
© Simon Menges
Die Familie Jacoby gehört mit der Tap Holding, die hinter Marken wie Rico Design, idee.Creativmarkt und Wolle Rödel steht, zu einem der führenden europäischen Handelsunternehmen im DIY- Markt. Mit der Errichtung eines spektakulär schönen Headquarters kehrt die Unternehmensfamilie dem vorherigen Standort in Brakel in Westfalen zum Teil den Rücken und findet zurück zu ihren Paderborner Wurzeln. Der gewerbliche Part sowie das Logistikzentrum des Unternehmens werden weiterhin in Brakel bleiben.
Mitten in Paderborn, an den westlichen Ausläufern der Paderquellen, ist ein ehrwürdiges Stück Geschichte zu Hause: 1628 wurde hier das Kapuzinessenkloster gegründet, das 1833 schließlich samt Kirche in das Landeshospital St. Vincent umgewandelt wurde. Die Gebäudestruktur des ehemaligen Klosters wurde im Zuge des Zweiten Weltkrieges bis auf die Grundmauern zerstört, sodass auch nach dem anschließenden Wiederaufbau des Krankenhauses nur noch schwer auf die Geschichte des ehemaligen Klosters zu schließen war. 2013 wurde der Krankenhaus-Standort aufgegeben und vom Orden der Vinzentinerinnen an die Paderborner Unternehmerfamilie Jacoby verkauft. Auch wenn die Familie sich der bautechnischen Herausforderungen bewusst war, die eine Umnutzung inklusive Rückbau- und Restaurierungsmaßnahmen mit sich bringen würde, entschied sie sich bewusst für den geschichtsträchtigen innerstädtischen Standort. Nach rund 45 Jahren war für die Unternehmensgruppe der Zeitpunkt gekommen, sich vom bisherigen Standort im Kreis Höxter zu trennen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass eine innerstädtische Lage mit einer hohen Nutzungsvielfalt in unmittelbarer Nähe langfristig auch positiven Einfluss auf das Mitarbeiter:innen-Recruiting mit sich bringen würde. Doch nicht nur unternehmerische, sondern auch emotionale Aspekte befeuerten die Entscheidung für das rund 8.800 m2 große Grundstück: „Meine Schwester und ich sind 300 m Luftlinie von diesem Standort groß geworden – entsprechend groß ist die familiäre Verbundenheit zu diesem Ort und der Stadt Paderborn. Dass das Grundstück samt Krankenhaus schließlich zum Verkauf stand, erschien uns beinahe als göttliche Fügung!“, erzählt Ellen Jacoby, geschäftsführende Gesellschafterin der Tap Holding sowie Co-Gesellschafterin und Creative Director von idee.Creativmarkt. Sie selbst lebte 12 Jahre in London und weiß entsprechend um die Vorteile, die gemischt genutzte Quartiere, in denen gelebt, gearbeitet und gewohnt wird, mit sich bringen. Mit dieser Vorstellung im Hinterkopf entstand schlussendlich die Idee, an dem hochkomplexen Standort das neue Headquarter im Herzen der Stadt zu errichten.

© Ute Zscharnt für David Chipperfield Architects
Das Büro David Chipperfield Architects Berlin wurde schließlich mit der komplexen Aufgabe betraut, die in der Nachkriegszeit ergänzten Bauteile zurückzubauen, die historische Bausubstanz des Klosters wieder freizulegen und um einen modernen, zukunftsweisenden Baukörper zu ergänzen. Insbesondere die Kapellenfassade, der Kreuzgang, der östliche Gebäudeflügel sowie die Keller des 17. Jahrhunderts wurden in diesem Zuge erhalten und aufwendig restauriert. Die historischen Gebäudeteile wurden in Übereinkunft der Bauherrin Jacoby GbR, vertreten durch Franz Jacoby, Ellen Jacoby und Yvonne Jacoby, in Gänze unter Denkmalschutz gestellt. Die Kappellenfassade fungiert heute als Haupteingang, wohingegen der einstige Innenraum der ehemaligen Kapelle in einen Außenraum umgewandelt wurde und heute als Eingangshof fungiert. Freigelegte Reste des ehemaligen Kreuzgangs haben die verantwortlichen Architekt:innen sichtbar in den zentralen Innenhof integriert. Der ergänzende Neubau überzeugt – in der materiellen Struktur angelehnt an die historische Bausubstanz aus Naturstein und Ziegeln – als ein zwei- bis dreigeschossiges Ensemble mit Sichtbeton und Holz. Die Ordnung und Organisation der Neubauten orientiert sich an der vorgefundenen orthogonalen Struktur des ehemaligen Klosters und stellt damit einen kontinuierlichen historischen Bezug her.

