden Euro jährlich für bezahlbaren Wohnraum.

  • Zügig Grundstücke bereitstellen

Baureife Grundstücke, geeignete Konversionsflächen und Bestandsflächen sind entscheidend. Sie sind laut Bundesregierung vorhanden und müssen nur aktiviert werden. Mit einem digitalen Liegenschafts- und Gebäudekataster für potentiellen Wohnraum sowie einer Vereinfachung von Grundstücksvergabeverfahren könnte schnell Wohnraum geschaffen werden. Vergabe- und Genehmigungsverfahren dürfen nicht mehr als drei Monate dauern, vom Erbbaurecht soll nur in einem ausgewogenen Verhältnis Gebrauch gemacht werden.

  • Durch eine Experimentierklausel Verfahren erleichtern

Über eine Experimentierklausel, wie beispielsweise dem Gebäudetyp E, oder Reallabore, sollte für den Wohnungsbau ein Abweichen von Gesetzen, Normen und Standards ermöglicht werden. Damit wird signalisiert, dass trotzdem gefahrlos und zügig Wohnungen gebaut werden können – auch umwelt- und klimaschonend. Die Bundesregierung hat in Krisensituationen schon mehrfach gezeigt, schnelle regulatorische Entscheidung treffen zu können und sollte dies auch für den Wohnungsbau tun.

  • Umwidmung und Umbau erleichtern

Gebäude, deren Nutzung entfallen ist (zum Beispiel Büro– oder Handelsimmobilien) zu sanieren und zu qualifizieren statt sie abzureißen, ermöglicht, dass eingesetzte Rohstoffe und Materialien weiter genutzt werden und bezahlbarer Wohnraum entstehen kann. Auch bei Veränderung und Umnutzung sollte für die technischen Baubestimmungen Bestandsschutz gelten und somit die Kosten der Umnutzung reduziert werden.  Im Einzelfall ist von der Aufsichtsbehörde zu begründen, wenn die Erfüllung aktueller Vorschriften gefordert wird. Die Verpflichtung zur Einhaltung der primären Schutzziele der Bauordnungen bleibt unberührt.

  • Flächendeckend serielles, modulares und typisiertes Bauen ermöglichen

Modulare, serielle und typisierte Bauweise können in
Kombination mit digitalen Tools einen Beitrag zur Schaffung vieler bezahlbarer qualitätvoller und klimaschonender Wohnungen leisten. Darauf muss das Bundes- und Landesrecht zügig ausgerichtet werden. Typisierte Wohngebäude, die in den Landesbauordnungen verankert sind, beschleunigen darüber hinaus die Errichtung von neuen Wohngebäuden, weil der Planungszeitraum dadurch wesentlich verkürzt wird.

  • Baukosten durch Steuerpolitik senken

Es gilt, steuerliche Belastungen – wie etwa die Grunderwerbsteuer – aktuell auszusetzen da sie Eigentumsbildung gerade für Familien unnötig erschwert. Zusätzliche Anreizwirkung schafft eine degressive Sonder-AfA, welche die zugesagte Erhöhung der linearen Abschreibung ergänzt. Zudem sollte der Mehrwertsteuersatz für den sozialen Wohnungsbau auf 7% reduziert werden.

  • Mit zielgerichteter Rohstoffstrategie den Kostensteigerungen entgegenwirken

Um Versorgungssicherheit mit Baumaterialien zu gewährleisten und extremen Preisschwankungen vorzubeugen, bedarf es einer zielgenauen Rohstoffstrategie, die auf die Ausschöpfung nationaler Rohstoffabkommen ebenso setzt wie auf eine effektive Kreislaufwirtschaft mit schlanken Zulassungsverfahren für Recyclingbaustoffe. Eine Vorfestlegung auf einzelne Baustoffe wäre kontraproduktiv, es muss Technologieoffenheit gewährleistet werden.

  • Für schnelle Umsetzung der Wohngeldreform

Um soziale Härte zu vermeiden, sollte die Wohngeldreform schnell und umfassend umgesetzt werden.

