Im Gespräch mit Burkhard Drescher, Geschäftsführerder Innovation City Management GmbH
Wie ist die InnovationCity Ruhr entstanden?
Der Initiativkreis Ruhr, ein Zusammenschluss von 70 großen Unternehmen, die im Ruhrgebiet ansässig sind, hatte 2010 den Gedanken, ein Stadtquartier im Ruhrgebiet zu einer InnovationCity weiterzuentwickeln. Diese Idee entstand durch den damaligen Moderator und jetzigen Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Wulf Bernotat, der mit Eon häufig in Skandinavien zu tun hatte, wo man bereits zahlreiche innovative Orte findet. In einem Wettbewerb, an dem sich fast alle Ruhrgebietsstädte beteiligt haben, hat Bottrop letztendlich den Zuschlag erhalten – auch weil es Oberbürgermeister Bernd Tischler gelungen ist, die Leute direkt für dieses Thema zu mobilisieren. Über 20.000 Unterschriften wurden von den Bürgern gesammelt, die Bottrop als InnovationCity sehen wollen. Zudem existierten bereits Pläne und Projekte zur Steigerung von Energieeffizienz und Klimaschutz.
Was ist der Kern der InnovationCity Ruhr | Modellstadt Bottrop?
Der Anfangsgedanke war relativ simpel: Die Halbierung der CO2-Emissionen bis 2020. Dieses Ziel haben wir inzwischen weiterentwickelt. Wir wollen einen klimagerechten Stadtumbau unter Berücksichtigung des Wirtschaftsstandorts umsetzen. Konkret sollen dabei nicht nur die CO2-Emissionen gesenkt, sondern auch die Lebensqualität gesteigert werden. Dazu setzen wir über 200 verschiedene Einzelprojekte in den Handlungsfeldern Wohnen, Arbeiten, Energie, Mobilität und Stadt um. Bezogen auf einen Stadtteil ist dies ja ein sehr komplexes Vorhaben. Man kann nicht einfach alles neu bauen, sondern die Normalität ist hier der Bestand.
Wie sieht die Ausrichtung der InnovationCity Ruhr diesbezüglich aus?
Unser Fokus liegt eindeutig auf der Modernisierung von Bestandsgebäuden. Das Quartier ist ganz bewusst gewählt worden. Ein Stadtteil mit einer Industriestruktur, mit der letzten Zeche, die noch bis 2018 Kohle fördern wird, einem Klärwerk und einer Kokerei mitten im Pilotgebiet. Und auch die Innenstadt von Bottrop ist ein industriestädtischer Kern, kein ländlicher, kleiner Ort. Dies ist vollkommen beabsichtigt. Ziel ist es, den Versuch zu unternehmen, energetische Modernisierung im Bestand in einer Industriestadt durchzuführen, um daraus eine Übertragbarkeit abzuleiten. Hier haben wir über die vergangenen zwei Jahre eine energetische Modernisierungsrate von knapp acht Prozent erreicht.
Wie motivieren Sie die Unternehmen oder Einzeleigentümer dazu, Maßnahmen anzustoßen und weiterzuverfolgen?
Die entscheidende Motivation sind immer die Kosten. Aus unserer Energieberatung geht nicht jeder raus und sagt: „Hurra, ich mache was für den Klimaschutz.“ Wir müssen vorrechnen können, wie hoch der Kostenvorteil sein wird. Der ökonomische Aspekt ist damit der zentrale Treiber. Nur so können wir die Leute überzeugen. „InnovationCity Ruhr | Modellstadt Bottrop“.
Wie darf man das verstehen?
Auch wenn die Aufmerksamkeit auf Bottrop liegt, will man natürlich langfristig viel mehr erreichen. Es soll demonstriert werden, wie man einen Modernisierungsprozess in ganzen Stadtquartieren organisieren kann. Und nach der Phase der Erprobung in der Pilotregion folgt die Übertragung auf andere Städte und Stadtquartiere. An dieser Schwelle stehen wir im Moment. Wir sind jetzt so weit, dass wir auch anderen Städten anbieten können, unsere Erfahrungen zu übertragen.
Auch wenn Neubauten nicht zentraler Gegenstand sind. Wie geht InnovationCity Ruhr hiermit um?
Wir arbeiten zum Beispiel mit der RAG Montan Immobilien zusammen. Dabei geht es darum, neue bauliche Nutzungen auf die Flächen zu bringen und hierfür effiziente Energiekonzepte zu erarbeiten. Dabei wird selbstverständlich auch der Klimaschutz berücksichtigt – Freiräume, Wasser etc. Der Fokus liegt zwar auf den Bottom-up-Prozessen, aber es ist ja auch eine Chance, wenn es gelingt, Stadtquartiere in kritischem Zustand zu modernisieren und hierdurch Nährboden für Top-down-Projekte zu schaffen.
