Das Wort „urban“ stammt vom lateinischen „urbanus“ und bedeutet „städtisch“. Im Wort „urban“ schwingt seit jeher ein positiver, etwa progressiver und demokratischer Grundton mit. Der inflationäre Gebrach in der Alltagssprache ist in der trägeren Rechtssprache noch nicht angekommen. In zwei unterschiedlichen Rechtsgebieten stand der Begriff jüngst im Zentrum: Im trägen, aber systematischen Städtebaurecht hat sich kürzlich erstmals ein deutsches Oberverwaltungsgericht mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Urbanen Gebieten befasst (OVG Lüneburg 1. Senat Beschl. v. 24.03.2022 – 1 MN 131/21). Im dynamischen, aber chaotischen Energierecht sind die urbanen Energiekonzepte mit der Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 von ihrer schwersten Fessel befreit worden.
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat die Nutzungsmischung von Wohnen und gewerblichen Nutzungen in einem verdichtet bebauten Gebiet für rechtskräftig erklärt. Die Entscheidung ist bedeutsam, da sie die erste Entscheidung ist, in der sich ein Gericht mit den Fragen der Nutzungsmischung von Wohnen und gewerblichen Nutzungen in einem Urbanen Gebiet auf Grundlage von § 6a BauNVO auseinandergesetzt hat. Nicht jedes Bauvorhaben ist nach seiner Art und seinem Umfang in jeglichen Gebieten zulässig. Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) regelt, wie und auf welche Weise ein Grundstück bebaut und genutzt werden darf. Der BauNVO – insbesondere den reinen, den allgemeinen und besonderen Wohngebieten nach § 3 bis 4a BauNVO – liegt der sog. Trennungsgrundsatz zu Grunde. Zurückzuführen ist dies auf ihre Wurzeln in der „Charta von Athen“ aus dem Jahr 1933 und dem dort formulierten Gebot der klaren Funktionstrennung. Aus dem Trennungsgrundsatz folgt, dass eine Bauleitplanung regelmäßig verfehlt und damit rechtswidrig ist, wenn sie unter Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz Wohngebiete und Gewerbegebiete nicht voneinander trennt, so dass sich beide Nutzungsarten gegenseitig stören.
Dieses klassische Verständnis der zweckmäßigen Zuordnung von verträglichen Nutzungen und unverträglichen Nutzungen zueinander ist ein wesentliches Element der Entwicklung und Planung des Städtebaurechts. In dem durch das „Gesetz zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt“ im Jahr 2018 als neuer Baugebietstyp in den Katalog der Baugebiete nach der BauNVO aufgenommen Urbanen Gebiet ist eine Nutzungsmischung hingegen ausdrücklich gewünscht, die Nutzungsmischung kennzeichnet das Urbane Gebiet. Den Kommunen sollte in verdichteten städtischen Gebieten unter Wahrung der erforderlichen Anforderungen an den Lärmschutz mehr Flexibilität eingeräumt werden, um das Nebeneinander von verdichteter Wohnnutzung, Gewerbe, Geschäften, Verwaltung sowie von kulturellen und sozialen Einrichtungen zu ermöglichen. Das Urbane Gebiet soll dem Umstand Rechnung tragen, dass das Zusammenleben der Menschen in Städten von Vielfalt und Wandel geprägt ist. „Technische Innovationen, Wanderungsbewegungen, der demografische Wandel und der Klimawandel führen“, so der Verordnungsgeber „zu einer Verflechtung von Problemen – mit ähnlichen, zum Teil auch gegensätzlichen Herausforderungen.“ Diesen Planungsansatz hat das OVG Lüneburg nun zu Recht für rechtmäßig anerkannt und erklärt, dass das Nebeneinander von Urbanen Gebieten und Allgemeinen Wohngebieten grds. zulässig ist und hierzu auch den Klimawandel angeführt.
Von ganz anderer Wucht für die Eindämmung des Klimawandels ist die Entscheidung der Bundesregierung zum 1. Juli 2022 die EEG-Umlage abzuschaffen. Über die EEG-Umlage – auch „Ökostromumlage“ genannt – ist seit über 20 Jahren der Ausbau der Erneuerbaren Energien finanziert worden. Jeder Stromverbraucher (in den Städten) musste über die Stromrechnung eine Umlage zahlen, mit dem die garantierten Vergütungen der Betreiber von Erneuerbaren Energien bezahlt worden sind. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) war im Jahr 2014 das Prinzip eingeführt worden, dass auch zuvor privilegierte Eigenversorgungsmodelle zum Ausbau der Erneuerbaren grundsätzlich beitragen mussten, in dem sie die EEG-Umlage zahlen. Für die meisten innovativen dezentrale Energiekonzepte hat die Belastung des dezentral erzeugten Stroms mit der EEG-Umlage jedoch das Aus bedeutet. Aufgrund der EEG-Umlage war dezentral erzeugter Strom gegenüber dem Netzstrom unwirtschaftlich. Zudem konnte die Verpflichtung, die Strommengen, die mit der EEG-Umlage belastet waren, von den Strommengen, die von der EEG-Umlage befreit waren, abzugrenzen, in der Praxis meist nicht erfüllt werden. Auch die Anforderung an komplexe Messkonzepte bei urbanen Messkonzepten ist mit der Abschaffung der EEG-Umlage erheblich reduziert worden.
Der Bundestag hat das „Gesetz zur Absenkung der Kostenbelastung durch die EEG-Umlage und zur Weitergabe dieser Absenkung an die Letztverbraucher“ am 28. April 2020 beschlossen. Der Bundesrat hat sich mit dem Gesetz am 28. April 2020 abschließend befasst. Es ist am 28. Mai 2020 in Kraft getreten. Damit ist nun das zentrale Hemmnis für urbane Energiekonzepte und die Zusammenführung von Erzeugung und Verbrauch von Strom aus Erneuerbaren Energien beseitigt. Die Erzeugung von Strom in Photovoltaikanlagen auf Gebäudedächern und bereits versiegelten Flächen entlastet nicht nur die landwirtschaftlichen Flächen von dem enormen Ausbaudruck durch Windenergie- und Freiflächen-Photovoltaikanlagen, sie entlastet das das öffentliche Stromnetz und verringert den Netzausbau und ermöglicht so etwa den weiteren Ausbau der Elektromobilität. Für die Umsetzung von urbanen Energiekonzepten ist die Abschaffung der EEG-Umlage ein Segen und wird bedeutende Kräfte freisetzen. Denn urbane Energiekonzepte tragen neben der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien vor allem über die erforderlichen digitalen Steuerungsinstrumente und – Konzepte Innovationen in die urbanen Räume.
__________________________________________________________________________________________________
DR. JULIAN ASMUS NEBEL
ist Rechtsanwalt, Partner und Fachanwalt für Verwaltungsrecht.
Er ist seit 2010 Rechtsanwalt im Bereich des Energierechts mit einem Schwerpunkt auf den Erneuerbaren Energien in der Rechtsanwaltskanzlei BRAHMS NEBEL & KOLLEGEN. Sein Schwerpunkt liegt in der Begleitung von dezentralen und urbanen Energiekonzepten, an der Schnittstelle von Städtebaurecht und Energierecht. Herr Dr. Nebel ist Lehrbeauftragter für Energierecht an der Humboldt Universität
zu Berlin und Autor zahlreicher Veröffentlichungen im Bereich des Energierechts, des öffentlichen Baurechts und des Umwelt- und Planungsrechts.
Schreibe einen Kommentar