SCHÜSSLER-PLAN: ÜBERREGIONAL LOYAL

© Martin Blum

Frau Zimmermann, Schüßler-Plan ist seit jeher mit der Stadt Düsseldorf verbunden. 1958 legte Ihr Großvater Willi Schüßler den Grundstein für die heutige Schüßler-Plan-Unternehmensgruppe, die mittlerweile an 19 Standorten bundesweit und an einem in Warschau mit rund 1000 Mitarbeitenden tätig ist. Welche Rolle spielt der Standort Düsseldorf heute für das Unternehmen?

ZIMMERMANN: Düsseldorf ist die Wiege des Unternehmens, das mein Großvater, wie Sie sagten, im Jahr 1958 am Küchentisch gegründet hat. Die Stadt spielt daher natürlich eine ganz besondere Rolle für uns und unsere Unternehmensphilosophie. Über die vergangenen Jahrzehnte durften wir zahlreiche Projekte in der Stadt mitbegleiten und so die Stadt mitgestalten – das war, ist und bleibt auch in Zukunft spannend. Nichtsdestotrotz sind wir mittlerweile nicht mehr das Ein-Mann-Büro, sondern sind an diversen Standorten in ganz Deutschland vertreten, da wir Partner unserer Auftraggeber vor Ort sein möchten. So wie ich mich als Düsseldorferin mit dem hiesigen Standort sehr verbunden fühle, gibt es an jedem anderen Schüßler-Plan-Standort Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in gleicher Weise mit der jeweiligen Region identifizieren. Das ist wichtig, weil wir davon überzeugt sind, nur so die Städte und Regionen richtig verstehen zu können.

Könnten Sie genauer erläutern, worin die Vorteile dieser Ortskenntnis liegen?

ZIMMERMANN: Unsere Arbeit basiert auf Dialog und persönlichem Kontakt – mit Projektentwicklern, Bauherren, Bürgerinnen und Bürgern, Stadtverwaltungen etc. Meiner Meinung nach erreichen wir eine ganz andere, solidere und vertrauensvollere Basis, wenn wir diesen Menschen schon einmal begegnet sind: Wenn wir z. B. durch bereits gemeinsam realisierte Projekte Kompetenzen und Qualitäten des jeweils anderen kennen. Infolgedessen erzielen wir eine höhere Qualität in unseren Projekten. Die Verfügbarkeit vor Ort ermöglicht es uns letztlich auch, schnell und pragmatisch Entscheidungen zu fällen. Das ist bei Bauvorhaben natürlich ein großer Vorteil.

Durch Projekte wie den Umbau des Düsseldorfer Hauptbahnhofs Ende der 1970er, die Tieferlegung der Rheinuferstraße sowie den Ausbau des Düsseldorfer Flughafens hat Schüßler-Plan die Düsseldorfer Stadtentwicklung maßgeblich beeinflusst. Sehen Sie sich hierdurch dem Standort besonders verpflichtet?

ZIMMERMANN: Die von Ihnen angesprochenen Projekte verleihen der Stadt bis heute eine beispiellose Aufenthaltsqualität. Durch den Rheinufertunnel ist es gelungen, die Stadt zurück an den Rhein zu holen. Ein etwas aktuelleres Beispiel ist der ebenfalls von uns begleitete Neubau des Kö-Bogen-Tunnels mit Abbruch des „Tausendfüßlers“ – ein kontrovers diskutiertes Projekt. Wo ehemals tagtäglich unzählige Autos über eine Brücke direkt neben einem Kaufhaus fuhren, ist durch die Untertunnelung eine weitläufige Fußgängerzone entstanden. Auf solche Projekte sind wir als Unternehmen natürlich nach wie vor stolz. Den Stadtwandel so maßgeblich mitbegleiten zu dürfen, ist etwas sehr Besonderes.

Wie Sie bereits sagten, hat insbesondere der Abbruch des „Tausendfüßlers“ zu regen Diskussionen geführt. Wie empfinden Sie solche Phasen bis letztlich ein Entschluss in eine bestimmte Richtung gefällt wird?

