ACHIM NAGEL: FASZINATION HOLZ

Achim Nagel © Götz Wrage

Woher kommt Ihre Begeisterung für den Baustoff Holz?

Der Baustoff Holz begleitet und fasziniert mich bereits seit meiner Kindheit. Als Jugendlicher arbeitete ich viel mit Holz und beschäftigte mich in der Schule mit Holzkonstruktionen. Während meines Studiums entwickelte ich dann meine ersten Systeme in Holz-Skelettbauweise. Nachdem ich danach zunächst für längere Zeit in der „Glas-Stahlschiene“ verhaftet war, konnte ich mich hier in Hamburg mit dem Projekt „WOODIE“ wieder auf meine ursprüngliche Begeisterung für das Thema Holz zurückbesinnen.

Warum in Hamburg?

Dass solch ein Projekt ausgerechnet in Hamburg realisiert werden konnte, liegt nicht etwa daran, dass Holz ein typischer Baustoff in der Hansestadt ist, sondern an den Erfahrungen mit innovativen Holzprojekten der Internationalen Bauausstellung 2013 in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW). Nur konnte das entsprechende Know-how aufgebaut werden, um ein derartiges Projekt im Hinblick auf seine Genehmigung beurteilen zu können.

Denken Sie, das Projekt wäre gescheitert, wenn die BSW nicht den entsprechenden Rahmen geschaffen hätte?

Ohne die richtigen Mitarbeiter bei der BSW wäre es sicherlich schwierig geworden. In NRW hätten wir dieses Vorhaben zum Beispiel sicher nicht genehmigt bekommen. Dort kann man z.B. ohne eine Zulassung im Einzelfall nur maximal drei- bis viergeschossig bauen. Darüber hinaus ist mir in diesem Prozess noch einmal sehr deutlich klar geworden, dass es mit der CO2-Lobby eine echte Gegnerschaft gibt. Ich habe erst einmal nichts gegen Beton. Er eignet sich für Aufzugsschächte oder Fluchtwege, aber muss nicht unbedingt für Fassaden und dergleichen eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund möchte ich die PRIMUS auch neu ausrichten und mit einer Selbstverpflichtung an Grundsätze der Nachhaltigkeit binden. Natürlich eignet sich Holz auch nicht für alle Projekte, aber bei der Wahl der Baustoffe brauchen wir mehr Flexibilität und mehr Kreativität. Ich denke, dass es viele Einsatzmöglichkeiten für Holz geben wird – auch beim Um- und Weiterbau. Für die Struktur unserer Städte ist es wichtig, in die Jahre gekommene Gebäude nicht mehr einfach abzureißen, sondern für neue Aufgaben zu verändern, zu erweitern oder auch zu beschneiden. Hier kann Holz durch seine bauphysikalischen Eigenschaften und sein gerines Eigengewicht eine große Hilfe sein.

Haben wir denn die Industrie dafür, die diese komplexen Prozesse begleiten kann? Wenn Sie mit Holz auch umfangreiche Weiterbau-Vorhaben angehen, kann dies ja nicht nur mit kleinen Gewerken vorangetrieben werden, oder?

Das ist richtig. Wir arbeiten mit Partnern, die solche Projekte stemmen können. Und viele Player haben glücklicherweise grundsätzlich auch Lust auf komplexe Vorhaben. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir eine noch größere Bereitschaft herstellen müssen, die Substanz in unseren Städten zu erhalten und weiterzubauen. Ich kann mir zudem vorstellen, dass sich aus diesem Ansatz „Weiterbau mit Holz“ zukünftig auch eine spezifische Architektursprache entwickelt.

Denken Sie, dass sich die CO2-Lobby begründete Sorgen machen muss oder werden wir bei diesem Thema auch mittelfristig weiter über eine Nische sprechen?

Es wird immer Einsatzgebiete geben, für die weiterhin massiv gebaut wird. Dennoch denke ich, dass wir mit Blick auf die Ressourcen an Holz, die in Europa zur Verfügung stehen, noch lange nicht das Potenzial ausgeschöpft ist. Andere Länder sind uns da voraus – und zwar nicht nur Österreich, Schweden oder Finnland. Die größten Holzverbraucher sitzen tatsächlich in England. Dort widmet man sich dem Thema auf sehr pragmatische Art und Weise. Hier in Deutschland müssen wir das Bauen mit Holz entmythologisieren. Es ist ein ganz normaler Baustoff mit ungenutzten konstruktiven und bauphysikalischen Möglichkeiten.

Wie reagiert der Immobilienmarkt insgesamt auf das Thema Holz – vor allem, wenn die Immobilie als „Asset“ wahrgenommen wird?

Als wir unser Projekt „WOODIE“ starteten, waren wir uns nicht sicher, ob und wie die Banken das finanzieren würden und spürten zunächst auch eine gewisse Skepsis, aber letztendlich hat uns die HSH Nordbank (jetzt Hamburg Commercial Bank) das zugetraut. Ob das Thema Holz bei den Endinvestoren auf Gegenliebe stößt wird sich zeigen. Es gibt mittlerweile häufig Anfragen von Fonds, die konkret auf der Suche nach alternativen Investitionsobjekten, gern in Holzbauweise, sind. Ich denke, dieser Trend wird sich die nächsten Jahre fortsetzen. Zumal ja inzwischen viele Holzprojekte schon länger in Betrieb sind und es Erfahrungen gibt.

Und warum tun sich so viele Projektentwickler dennoch schwer mit dem Einsatz von Holz?

