
© Galerie Lafayette
Joe Chialo, Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, präsentierte dem Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses in der Sitzung am 28. August 2023 einen vielversprechende Idee: Das Quartier 207, dessen bekanntester Mieter das Luxuskaufhaus Galeries Lafayette ist, könnte der neue Standort für die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) werden. Entwickelt wurde der Vorschlag im Austausch mit Tillmann Speyer, Immobilienunternehmer und seit 2022 Eigentümer des Gebäudes. Lafayette hatte vor einigen Wochen bekannt gegeben, seine Standorte im Ausland aufgeben zu wollen; der Auszug des Luxuskaufhauses in der Berliner Friedrichstraße ist für Ende 2024 geplant.
Sollte die ZLB tatsächlich in das dann leerstehende Kaufhaus einziehen, würden beide Seiten profitieren: Für das Gebäude, welches vom französischen Architekten Jean Nouvel 1996 erbaut und ursprünglich für die Nutzung als Medienhaus konzipiert wurde, wäre eine attraktive Nachmieterin gefunden; die Stadt Berlin wiederum könnte endlich die ZLB an einem Standort zusammenführen – und damit eine Herausforderung lösen, die seit der Wiedervereinigung besteht. Hinzu kommt, dass die beiden aktuellen Standorte der Bibliothek am Blücherplatz und an der Breiten Straße mit den Jahren schlichtweg zu klein geworden sind, gravierende bauliche Mängel aufweisen und dringend instandgesetzt werden müssten.
Eine Zusammenführung der Standorte hatte der Senat übrigens bereits 2015 beschlossen, bis dato jedoch keine Lösung gefunden. Kultursenator Joe Chialo betont, dass sich mit der neuen Idee nun eine einmalige Chance biete und ihre Umsetzung ein starkes Zeichen des Aufbruchs für Berlin setzen könne: „Das Quartier 207 als Standort für die dringend benötigte Berliner Zentral- und Landesbibliothek bietet optimale Voraussetzungen und würde eine jahrzehntelange Suche beenden. Die ZLB in der Friedrichstraße, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Humboldt Forum, der Humboldt-Universität und zu herausragenden Leuchttürmen Berliner Kultur, wie der Staatsoper Unter den Linden, wäre für alle Berlinerinnen und Berliner gut erreichbar, für die Anrainer in der Friedrichstraße ein echter Gewinn (…): Der Ort bietet ideale Bedingungen für eine zeitgemäße Bibliothek in einer Millionenmetropole und das mitten im Herzen der Stadt!“
Zudem ist das Kaufhaus-Gebäude laut Chialo sehr gut als Bibliothek geeignet: „Das Gebäude hat die richtige Größe, wäre schneller bezugsfertig und zudem deutlich nachhaltiger als ein jahrelanger, kostenintensiver Neubau.“ Das zeigen auch erste Untersuchungen zum möglichen neuen Standort: Dank vier Unter- und sieben Obergeschossen könnten alle erforderlichen Raumtypen im Gebäude untergebracht werden. Die Nutzfläche würde mit gut 35.000 Quadratmeter sogar leicht über dem ermittelten Bedarf an Fläche liegen. Ebenso wäre eine Nutzung bereits nach kurzem Umbau ab 2026 möglich und könnte deutlich nachhaltiger realisiert werden als der bisher geplante Neubau. Darüber hinaus würde sich auch die Architektur mit ihrem offenen Lichthof und Rundgängen im Inneren für die Zwecke einer modernen, kommunikativen Bibliothek gut eignen. So unterstützt auch Volker Heller, Generaldirektor der ZLB, die Idee: „Das ist eine Jahrhundertchance für Berlin! Die Zentral- und Landesbibliothek Berlin in der Friedrichstraße ist ein richtig guter Vorschlag. Die Nachnutzung eines existierenden Gebäudes ist nur sinnvoll, wenn es für die Bibliotheksnutzung passt und funktioniert. Das erfüllt Q207 voll und ganz.“
Die Berliner Friedrichstraße ist in den letzten Jahren mehrmals für den Autoverkehr gesperrt worden. Seit dem 1. Juli 2023 ist sie vorerst wieder für den Autoverkehr freigegeben, jedoch kündigte das Berliner Verkehrssenat an, ein Gesamtkonzept für die historische Mitte erarbeiten zu wollen – um die Aufenthaltsqualität für alle Verkehrsteilnehmer:innen, vor allem die für Fußgänger:innen zu steigern. Ob im zukünftigen Diskurs die Idee, die ZLB in der Friedrichstraße unterzubringen, eine Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten. Fest steht aber: In Berlin-Mitte bewegt sich so einiges.
Mehr zur Designstudie Friedrichstraße lesen Sie im Interview mit Dieter Brell, Creative Director des interdisziplinären Designbüros 3deluxe. Rechtliche Hintergründe zur Friedrichstraße und zum Thema „Wem gehört die Straße – das Ende verkehrsberuhigter Maßnahmen?“ lesen Sie im Rechtsbeitrag der polis FREUDE 04/2022 von Dr. Tina Ines Schmidt.
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