© Simon Menges
Rund sechs Jahre dauerten die Arbeiten, von den ersten Entwurfsideen bis hin zu den Abbruch- und Neubauarbeiten und der anschließenden Eröffnung der heutigen Jacoby Studios an dem Standort. Eine Zeit, die von allen Beteiligten viel Geduld und Muße erforderte. Ellen Jacoby blickt zufrieden auf den Prozess zurück und betont den „besonderen Spirit und Anspruch, mit dem alle Projektbeteiligten – sowohl im Entwurfsprozess als auch auf der Baustelle – das Projekt gemeinsam in die Realisation und schlussendlich zum Erfolg gebracht haben.“ Und auch die unmittelbare Nachbarschaft, die zeitweise mit einer Großbaustelle vor der Tür leben musste, habe das Jacoby Studio schlussendlich herzlich willkommen geheißen. „Heute blickt die Nachbarschaft auf diese wirklich extrem schöne Architektur, die respektvoll mit dem historischen Umfeld – vor allem zur Spitalmauer – spielt und von einem tollen Kirschblütengarten umgeben wird. Eine siebenstöckige Wohnbebauung, die an einem solchen Ort ja durchaus auch möglich gewesen wäre, hätte sicherlich weniger für Begeisterung gesorgt“, so Ellen Jacoby.

© Simon Menges
Und wie offenbart sich die beeindruckende, äußerlich wahrnehmbare Gestaltung des neuen Ensembles in den von den Mitarbeiter:innen der Tap Holding genutzten Innenräumen? „Wir haben die Räume zum Teil mit eigenen Möbeln ausgestattet, aber auch eng mit der Firma Vitra zusammengearbeitet, die entscheidende Impulse in Sachen neue Arbeitswelten setzen konnte. Für uns war es wichtig, dass wir unseren Mitarbeiter:innen einen festen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen können – auch wenn der Trend ja immer mehr zum flexiblen Arbeitsplatz geht. Die Teamarbeit spielt in unserem Arbeitsalltag jedoch eine wichtige Rolle, sodass hier feste Anlaufstellen elementar für uns waren“, erklärt Ellen Jacoby die Arbeitsphilosophie des Unternehmens. Und so finden die Mitarbeiter:innen heute an sogenannten Work-Benches, an denen zwei bis sechs Personen Platz finden – ihren täglichen Arbeitsplatz. Neben den festen Arbeitsplätzen finden sich jedoch in jedem Gebäudeteil der Jacoby Studios auch flexibel nutzbare Räume mit offenen Sitzecken, in denen kreative Meetings stattfinden können.
Natürlich erweckt der spektakuläre Bau auch über die Grundstücksgrenzen hinaus ein Interesse seitens der Bevölkerung, aber auch bei Architekturinteressierten. Um nicht unweigerlich Teil einer Paderborner Stadtführung zu werden, sondern sich auch im Tagesgeschäft auf die Arbeit konzentrieren zu können, ist das Gebäude nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Aufgrund der hohen Nachfrage erarbeitet das Unternehmen aktuell jedoch schon ein Konzept, um sich hin und wieder auch neugierigen Augen öffnen und diese am „neuen Schönen“ teilhaben lassen zu können.

© Simon Menges
Nun ist es also da – das Leben in den Jacoby Studios, die heute nicht nur der neue Dreh- und Angelpunkt für die familiengeführte Tap Holding sind, sondern dank ihrer herausragenden Architektur, die den sensiblen Grat zwischen Historie und Moderne schafft, eine ganz besondere Landmarke für die Stadt an der Pader darstellen. Und trotz oder grade wegen des erfolgreichen Abschlusses dieses Bauvorhabens hat Ellen Jacoby einen Wunsch für die Zukunft: „Unser großer Wunsch wäre es, mit diesem Bau eine Inspiration für andere Paderborner Bauherren geschaffen zu haben; einen Anstoß für eine Bewegung, die mehr Mut und Wagnis in der eigenen Darstellung eingehen möchte. Man hat beim Bauen nur eine Chance, es gut zu machen.“ Die Jacoby-Familie hat es sogar besser als gut gemacht.
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