Ich glaube, dass die Projekte oft nicht ganz gedacht werden. Dieses Denken wiederum war das Wichtigste, was ich in meinem Architekturstudium gelernt habe. Es gibt sicherlich viele Projektentwickler, die bessere Renditen erzielen als ich und sich auf smartere Finanzierungsmodelle stützen, aber als Architekt ist mir das Gesamtbild wichtig.

Nicht nur im Gespräch mit meinen Kindern nehme ich zunehmend Kritik am Umgang unserer Generation mit den vorhandenen, aber begrenzten Ressourcen wahr. Darauf möchte ich in dem was ich tue und verantworte reagieren. Für einen Umbruch braucht es mutige Leute, die innovative Projekte angehen und begleiten. Und die findet man nicht an jeder Ecke. Sicher ist unser Aufwand größer, aber das nehmen wir gerne in Kauf, weil wir immer auch eine emotionale Verbindung zu dem Projekt aufbauen und es nicht nur bis zur Fertigstellung, sondern auch danach noch begleiten.

Denken Sie, dass in Hamburg der Impuls, den die Internationale Bauausstellung zu dem Thema gegeben hat, auch aufgegriffen wurde oder ist dieser verpufft?

Ich habe schon den Eindruck, dass die IBA 2013 etwas angeschoben hat. Letzten Endes kann die Stadt jedoch das Thema auch nur fördern und unterstützen. Der politische Wille ist auch da. Das zeigt sich mitunter auch daran, dass Grundstücke vorzugsweise für Konzepte vergeben werden, die sich mit einem nachhaltigen Ansatz bewerben. Hier liegt es tatsächlich weniger an der Politik und der Verwaltung, sondern viel mehr an dem fehlenden Know-how der gesamten Branche. Bislang gibt es nicht genug Architekten, Planer und Entwickler, die mit Holz wirklich planen können. Deshalb brauchen wir dringend mehr Expertise. Das Hamburger Holzbauforum beispielsweise bietet zwar eine Plattform, auf der man sich auf hohem Niveau zu dem Thema austauschen kann, aber deutschlandweit ist da noch viel Luft nach oben. Im Endeffekt ist der Weg vorgezeichnet: Uns wird in absehbarer Zeit Sand in ausreichenden Mengen nicht mehr zur Verfügung stehen. Somit bleibt keine andere Wahl als sich mit nachwachsenden Baustoffen auseinanderzusetzen.

Wie sehen Sie Ihre Rolle in dem ganzen Szenario: Sind Sie ein Rufer in der Wüste oder fühlen Sie sich aktuell noch ganz wohl damit, bei dem Thema fast alleine unterwegs zu sein?

Die Branche durchläuft gegenwärtig einen Lernprozess. Das „WOODIE“-Projekt war ein echter Turning Point. Die Aufmerksamkeit war so groß, dass wir uns vor Besichtigungsterminen, auch von Kolleginnen und Kollegen, kaum retten konnten. Auch viele Ingenieurbüros kamen auf uns zu, die sich informieren wollten. Für uns war das insofern die Kehrtwende, als dass wir seither nicht mehr für unsere Leidenschaft zur Realisierung von „irgendwelchen Holzhütten“ belächelt werden, sondern nun „vorneweg segeln“. Mittlerweile sind wir bei dem Thema sicher nicht mehr alleine unterwegs. Aber wir haben gelernt, dass es bei Holzbau-Projekten vieler kleiner Schritte bedarf und wir noch bei jedem Projekt etwas dazulernen. Diese Prozesse brauchen Zeit.  Unsere gegenwärtige Wettbewerbsposition fühlt sich daher schon recht komfortabel an.

Halten Sie es für realistisch, dass in Deutschland eine Quote für den Einsatz von Holz definiert wird, die zu einem relevanten Anteil an nachhaltigen Bauten führt?

Vor diesem Schritt wäre es wünschenswert, wenn wir zunächst dokumentieren, wie groß der derzeitige Anteil von Holz am Baugeschehen aktuell tatsächlich ist. Es gibt bereits zahlreiche Projekte, in denen Holz verbaut wird, ohne das dies wahrgenommen wird. Aber auch wenn ich eine Quote grundsätzlich begrüße, bleibe ich lieber realistisch. Letztlich wird der Preis entscheiden. Wenn wir keinen Sand mehr bekommen oder diesen sehr teuer beschaffen müssen, wird sich das Holz als Baustoff als Alternative aufdrängen.

In welchen Bereichen sehen Sie den Holzbau denn in den nächsten Jahren besonders stark?

Hinsichtlich der Volumina in unseren Städten sehe ich besonders großes Potenzial bei den Büros und bei Redevelopments. Die modularen Strukturen sind ein denkbares Einsatzgebiet für Holz. Deutlich schwieriger ist es beim gehobenen Wohnungsbau. Grundsätzlich immer Nutzungsstrukturen, die modulare Fertigung ermöglichen (Büros, Hotels, Wohnungsbau und dgl.), aber auch als Baustoff für Bauteile, in denen das geringe Gewicht und die guten bauphysikalischen Eigenschaften des Holzes einen echten Mehrwert bringen.

Dann warten wir ab, ob es nicht auch hier bald geeignete Lösungen geben wird. Vielen Dank für dieses interessante Gespräch.

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Achim Nagel

hat Architektur an der TU Hannover studiert. Nach seinem Studium arbeitete er beim Hamburger Architektenbüro von Prof. Peter Schwager, leitete von 1988 bis 1993 die Bauabteilung des Medienkonzerns Bertelsmann AG in Gütersloh und war von 1993 bis 1999 Partner im Architektenbüro Ingenhoven Overdiek + Partner in Düsseldorf. Im Jahr 2001 gründete Achim Nagel die Projektentwicklungsfirma PRIMUS developments GmbH.

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