
© Alexander Krziwanie
Während Christina Laube eine Signierstunde am Nachmittag vorbereitet, erzählt Mehrdad Zaeri, wie sie zu Duo Sourati wurden. Ein Zufall war es, der die beiden Künstler, sie Fotografin, er Illustrator, „zur Dose gebracht“ hat. Heute, gut fünf Jahre später, gehört das Sprayen zu ihren Lieblingsaufgaben, von der sie sogar leben können. Das in Mannheim beheimatete Projekt Stadt.Wand.Kunst kontaktierte die beiden. Normalerweise arbeitet die Initiative mit renommierten, teils weltbekannten Street Art-Künstlern und -Künstlerinnen zusammen, um aus der Stadt ein „frei zugängliches Museum für Fassadenkunst“ zu machen. Aber unter Kunstinteressierten kennt man sich und so wurden die beiden 2016 als Nachwuchskünstler für ein Fassadenprojekt angefragt. Vom gespitzten Bleistift als Arbeitswerkzeug zur klobigen Dose, vom Din A4-Papier zur Hauswand – der Schritt schien Mehrdad doch zu groß. Aber Christina war zuversichtlich, dass sie die Herausforderung würden meistern können. Als Kompromiss wurde ein Gebäude gefunden, das zum Abriss bestimmt war, für den Fall das dieser erste Versuch doch missglücken sollte. „Leider Gottes ist dieses erste Bild aber richtig schön geworden,“ lacht Mehrdad heute. Und so mussten die beiden schweren Herzens Abschied nehmen von ihrer ersten Arbeit „Die Freiheitssucherin“, die sie auf diesen neuen Weg geschickt hatte.

„Abschied und Neubeginn“ © Dominik Baum
Heute werden sie bundesweit angefragt und für die unterschiedlichsten Formate, vom Einfamilienhaus bis zur riesigen Wand eines Parkhauses. Die Motive ergeben sich aus dem Dialog zwischen den Auftraggebern und den Künstlern, aber vor allem aus dem Ort: „Wir hören gerne genau hin, welche Geschichten die Straße erzählt“, sagt Mehrdad. So kommt es, dass neben dem Bahnhof in Rosenheim bei München ein Wal wie ein riesiges Luftschiff zwei Reisende trägt („Heimwärts“), oder an einer der quirligsten Ecken Mannheims eine Frau mit einem Glöckchen wie eine Meditation in Stille wirkt („Silence“). In einem Viertel, in dem Menschen mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen leben, vermittelt die Arbeit „Abschied und Neubeginn“ mit einem großen Kirschbaum im Rucksack wie es sich anfühlt, das bisherige Leben einzupacken und an anderer Stelle wieder „einzupflanzen“. Das gelte aber für alle Menschen, so Mehrdad. „Es ist im Grunde die Definition des Lebens: eine Aneinanderreihung von Abschied und Neubeginn.“

© Duo Sourati
Mit ihren Interventionen wollen sie den Menschen etwas mit auf den Weg geben. „Unsere Absicht ist es, Geschichten zu erzählen – Geschichten, die jede und jeder in sich trägt.“ Die Ruhe, die nötig ist, um diese Geschichten auch zu hören, verschaffen die beiden ihren Bildern im lauten, urbanen Kontext mit einer sehr zurückhaltenden Farbpalette. Ihre Werke wollen nicht bunt und dekorativ sein. „Um wirklich in sich zu gehen, ist es ganz gut, etwas sparsamer zu sein,“ sagt Mehrdad. Dazu passt, dass sie am liebsten direkt auf die vorhandene Fassadenfarbe sprayen, ohne Grundierung. So findet einerseits die Vergangenheit des Ortes mit den Zeichen der Zeit Eingang in das neue Bild. Andererseits zwingt es Christina und Mehrdad geradezu zu der skizzierenden Arbeitsweise, die ihnen am Herzen liegt. „Wir wollen leicht sein. Wir wollen arbeiten, so wie es kommt. Es sind oft die Zufälle, die den Reiz ausmachen,“ so Mehrdad. Für die groben Eckpunkte des Motivs dirigiert Christina also von der Straße aus über Handy den im Hubwagen stehenden Mehrdad. Dazwischen wird frei gezeichnet – und damit auch improvisiert. Denn wenn eine Linie erst einmal gezogen ist, lässt sie sich nicht mehr „korrigieren“. Was tun mit dem scheinbar falschen Strich, der sich nicht ausradieren lässt? „Dann muss man eben mit diesem Strich etwas Neues machen.“ Ganz einfach.
Diese Offenheit dem Zufall und dem Lauf der Dinge gegenüber, dem was kommen mag, durchzieht das Werk von Duo Sourati auf allen Ebenen, bis hin zum eigenen Werksverständnis. Denn was mit ihren Bildern in Zukunft geschieht, können die beiden nicht wissen. Vielleicht verstellt irgendwann ein Neubau den Blick darauf, vielleicht wird es überstrichen. „Aber“, so Mehrdad, „das ist ja das Schöne, dieses Kommen und Gehen der Dinge. Wenn man an Hausfassaden malt, ist das etwas anderes als für eine Galerie oder fürs Museum zu arbeiten. Durch die Witterung werden die Bilder im Laufe der Jahre einfach immer mehr verschwinden. Und das macht sie gerade so wertvoll, so schön.“ Duo Sourati macht Street Art wie das Leben: eine Aneinanderreihung von Abschied und Neubeginn.
Bilder im Slider: © StadtWandKunst, © Duo Sourati, © Sören Gerhold Groß
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