CURVE: EINE REISE DURCH ZEIT, NATUR UND RAUM

© Iwan Baan

Das American Museum of Natural History gilt weltweit als eine der renommiertesten Institutionen für naturwissenschaftliche Ausstellungen und ist eine der größten Kultureinrichtungen in New York City. Hier ist der Name Programm: Neben Ausstellungen, die sich vielfältigen Phänomenen aus der Natur widmen, bietet auch die Historie des Bauwerks viele Erzählanlässe. Das ursprüngliche Museum wurde vor ca. 150 Jahren nach Plänen von Calvert Vaux und J. Wrey Mould realisiert. Nach seiner Eröffnung im Jahre 1869 wurde es mehrfach erweitert. Das historische Bauwerk am Theodore Roosevelt Park ist mit seiner prägnanten, tiefroten Backsteinfassade, seinem gemusterten Schieferdach sowie seinen venezianisch-gotischen Granit-Bögen heute aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken.

© Neoscape, Inc. / AMNH

Aufgrund der stetig steigenden Besucher:innenzahlen in den letzten Jahren von drei auf fünf Millionen realisierte das Architekturbüro Studio Gang die nächste Erweiterung: das Richard Gilder Center for Science, Education and Innovation. Beplant wurde eine städtebauliche Lücke zwischen den Bestandsbauten, die westlich in Richtung der Columbus Avenue liegt. Das Gilder Center umfasst eine Gesamtfläche von rund 230.000 sq. ft. und verbindet zehn Gebäude auf dem vier Blöcke umfassenden Museumscampus.

Im April 2023 wurde der Neubau eröffnet, der zum einen einige der rund 34 Millionen Artefakte und Exemplare aus der bestehenden Museumssammlung präsentiert und in dem zum anderen auch neue Ausstellungen Platz finden, wie z. B. das Kenneth C. Griffin Exploration Atrium, der fünfstöckige Louis V. Gerstner, Jr. Collections Core, das Susan and Peter J. Solomon Family Insectarium, das Davis Family Butterfly Vivarium und die Invisible Worlds. Die Ausstellungen gestaltete Ralph Applebaum Associates. Mit Hinblick auf die Richard Gilder Graduate School wurden im Neubau auch Lern- und Forschungs- sowie Bibliotheksbereiche integriert, z. B. das David S. and Ruth L. Gottesman Research Library and Learning Center. Sie sollen Student:innen und Besucher:innen ermutigen, an wissenschaftlichen Entdeckungen teilzuhaben.

Zweifelsohne war das Projekt eine Herausforderung, die an eine besondere Verantwortung gekoppelt ist – immerhin soll das Gilder Center zum neuen Herz des Museums werden, Alt und Neu behutsam vereinen und alles zu einem sinnvollen Gesamtensemble vervollständigen. Die Architekt:innen von Studio Gang stellten sich dieser Herausforderung mit viel Mut: Sie setzen auf ein amorphes, skulpturales Design und zielen mit ihrem Entwurf auf eine interessante Balance aus Kontrast und Harmonie ab.

Dies spiegelt sich etwa in der geschwungenen, fließenden Fassade wider, die von nahtlos ineinander übergehenden konkaven wie konvexen Formen geprägt wird – und optisch an sich bewegenden Stoff erinnert. Seitlich findet die Gebäudehülle hingegen einen bündigen Abschluss zu den angrenzenden Bestandsbauten und orientiert sich auch in puncto Höhe am Dachfirst des umgebenden Gebäudebestands. Mittig der Fassade platzieren die Planer:innen eine großzügige Pfosten-Riegel-Verglasung – hier befindet sich der neue Museumseingang. Als Fassadenmaterial kommt ein Milford-Pink-Granit zum Einsatz. Er bildet einerseits einen harmonischen Kontrast zur direkt benachbarten tiefroten Backsteinfassade, andererseits ist der Granitstein auch am westlichen Museumseingang zu finden und zieht sich infolgedessen als gestalterisches Element von Osten nach Westen durch den Campus.

© Neoscape, Inc. / AMNH

Für eine optimale Besucher:innenzirkulation sind im Innenraum rund 30 neue Verbindungen zu insgesamt zehn Bestandsgebäuden entstanden, die einerseits die Ausstellungen des Gilder Center an die Galerien des Bestandes anbinden und anderseits die Infrastruktur des Bestandes selbst verbessern. Die Ausstellungen sind rings um einen Luftraum organisiert, der sich mittig im Komplex befindet und den zentralen Auftakt für die Erkundungsreise durch Zeit, Natur und Raum bildet. Das skulpturale Design setzt sich derweil als architektonisches Motiv von der Gebäudehülle kontinuierlich ins Gebäudeinnere des Gilder Center fort: Oberflächen aus Beton formen eine fließende Gesamtstruktur, die sich aus konkaven und konvexen Wandwölbungen, Verbindungsbrücken, Kavernen und perforierten Wandöffnungen zusammensetzt.

Insgesamt erinnern die neuen Innenräume an eine felsenartige Höhle, die eine Vielfalt an Räumen, Plateaus, Wegen, Verzweigungen oder auch Felsspalten offenbart. Beim Gilder Center spiegelt sich dies auch in vielfältigen Raumkonfigurationen, spannenden Sichtbeziehungen und abwechslungsreichen Perspektiven wider. Die Besucher:innen können sich frei durch die verschiedenen naturwissenschaftlichen Ausstellungsbereiche, Geschosse und Zwischengeschosse des Gilder Center bewegen – und über, unter, durch und entlang der fließenden, gewölbten Strukturen spazieren.

Kurzum: Studio Gangs Vision ist weit mehr als ein Entwurf für ein Museum. Das Gilder Center ist eine gelungene Vervollständigung, eine Symbiose aus Alt und Neu; es präsentiert nicht nur Naturphänomene und vermittelt spannendes Wissen, sondern lädt die Besucher:innen auch ein zu einem ganz besonderen Architekturabenteuer.

 


Bildergalerie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alle Fotos: © Iwan Baan

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert