Im Gespräch mit Reimar Molitor, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Regio Köln/Bonn e.V.
Sie sind Geschäftsführer des Köln/Bonn e.V. – was sind Ihre Aufgaben?
Mit einem Team von 16 Leuten koordinieren wir in der Region die Zusammenarbeit und betreuen auch konkrete Projekte vor Ort. Zum einen sind das gemeinschaftliche Projekte, die die Region insgesamt betreibt – dazu gehören neben regionalen Strategien und Prozessen aktuell vor allem Fragen der Raumund Zukunftsbilder für die Region. Zum anderen geht es um die „Übersetzung“ in interkommunale Kooperationen und einzelne Projekte und Maßnahmen vor Ort.
Was sind das zum Beispiel für Projekte?
Das reicht von einzelnen städtebaulichen Projekten über großräumige Landschaftsentwicklungen bis hin zu Cluster-Projekten in der Region oder auch Kulturförderprojekte – also eine ganze Bandbreite von Themen.
Kann man sich das als regionale Dimension der Stadtentwicklungs- und Stadtbauthematik vorstellen?
Die meisten Themen können nicht mehr als kommunalmaßstäblich bezeichnet werden. Bereiche wie Wohnraumversorgung, Mobilität, aber auch kulturelle Versorgung sind überlokal, interkommunal und regional, also über die jeweiligen Stadtgrenzen hinaus, zu betrachten. Die physische Wirklichkeit für Standortentscheidungen, für Interventionen im städtischen Raum oder im Landschaftsbild findet dann natürlich wieder vor Ort statt. Dort sind wir Partner für die einzelnen Projekte und Strategien für eine Region, die Köln, Bonn, Leverkusen und die umgebenen Kreise einbezieht.
Wenn man sich ein typisches Projekt vorstellt, kann man dann so etwas wie den Umbau des Steinmüllergeländes in Gummersbach nennen?
Ja, genau. Das ist ein herausragendes Beispiel für Brachflächenreaktivierung, es geht aber auch um Innenstadtentwicklung, wie zum Beispiel in Bergisch Gladbach. In Gummersbach findet nun schon seit zehn Jahren der Umbau des Steinmüllergeländes statt mit allen Facetten: die Erneuerung des Bahnhofs, die Neuansiedlung der Fachhochschule, die Konversion hin zu einem Kultur- und Sportzentrum. Dort betreuen wir gemeinsam mit der Stadt den Prozess.
Was soll damit für Gummersbach geleistet werden?
Wir haben in der Region generell Aufholbedarf in Bezug auf die Reaktivierung von Brachflächen und das Thema Konversion insgesamt. Das Ruhrgebiet hat eine ganz ausgeprägte Rekultivierungskultur, die bei uns nicht in der Art vorhanden ist. Standorte wie Gummersbach, aber auch vergleichbare Projekte in Köln oder Leverkusen wie die „Neuen Bahnstadt Opladen“, sind für uns Exempel für die Strukturaufgaben der Region. Unsere konkrete Aufgabe ist es, bei der Planung zu helfen, aber auch an den Schnittstellen zum Land, was Förderung und öffentliche Mittel betrifft. Das Ganze wollen wir dann in der Region als gutes Beispiel kommunizieren, damit auch andere Städte nachziehen.
Welche innere Zielsetzung haben die Projekte? Kann man sagen, dass sie Impulse für die Identitätsbildung, den Lebensraum und die Qualität der Stadt geben?
Ja, zu 100 Prozent. Ich gebe mal ein anderes Beispiel: Königswinter, Drachenfels. Die komplette Neuaufstellung dieser Tourismusdestination ist eins der Projekte, das wir schon sehr lange begleiten dürfen. An dieser Stelle ist es nicht mit einer Maßnahme getan, weder mit einem privaten noch mit einem öffentlichen Invest. Hier wird eine langfristige Gesamtstrategie mit vielen Bausteinen benötigt. Darin kommt dann öffentliches und privates Geld zusammen. Das trägt bei allen Projekten zur mittelfristigen Profilierung der Städte bei. Es geht nicht darum, dass alle Köln imitieren oder eine innerstädtische Brache regenerieren. Es geht darum, mit konkreten Maßnahmen die Identität der jeweiligen Standorte zu stärken. Dementsprechend sind die Projekte natürlich alle spezifisch.
In Köln gibt es auf der rechtsrheinischen Seite das Projekt Rheinufer. Worum geht es dort?
In Zusammenarbeit mit der Stadt Köln haben wir im Rahmen der Regionale 2010 ein Handlungspaket vereinbart und eine Offensive für das Rechtsrheinische in Köln gestartet. Es gibt in der Stadtentwicklung der Stadt Köln rechtsrheinisch riesiges Potenzial, vom Mülheimer Hafen über Kalk, Deutz bis hin zum Deutzer Hafen. Das ist der regionalmaßstäblich größte zusammenhängende Entwicklungsraum und auch die größte innerstädtische Flächenreserve, die wir in NRW in einer Großstadt haben. Insofern ist die Entwicklung des Rechtsrheinischen nicht nur für Köln, sondern für die gesamte Region eine riesige Aufgabe. Unser Anliegen war es, diesen Prozess mit Impulsaufgaben, Strategien und Planungen und schließlich mit konkreten Projekten zu beschleunigen. Der Rheinboulevard bzw. die Rheinufertreppe sind für uns so etwas wie die Ikonisierung des Potenzials dieses Gebietes. Es wird keine verschämte Situation am Rhein bleiben, sondern das Rechtsrheinische als stolzen Teil des Kölner Stadtraums bestätigen und ein kräftiges städtebauliches Statement werden.
Verfolgen Sie das Ziel, diesem Gebiet in Deutz auch eine gewisse urbane Lebendigkeit wiederzugeben?
Das ist der folgerichtige nächste Schritt, nachdem die Messehallen und andere Entwicklungen bereits entwickelt und auf den Markt zurückgebracht wurden. Es geht uns in der Region insgesamt darum, dass die Städte am Rhein ihr Verhältnis zum Rhein neu entdecken und aktiv definieren – und zwar selbstbewusst und nicht verschämt. Unser Anliegen ist es, dass wir von Königswinter und Bad Honnef im Süden bis nach Leverkusen an strategischen Punkten starke Gesten setzen. Es geht um eine Inszenierung der Flussregion und das Hineinholen des Flusses in den städtischen Bereich. Eine Stadt wie Köln verzeichnet Millionen Touristen im Jahr. Darum muss es im öffentlichen Raum auch klare Positionierungen zum Rhein hin geben. In Wesseling haben wir zum Beispiel die Uferpromenade wieder ganz deutlich auf den Rhein ausgerichtet und gemerkt, dass die Stadt dadurch eine ganz neue Identität bekommt.
Entstehen an solchen Stellen Gravitationspunkte?
Auf jeden Fall. Wir haben in Wesseling beobachtet, dass die „zweite Reihe“ am Rhein auch wieder zum Gegenstand privater Investitionen wird. Und wir glauben, dass auch die Rheinufertreppe in Köln eine starke Aussage für das Rechtsrheinische insgesamt trägt und das Gebiet als lohnenswerten Investitionsstandort festigen wird.
Um noch mal auf die Identitätssituation zurückzukommen. Die Rheinufertreppe ist mit einer Länge von 450 m die größte Ufertreppe in Europa. Das ist eine Aussage, die ganz selbstbewusst auf das Rechtsrheinische mit seinen spannenden Standorten hinweist. Aus meiner Sicht ist das neben der Flora und dem Schauspielhaus nun das Prestigeobjekt der Stadt Köln zur Identitätsbildung und zur Profilierung. Und das sehen die Kölner mittlerweile auch so. Der Rheinboulevard ist eine für Köln neue, moderne Aussage.
Was macht einen urbanen Raum wertvoll und lebendig?
Orte, die Möglichkeiten bieten, sich zu treffen, ohne in ein didaktisches Verhaltensmuster gedrängt zu werden. Flächen, wo man sein darf. Ich hatte anfangs den Gedanken, dass die Rheinufertreppe die Spanische Treppe von Köln wird. Mittlerweile glaube ich, dass sie viel mehr sein kann. Denn die stadträumliche Aussage ist eine ganz andere. Ich habe Köln im Blick und es wird deutlich, was Köln alles ist. Da kommen viele identitätsprägende Merkmale der Stadt an einem Ort zusammen.
Bedeutet das, etwas weiter gefasst, eine Selbstinszenierung des urbanen Raums?
Ich mag das Wort Inszenierung nicht. Das ist so etwas Temporäres. An dieser Stelle ist es eher das städtische, das urbane Bekenntnis einer Stadt. Sehr logisch, sehr stimmig und sehr authentisch. Es geht um den öffentlichen Raum, die Treppe ist ein Angebot, diesen Ort für sich zu begreifen und ein Teil von ihm zu sein.
Müssen sich Städte um ihre Bekenntnisse kümmern?
Lange Zeit ging es zum einen um individuelle architektonische Highlights und zum anderen um Branding, also einen Claim als Aussage zu finden. Nun haben wir hier die höchste Form des urbanen Bekenntnisses, nämlich die physische Entscheidung, den genetischen Code der Stadt auch in einen öffentlichen Raum und in ein gebautes Bild zu übertragen und den Menschen zur Verfügung zu stellen. Bemerkenswert finde ich daran, dass es sich, auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen, um eine klare kommunale Entscheidung handelt. Und diese schafft einen nachhaltigen Ankerpunkt für privatwirtschaftliche Entscheidungen und Investitionen.
Müssen sich die Kommunen zunehmend mit überkommunalen Aufgabenstellungen befassen, weil solche Entwicklungen nicht mehr an der Stadtgrenze Halt machen?
Erst mal ist jede Kommune selbst gefordert, ihr Profil zu schärfen und zu schauen, was die eigenen Identitätsmerkmale sind und wie mit ihnen umgegangen wird, auch im öffentlichen Raum. Diese Entwicklungen sollen natürlich im besten Fall regional arbeitsteilig, über kommunale Grenzen hinweg stattfinden.
Schreibe einen Kommentar