Ist es beispielhaft für InnovationCities, technisch innovative Kompetenzen einzubringen und über den Hebel der Qualifizierung Stadtentwicklungsmaßnahmen voranzutreiben?
Genau, das ist inzwischen der Kern unserer Tätigkeit. Wir geben die Erfahrungen aus der Modellstadt Bottrop und den daraus abgeleiteten ganzheitlichen Ansatz weiter. Das ist eine Qualität, die dazu führt, dass wir nicht nur energetische Modernisierung von Gebäuden anstreben, sondern ganzheitliche nachhaltige Modernisierung von Stadtquartieren. Das ist unser Thema.
Kann und müsste die Immobilienwirtschaft an dieser Stelle viel mehr einbezogen werden?
Die Immobilienwirtschaft – insbesondere die Wohnungswirtschaft – ist dahingehend orientiert, Werte zu erhalten oder zu steigern. Und das ist genau der Punkt: Werte in einem Stadtquartier erhalten, das kann ich ohne das Umfeld schwer steuern. Das heißt, die Wertsicherung – die nur über Mieter oder Nutzer erfolgen kann – ist kaum zu erreichen, wenn man nicht das ganze Umfeld mit einbezieht. Dieses ist für Mieter oft viel entscheidender als die Qualität der Wohnung selbst. Das Gebäude ist daher das eine, entscheidend ist aber der Blick auf das Quartier.
Das heißt, Sie müssen sich auch mit den Akteuren auseinandersetzen, von denen die Projektentwicklungsentscheidungen getroffen werden?
Ja, im Rahmen von InnovationCities haben wir das natürlich im Blick. Denn die ganze Frage der Innenstadtentwicklung oder der gewerblichen Entwicklung wird auch durch Neubau und Konversionsflächenbebauung getragen. Aber der gedankliche Weg, der von den Beteiligten zurückgelegt werden muss, ist hier schon groß.
Ist das Thema, das Sie im Rahmen von InnovationCity verantworten, sexy?
Ja, es ist schon sexy geworden, wenn Sie so wollen. Durch die politische Prominenz und das öffentliche Interesse hat man eine enorme Ausstrahlung. Das Thema findet aber auch international Anklang – es kommen Gruppen aus Indien, China und der ganzen Welt. Da ist der Marketingeffekt für das Ruhrgebiet natürlich groß, aber auch für den einzelnen Immobilienbesitzer ist es interessant.
Welchen Erfolg würden Sie in der Zukunft gern verzeichnen?
Ziel ist es, das Stadtklima relevant zu verbessern. Wir müssen wissenschaftlich hinterlegt sagen können: „Das ist die erreichte Modernisierungsrate, wir sparen so und so viel Prozent Primärenergie ein und das hat diese konkreten Auswirkungen auf die CO2-Entwicklung.“ Zudem sollen die Bürger sagen können, dass sich das Leben in der Stadt verbessert hat und Bottrop dadurch ein attraktiverer Investitionsstandort geworden ist. Aber bis dahin ist noch viel Arbeit zu leisten.
Ist in der InnovationCity auch intelligente Vernetzung – Stichwort Smart-Grid – ein Thema?
Es ist sicherlich einer der zentralen Achsen der Zukunftsentwicklung. Die Vernetzung auf Strom-, aber auch auf Heizungsebene. Es gibt genügend Gewerbegebiete, die jede Menge Abwärme ausstoßen. Diese Wärme kann man beispielsweise für Wohngebäude nutzen. Aber auch das Heizverhalten in den Gebäuden ist wichtig. Das intelligent zu steuern und zu optimieren, mit seinem Nachbarn zusammen und im ganzen Quartier, ist zukunftsweisend. Es funktioniert aber nicht ohne die intelligente Technik, wie sie Smart-Grid widerspiegelt.
Ein Investor, der in einem Gebäude ein Kraft-Wärme-Kopplungs- Gerät installieren und damit Strom für seine eigenen Mieter einspeisen will, hat im Rahmen der jetzigen Energiedebatte ein Problem, oder?
Ja. Das ist eines der großen Probleme. Da kann man richtig zornig werden, denn in Deutschland ist es extrem schwierig, Strom an Mieter zu verkaufen. Es ist zwar theoretisch möglich, die rechtlichen Bedingungen sind aber unglaublich kompliziert. Trotzdem versuchen wir gerade hierzu ein Konzept zu erarbeiten und anzubieten. Der Gesetzgeber könnte bei dem ganzen Thema energetische Modernisierung so viel mehr tun. Wenn er den Mietspiegel beispielsweise über die Warmmiete legen würde und man sich in diesem Rahmen frei bewegen könnte, dann wären auch energetische Maßnahmen viel attraktiver. Das würde eine Investitionswelle auslösen. Es wären nur wenige Schrauben, an denen man drehen müsste, um die Energiewende voranzubringen.
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