
Visualisierung aus der Vogelperspektive © Grauwald Studio / bez+kock architekten
Der Bau der moldauischen Nationalphilharmonie, benannt nach dem Violinisten Serghei Lunchevici, blickt auf eine ereignisreiche Geschichte zurück: Die ältesten Teile stammen aus dem Jahr 1913, ursprünglich konzipiert als Theater- und Zirkusgebäude. In den 1950er Jahren begann die Sanierung der Substanz inklusive eines dreistöckigen Anbaus und des von Säulen umrahmten Eingangs. Pünktlich zum 80-jährigen Jubiläum sollte die Philharmonie in neuem Glanz erstrahlen, doch in der Nacht zum 25. September 2020 machte ein Feuer infolge von Bauarbeiten diese Pläne zunichte: Die große Konzerthalle, der Probesaal, die Bibliothek und nicht zuletzt zahlreiche Musikinstrumente fielen den Flammen zum Opfer. Die Eingangssituation hingegen und einzelne Teilstrukturen des Zirkusbaus blieben verschont.

Darstellung des Konzeptes mit zweigeschossigem Foyer und den beiden Konzertsälen © bez+kock architekten
Zwei Jahre nach dem Brand lobte das Kulturministerium der Republik Moldau im September 2022 einen offenen, internationalen Wettbewerb aus. Das Ziel war ein Gebäude für die nationale und internationale Musikszene mit hoher architektonischer Qualität. Für die Endauswahl des Verfahrens qualifizierten sich 27 Einreichungen aus 13 Ländern. Im März 2023 kürte die Jury unter dem Vorsitz des maltesischen Architekten Lino Bianco den Beitrag des Stuttgarter Büros bez+kock architekten zum Gewinner. Den zweiten Preis erhielten Cataraga Architects aus Chișinău, während wulf architekten, ebenfalls aus Stuttgart, auf dem dritten Platz landeten. Alle ausgezeichneten Entwürfe thematisieren den Bruch zwischen Alt- und Neubau. Allerdings versuchen die zweit- und drittplatzierten Beiträge möglichst viel Substanz, inklusive der Eingangssituation aus den 1950ern, zu erhalten, während der erstplatzierte Entwurf sich auf den denkmalgeschützten Bereich des ursprünglichen Zirkusbaus an der Straßenseite beschränkt. Im Gegenzug erschaffen sie eine Architektur mit raumgreifender Gestik.

Innenraumperspektive des zweigeschossigen Foyers © Grauwald Studio / bez+kock architekten
Das Gewinner:innen-Projekt von bez+kock architekten vervollständigt die zerstörte städtebauliche Figur der Philharmonie mit einem quaderförmigen Grundbau und einer aufgesetzten, extrudierten Ellipse. Aus moldauischen Naturstein gefertigt, referenziert die Fassade des unteren Gebäudeteils die historische Putzstruktur des Zirkusbaus. Die mit voroxidierten Messingplatten verkleidete Ellipse soll den Wert der Kunst in den Vordergrund stellen und optisch an die Materialität von Musikinstrumenten erinnern. Gemäß der musikalischen Nutzung legten die Planer:innen im Innenraum großen Wert auf die akustischen Raumbedingungen, sodass das Gebäude für alle Stilrichtungen der Musik flexibel bespielbar ist.

Neue Eingangssituation aus Fußgänger:innenperspektive © Grauwald Studio / bez+kock architekten
Besucher:innen betreten das Gebäude über den einladenden Platz, an dem sich der Bau durch eine großflächige Verglasung und deren abgeschrägte Rahmung zum Stadtraum öffnet. Hinter der Scheibe bildet das Foyer über zwei Etagen die Verbindung von Innen- und Außenraum. Im Erdgeschoss befindet sich hinter der historischen Fassade zudem ein Restaurant mit separatem Eingang zur Strada Metropolit Verlaam. Im zweiten Obergeschoss ist darüber der kleine Saal verortet. Die aufbauende Ellipse nimmt in derselben Etage mit dem großen Konzertsaal das Herzstück der Philharmonie auf. Rund 750 Besucher:innen finden hier Platz, um den Klängen verschiedenster musikalischer Stile zu lauschen. Der Akustik des Innenraumes kam gemäß der musikalischen Nutzung eine zentrale Bedeutung zu. So wurden Oberflächenstrukturen und Ausrichtung der Verkleidungen auf das vornehmlich philharmonische Hörerlebnis abgestimmt; variable akustische Banner vor den Wandflächen machen den Raum dennoch für alle Musikrichtungen flexibel. Auf dem Dach der Ellipse befindet sich zudem ein Open-Air-Performance-Raum, der inspirierenden und informellen Formaten Platz bieten soll.

Der große Konzertsaal © Grauwald Studio / bez+kock architekten
Im nächsten Schritt folgen nun die Nachbesserung des erstplatzierten Entwurfs und die Ausarbeitung der finalen Pläne gemäß dem bisher nicht veröffentlichten Juryurteil. Auf dieser noch ausstehenden Grundlage muss auch die zuständige Denkmalbehörde noch ihre Genehmigung erteilen. Wenn diese Hürden überwunden sind, können in der Philharmonie in Chișinău endlich wieder neue Melodien angestimmt werden.
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