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In Luxemburg sieht man weit und breit kaum noch Ticketautomaten. Die wenigen, die übrig geblieben sind, nehmen kein Geld mehr an. Was da los ist? Das Land hat als erstes weltweit den kostenlosen Nahverkehr eingeführt. Das Ziel ist es, vor allem in der Hauptstadt das Verkehrsaufkommen zu reduzieren. Es ist die Stadt mit weniger als 800.000 Einwohnern, die mit der sechstgrößten Verkehrsbelastung weltweit zu kämpfen hat. Außerdem will man natürlich durch die Reduktion von Staus und weniger PKW-Nutzung die Umwelt schonen.
Es ist ein großer Schritt für ein kleines Land. In vielen Städten Europas experimentiert man bereits mit kostenlosem ÖPNV – in Deutschland aktuell auch in der Innenstadt Augsburgs. Aber mit seiner flächendeckenden Konsequenz nimmt Luxemburg eine Vorreiter-Rolle ein. Die Transitgebühren wurden fast vollständig abgeschafft, nur für einige abendliche Busverbindungen und inländische Zugfahrten der ersten Klasse bestehen sie noch.
Die Einwohner können ab jetzt kostenfreie Fahren durch das gesamte Land und die vorbeiziehenden Landschaften genießen. Zugleich hofft die Regierung, dass sich schon bald die stauverringernde Wirkung breit macht. Vor allem in der Hauptstadt wünscht man sich den Effekt, wo mehr als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung des Landes lebt. Bekannt ist Luxemburg-Stadt für seine mittelalterlichen Befestigungsanlagen – und den schrecklichen Verkehr.

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Fast eine Woche ihres Lebens verbringen Autofahrer im Berufsverkehr
Laut eines Index von TomTom, eines niederländischen Unternehmens für Navigationstechnologien, verbrachten die Autofahrer in Luxemburg-Stadt im Jahr 2019 durchschnittlich 163 Stunden – fast eine ganze Woche ihres Lebens – im Berufsverkehr.
Die vielen Staus werden aber nicht ausschließlich von den Luxemburgern selbst verursacht. Luxemburg-Stadt ist von Deutschland, Frankreich und Belgien aus innerhalb einer halben Stunde Fahrt erreichbar – ein Umstand, den viele Berufspendler der Nachbarländer gerne für sich nutzen. Etwa 214.000 Menschen mehr verstopfen dabei abends immer wieder die Straßen, was auf allen Seiten zu horrenden Zeitverlusten führt. Sie leben vor allem deshalb außerhalb der Stadt, weil die Mieten ein Leben in der Hauptstadt kaum ermöglichen.
Die Hoffnung ist es, dass die Pendler schon bald ihr Auto an der Grenze stehen lassen und lieber Bus oder Bahn fahren. Dazu soll auch eine neue, wachsende Straßenbahnlinie namens Luxtram in der Stadt beitragen. Den Pendlern wird die Fortbewegung per ÖPNV damit deutlich erleichtert – sie wird seit 2017 ausgebaut und soll in den kommenden Jahren fertig gestellt werden. Die Linie wird den südlichen Stadtrand mit Findel, einem kleinen Dorf nördlich der Stadtgrenze, verbinden, nahe des einzigen internationalen Flughafens des Landes.
Kostenloser ÖPNV über Steuermittel finanziert
Die luxemburgischen Verkehrsbehörden gehen laut einem Bericht der Agence France Presse davon aus, dass sich die Abschaffung der Fahrpreise auf etwa 40 Prozent der Haushalte des Landes auswirken wird. Dabei wird jeder von ihnen jährlich etwa 112 Dollar einsparen. Eine Zahl, die zeigt, dass in dem reichen Land die Fortbewegung mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Anfang an erschwinglich war. Daraus wird aber auch ersichtlich, dass die Einwohner des Landes deutlich stärker von privaten Pkws abhängig sind, die sie für 47 Prozent ihrer Geschäftsreisen sowie 71 Prozent ihrer Ausflüge in der Freizeit nutzen.
Der Betrieb des öffentlichen Verkehrssystems des Landes kostet jährlich rund 562 Millionen Dollar. Durch den Fahrpreisverkauf konnten bislang etwa 46 Millionen Dollar abgedeckt werden, das entspricht 8 Prozent. Somit wurde der Großteil also sowieso schon durch die Regierung gedeckt. Die letzten 8 Prozent werden künftig durch Steuermittel finanziert.
Umfassende Verkehrswende in Planung
Insgesamt ist eine umfassendere Verkehrswende geplant. Man priorisiert dabei vor allem die Aspekte Taktung – statt alle fünf soll künftig alle drei Minuten eine Bahn kommen – Bequemlichkeit und Qualität der Fahrzeuge. Der ÖPNV muss dem PKW echte Konkurrenz machen, damit die Einwohner tatsächlich ihr Verhalten ändern.

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Schon jetzt sind die Verkehrsmittel hochmodern, hell und geräumig. Dadurch locken sie zusätzlich Nutzer zu einem Umstieg auf den ÖPNV an. Schaffner und Kontrolleure bekommen Umschulungen. Die Investitionen in die Mobilität sollen stetig wachsen, um bald Straßenbahnen mit Batterien statt Oberleitungen sowie die doppelte Anzahl an Park-And-Ride-Plätzen an den Grenzen bis 2025 zu realisieren.
Gerne will Luxemburg anderen EU-Ländern ein Vorbild sein. Für die meisten Länder wäre die Umstellung auf kostenlosen Nahverkehr zu teuer – in Anbetracht der Größe der Länder ein nachvollziehbares Argument.
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