  • Mehr Klimaschutz – aber mit intelligenten Maßnahmen

Weitere Belastungen privater Bauherren und Unternehmen zur Verbesserung des Klimaschutzes bedürfen eines Kosten-TÜVs unter der Kontrolle des Bundeskanzleramts. Kostengünstigere Maßnahmen zum Erreichen von mehr Nachhaltigkeit erhalten den Vorzug, reine Energieeffizienzmaßnahmen wie EH 40 werden nicht eingeführt. Die Qualifizierung der Freiräume als Klimaanpassungsstrategie ist unverzichtbar.

  • Praxischeck einführen

Zahlreiche Maßnahmen aus dem Bundeswirtschaftsministerium werden nicht oder mit geringen Reaktionszeiten mit der Branche abgestimmt. Wieder droht Chaos beim Bundesprogramm für Effiziente Gebäude (BEG). Die KfW plant das für die Antragsstellung notwendig BEG-Prüftool zwei Wochen vor dem eigentlichen Programmende zu schließen. Es bedarf eines Dialoges, der sich orientiert am positiven Beispiel des Bundesbauministeriums.

Stellvertretend für alle Unterzeichnerinnen und Unterzeichner erläutern HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller, ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa, BfW-Bundesgeschäftsführer Markus Weidling sowie ZIA-Hauptgeschäftsführer Oliver Wittke erläuterten stellvertretend die Lage:

ZIA-Hauptgeschäftsführer Oliver Wittke: „Der Wohnungsneubau in Deutschland steht aufgrund explodierender Preise, steigender Zinsen und zerschlagener  Förderkulisse vor dem Kollaps. Wenn die Politik jetzt nicht gegensteuert, laufen wir sehenden Auges in einen Wohnungsnotstand. Wir brauchen jetzt eine zielgenau Neubauförderung, eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie steuerliche Anreize für Investitionen.“

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB): „Der Bund – aber vor allem die Länder haben noch nicht das geliefert, was notwendig ist, um wirklich mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Es dürfen keine Luftschlösser, es müssen Wohnungen gebaut werden, damit die Meterinnen und Mieter nicht im Regen stehen. Bei den ambitionierten Zielen der Bundesregierung kommen wir daher am seriellen, industriellen Bauen nicht vorbei. Nur so können wir zügig, qualitativ hochwertig und kostengerecht zusätzlichen Wohnraum schaffen. Unsere Forderung ist klar und kostet keinen einzigen Cent extra. Nur den Mut und den Willen der Bundesländer. Denn sie müssen ihre Landesbauordnungen endlich harmonisieren, damit wir industrielle in Serie und mit einem technologieoffenen Mix an bewährten, recycelten und neuen Baumaterialien bundesweit bezahlbares Wohnen ermöglichen können.“

Markus Weidling, Bundesgeschäftsführer Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW): „Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Drei Kernbereiche sind entscheidend: Die Steuerpolitik, die Förderpolitik und die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Ein investitionsfreundliches steuerliches Klima wird auch breiten Schichten Bauen ermöglichen. Bezahlbare Wohnungen werden von den mittelständischen Unternehmen gebaut, wenn wir wieder Planungssicherheit durch auskömmliche Förderung mit verlässlichen und realistischen Bedingungen bekommen. Weniger Vorschriften und Regeln geben den Unternehmen den nötigen Spielraum und so wird auch ambitionierter Klimaschutz machbar.“

Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) : „Wir brauchen eine konsistente und stimmige Baupolitik; dazu gehören auch verlässliche und auskömmliche Rahmen- und Förderbedingungen. Daher fordern wir die Wiedereinführung der ausgelaufenen Sonder-AfA im Mietwohnungsbau sowie für den sozialen Wohnungsbau die Entkoppelung der Förderung von dem KfW-40-Standard. Nur so werden wir mehr als die bisherigen 25.000 Sozialwohnungen jährlich bauen können.“

Beitragsbild: © pixabay

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert