
Der CLT in Brüssel © Marc Detiffe
Demokratisierung des Stiftungsmodells
In Berlin wird die Stadtbodenstiftung als erster deutscher Community Land Trust gegründet und macht sich experimentell an die Umsetzung dieses neuen demokratischen Stadtentwicklungsinstruments. Dahinter steht eine Koalition aus Nachbarschaftsinitiativen, Expert*innen für gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung, Genossenschaftler*innen und Politik. CLTs sind eine grundsätzlich gemeinnützige Eigentumsform, mit der Immobilien der Spekulation entzogen werden. Sie werden zum Treuhänder des Bodens und stellen die Gebäude anderen Organisationen für dauerhaft günstigen Wohnraum und andere soziale, ökologische, kulturelle oder gewerbliche Nutzungen zur Verfügung.
Vorbild CLT: USA und Europa
In den USA haben Aktivist*innen des US Civil Rights Movements die ersten CLTs gegründet. CLTs haben sich inzwischen auch in Europa gebildet und werden dort zunehmend als relevante Akteure in der angehenden Reform der Wohnpolitik erkannt. Sie bauen Kooperationen mit öffentlichen Verwaltungen und privaten Institutionen auf, um Neu- sowie Umnutzungen zu ermöglichen.
CLT-Initiativen in London, Brussel, Ghent und Lille haben sich in einem europäischen Netzwerk (SHICC: Sustainable Housing for Inclusive and Cohesive Cities), mit Beteiligung der Berliner Stadtbodenstiftung, zusammengeschlossen.
Während der CLT dauerhaft Eigentümer des Bodens bleibt, wird das Nutzungsrecht und die Gebäude langfristig (für 99 Jahre) an andere Organisationen per Erbbaurecht vergeben. Dadurche können Belegungsbindungen und soziale Verpflichtung über Generationen hinweg gesichert werden. CLTs werden meist öffentlich gefördert und stehen für Menschen mit eingeschränkten finanziellen Ressourcen zur Verfügung. Heute verwalten in Europa hunderte von CLTs Grundstücke und sind auf dem Weg tausende von Wohneinheiten dauerhaft für das Gemeinwohl abzusichern.
Berlin: CLT im Werden
Seit Anfang 2018 wird in Berlin an der Gründung einer am Community Land Trust orientierten Stiftung gearbeitet. Es entsteht die Stadtbodenstiftung aus einer Initiative, in der von Nachbarschaftsaktivist*innen über Genossenschaftler*innen bis zu Personen aus Politik, Wirtschaft und Forschung verschiedene Menschen und Interessen zusammenkommen. Mit Unterstützung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg sowie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen soll sie einer sozialen und gerechten Immobilienentwicklung dienen.
Die Grundstücke sollen mit der Stiftung dauerhaft in eine gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung überführt werden. Statt einer Orientierung an maximaler ökonomischer Verwertung, werden Entscheidungsmechanismen entwickelt, die sich an Bedarfen der Nachbarschaften orientieren. Durch die nicht gewinnorientierte treuhänderische Verwaltung von Boden und die Vergabe von Erbbaurechten will sich die Stadtbodenstiftung für eine diskriminierungsfreie und ökologische Stadt engagieren.
Die Stadtbodenstiftung wird durch ein paritätisch besetztes Kuratorium kontrolliert, in dem die Nutzenden und die Nachbarschaft sowie Expert*innen inklusive Stifter*innen und öffentlichen Partnern vertreten sind.
Zunächst ist geplant, vermietete innerstädtische Altbauten zu sichern, z.B durch die Anwendung des Vorkaufsrecht, aber auch Neubau ist in den Berliner Entwicklungsgebieten vorstellbar.
Brüssel: CLT in der Praxis
Der Community Land Trust Brüssel (CLTB) ist der älteste CLT in Europa außerhalb von Großbritannien. Der Trust wurde nach längeren Vorarbeiten 2012 als eine Initiative von Anwohnenden, Aktivist*innen und Nachbarschaftsorganisationen gegründet und bereits kurze Zeit später als ein gemeinnütziger wohnungspolitischer Akteur von der Stadt Brüssel anerkannt und unterstützt. Die Struktur des Trusts, mit ihrer gemeinschaftlichen Verantwortungsübernahme und festen Regeln gegen Bodenspekulation und individuelle Gewinnmitnahme widerspiegelt die Prinzipien der Gemeinnützigkeit und stärkt die Nachbarschaften. Inzwischen verfügt der Trust über etwa 10 Wohnprojekte und eine größere Anzahl von Projekten ist in Vorbereitung. Der Trust setzt partizipative Bauprojekte vornehmlich mit Menschen mit Migrationserfahrung um. Unter den Bedingungen des Brüsseler Wohnungsmarkts wurde beschlossen, Wohneigentum für Menschen zu schaffen, die ohne solidarische Unterstützung keine Chance hätten, für ihre oft großen Familien angemessenen Wohnraum zu sichern. Mariemont, das erste CLTB Wohnhaus, ist unter Mitwirkung der späteren Bewohner*innen entworfen und in dem Stadtteil Molenbeek 2015 gebaut. CLTB Projekte liegen vor allem in besonders benachteiligten Quartieren der Stadt.
Bodenpolitik aus der Stadtgesellschaft
Das CLT Modell ist zugleich auf Expansion und Gemeinwohlorientierung ausgerichtet. Es schafft keine introvertierten Inseln von Privilegierten und Selbstorganisierten. Weil sie inklusive Nachbarschaften fördern, werden sie aus der Gesellschaft und von der Politik gefördert. Aber noch sind CLTs in Europa eine junge Initiative – vielleicht mit der Entstehung der Wohngenossenschaft im vorletzten Jahrhundert zu vergleichen. Das Modell fasziniert und aktiviert viele im Angesicht der kombinierten Misere von Boden- und Wohnungsmarkt. Während es in anderen Ländern, wie in Belgien und Großbritannien, bereits Anerkennung gefunden hat, sollten solche experimentellen Projekte einer alternativen Boden- und Wohnpolitik auch in Deutschland zunehmend gefördert werden.
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