KUNST, KULTUR UND STADTNATUR

Blick von der Spree: Zusammen mit dem Eierhäuschen bildet die Werkhalle künftig das repräsentative Entrée am östlichen Parkeingang. // © die grille

Die Szenerie konnte nicht skurriler sein: Wie im Dornröschenschlaf lagen hier die Dinosaurier, hinter denen in verblasstem Rot Berlins einziges Riesenrad in die Höhe ragte. Nachdem sich die Gondeln das letzte Mal vor zwei Jahrzehnten gedreht hatten, übernahm die Natur. Inzwischen genießen die stillgelegten Attraktionen und zugewucherten Fahrgeschäfte des Spreeparks Kultstatus. Und auch die Geschichte des ehemaligen Vergnügungsparks liest sich spannend: 1969 wurde er zunächst als Kulturpark Plänterwald anlässlich des 20. Jahrestags der DDR eröffnet und war ein beliebtes Ausflugsziel. Nach dem Mauerfall folgte seine Privatisierung samt Umbenennung in Spreepark. Stark verschuldet setzte sich der Betreiber 2001 mit einigen Fahrgeschäften nach Peru ab. Kurze Zeit später wurde er festgenommen, als er versuchte, Drogen im Mast eines Fahrgeschäftes nach Deutschland zu schmuggeln. Für den Vergnügungspark fand sich lange Zeit kein neuer Pächter, weil der Erbbauvertrag mit hohen Schulden belastet war. Infolgedessen verfielen die Fahrgeschäfte, die Natur eroberte sich den Ort zurück und das Areal wurde zu einem „Lost Place“. Seit 2014 sind Liegenschaft und Erbbaurecht wieder in der Hand der Stadt Berlin. Das über 20 Hektar große Areal wird seit 2016 federführend vom landeseigenen Unternehmen Grün Berlin GmbH betreut und entwickelt.

Abbau des Riesenrads // © Lichtschwärmer

„Diese Fläche hat natürlich auch für den Wohnungsbau Begehrlichkeiten geweckt: Die Lage an der Spree und am Landschaftsschutzgebiet ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal“, erklärt Christoph Schmidt, Geschäftsführer der Grün Berlin GmbH. „Für uns war aber von Anfang an klar, dass wir diesen besonderen Ort den Bürger:innen und Gästen der Stadt übergeben wollen.“ Auch dass der Spreepark weder kommerzieller Rummelplatz noch gewöhnlicher Park werden kann, stand schnell fest. Einerseits, weil in der Nachbarschaft schon viele Erholungsflächen existieren. Andererseits aufgrund der Vielschichtigkeit von Geschichte, Atmosphäre und ökologischen Besonderheiten.

Schmidt betont, dass bereits bei der Konzeption festgelegt wurde, dass der Schwerpunkt auf Transformation und einem wertschätzenden Umgang mit dem Bestand liegen sollte. Dieser Wunsch wurde nicht zuletzt in der aufwendigen Beteiligung deutlich, bei der Anwohner:innen und Kulturschaffende sowie Vertreter:innen von Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung mittels unterschiedlicher Formate ihre Ideen einbringen und Vorschläge diskutieren konnten. Auch Interessengruppen wie Naturschutzverbände oder das Netzwerk der Berliner Nachtclubs wurden einbezogen. Die Ergebnisse flossen 2018 in einen Rahmenplan ein, erarbeitet von einem interdisziplinären Team aus Landschaftsarchitekt:innen, Ingenieur:innen, Tourismusexpert:innen, Szenograph:innen und Kunsthistoriker:innen.

Der künftige Spreepark von oben //  © ARGE Spreepark Freianlagen c/o die grille

Viele der ikonischen Relikte des Vergnügungsparks bleiben erhalten, bekommen aber eine neue Funktion oder werden künstlerisch umgestaltet. So wird z. B. auch das Riesenrad wieder in Betrieb genommen und dafür ertüchtigt. Andere Teile des Parks bleiben unterdessen der Natur vorbehalten. Dennoch soll laut Schmidt der Park auch dem Raum geben, das Berlin so besonders macht: der kreativen Szene, die sonst unter dem Verlust von Orten leidet. Neben Kunstinstallationen im Park wird vor allem das ehemals beliebte Ausflugslokal Eierhäuschen eine zentrale Rolle spielen und Künstler:innen temporär Arbeits- und Wohnraum bieten. Hier sind Ausstellungsflächen sowie eine gastronomische Nutzung vorgesehen.

Künftig wird das Riesenrad, spektakulär schräg über dem neuen Wasserbecken abgehängt, wieder seine Runden drehen. // © die grille

Sowohl für die Bauphase als auch für den Betrieb des Parks wurde ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept erstellt, das einen besonderen Schwerpunkt auf die Mehrfachnutzung legt: So ist die kreisrunde Wasserfläche unter dem Riesenrad nicht nur ein Gestaltungselement, sondern dient zugleich als Auffangbecken für Regenwasser und verwandelt sich künftig in ein Biotop. Neben Maßnahmen zu Naturschutz und einer nachhaltigen Erschließung sieht das Konzept auch die Wiederverwendung von Abbruchmaterialien in der Bauphase und einen CO2-neutralen Betrieb vor. Dafür zeichnete die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. (DGNB) den Spreepark als ersten öffentlichen Park mit dem Vorzertifikat in Platin aus.

Flexible Grundrisse verwandeln die Werkhalle, in der früher die Fahrgeschäfte gewartet wurden, in einen multifunktionalen Veranstaltungsort. Auch die Parkverwaltung findet hier ihr neues Zuhause. Der Unterhalt des Parks soll über Veranstaltungen sowie die Vermietung von Flächen und Räumlichkeiten erwirtschaftet werden. Auch ein Eintrittsgeld zum Park soll dazu beitragen, allerdings „in einem sozialverträglichen Rahmen von ein bis drei Euro pro Person“, erklärt Schmidt. Die Stadt wird den Betrieb mit rund vier Millionen Euro pro Jahr bezuschussen. Die Kosten für die Transformation des Spreeparks belaufen sich auf insgesamt 72 Mio. Euro, die von Land und Bund gestellt werden.

Mero-Halle // © Jan Kampshoff

Der Ausbau und die Eröffnung erfolgen schrittweise bis 2026. Im Rahmen von „Labortagen“ wurden bereits seit 2020 Kultur- und Umweltbildungsformate als Zwischennutzung in der durch das Architektur- und Designbüro modulorbeat künstlerisch neu interpretierten und baulich ertüchtigten Mero-Halle durchgeführt. Aktuell wird der Beschluss des B-Plans erwartet, um weitere konkrete Objektplanungen angehen zu können. Neben dem Eierhäuschen wird dieses Jahr der öffentliche Schiffsanleger in Betrieb genommen. Auch der Probebetrieb im Rahmen der Labortage wird fortgesetzt. Die Gastronomie im Eierhäuschen soll spätestens zum Frühherbst eröffnen. Ab Mai können Erholungssuchende im Biergarten am Schiffsanleger die frühsommerliche Sonne genießen und gespannt sein auf all das, was hier noch passieren wird. Christoph Schmidt ist davon überzeugt, „dass der Spreepark ein ganz besonderer Ort sein wird, der deutschlandweit – nein, eigentlich international – einmalig ist.“

 

Update 24. August 2023: Den Worten folgen Taten – die Sommergastronomie am Eierhäuschen wurde für erfrischungssuchende Ausflügler:innen am 18. Mai 2023 eröffnet und auch der erste öffentliche Schiffsanleger Berlins, der Teil des nachhaltigen Mobilitätskonzepts des Spreeparks ist, ist seit Juli 2023 probehalber in Betrieb. Außerdem dazu gekommen sind weitere künstlerische Interventionen. Ein umfangreiches Programm im Rahmen des Laborbetriebs lockt noch bis in den November hinein mit zahlreichen Veranstaltungen wie Führungen, Filmabenden oder Workshops. Weitere Informationen finden Sie hier.

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