© Jörg Hempel / Wehrhahn-Linie, Düsseldorf: Die Wehrhahn-Linie bedeutet eine verkehrstechnische Entlastung der Innenstadt und bessere Mobilität. Zudem schafft sie neue Freiräume für die Stadtgestaltung an der Oberfläche, wie die Hochbauprojekte Kö-Bogen und Kö-Bogen II zeigen.

ZIMMERMANN: Ursächlich für solche Diskussionen sind oft der Hang zur Gewohnheit sowie mangelnde Vorstellungskraft. Das Gewohnte – wie in diesem Fall z. B. mit dem Auto über den „Tausendfüßler“ zu fahren – will nicht einfach so aufgegeben werden. Dazu gesellen sich Bedenken im Hinblick auf Baustellen, Lärmbelästigung und daraus resultierende Einschränkungen. Diese Sorgen kann ich zu hundert Prozent nachvollziehen. Als Unternehmen, das viele Bauprojekte im Infrastrukturbereich mitgestaltet, ist es jedoch unsere Aufgabe, nicht nur die aktuellen Bedürfnisse oder die der kommenden ein bis zwei Jahre in den Blick zu nehmen, sondern viel länger zu planen. Große Bauprojekte benötigen oftmals zwischen zehn und 20 Jahren bis zur Realisierung und manche sind sogar noch länger. Dieses weit vorausschauende Planen fällt uns als Unternehmen, das auch einen gewissen emotionalen Abstand und fachlichen Hintergrund hat, leichter als Bürgerinnen und Bürgern, die ihre unmittelbare Lebenswirklichkeit erst einmal als „beeinträchtigt“ wahrnehmen.

Abgesehen davon steht bei Ihnen sicherlich auch das Thema Nachhaltigkeit ganz oben auf der Agenda. In diesem Wort verbergen sich jedoch eine ganze Reihe unterschiedlicher Aufgaben und Herausforderungen. Wie haben Sie das Thema im Unternehmen verankert?

ZIMMERMANN: Nachhaltigkeit ist für uns eines der wesentlichsten Ziele der nächsten Jahre, aber auch keine grundlegend „neue Herausforderung“. Unser ökologischer sowie ökonomischer Anspruch ist es seit jeher, kein Material zu verbauen, das nicht gebraucht wird. Oft wird derzeit mit Maßnahmen geworben, die im Gesamtzusammenhang gut, im Kern aber nichts Neues sind, oder gar etwas, mit dem wir den CO2-Ausstoß auf den Baustellen noch bedeutend verringern können. Die Reduktion von CO2 und damit auch eine noch weitergehende Materialeinsparung wird dann gelingen, wenn wir das Tragwerk weiterdenken und z. B. digitalisiertes, parametrisches Design mit in unsere Prozesse implementieren. In all unseren Projekten sind wir im Hinblick auf nachhaltige Prozesse beratend tätig. In den nächsten Jahren werden wir darüber hinaus eine Nachhaltigkeitsstrategie umsetzen, um noch gezielter den Klimaschutz in den Projekten zu verankern und den CO2-Abdruck unseres Unternehmens insgesamt weiter zu verringern. In diesem Prozess hilft uns auch die Größe des Unternehmens, da wir eine Reihe an Erfahrungen gesammelt haben, die wir nun bündeln und weiter ausbauen können – und das im Bestfall immer am Zahn der Zeit.

Inwiefern spielt es in diesem Kontext eine Rolle, dass Sie Ihr Leistungsspektrum u. a. zum Beispiel durch den Bereich Geotechnik strategisch erweitert haben?

STAHL: Geotechnisches Wissen nimmt in puncto Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle ein: Mit Beton, Stahl und Erdbaustoffen haben wir es mit Materialien zu tun, die auch irgendwo entsorgt werden müssen. Um das Einsparpotenzial dieser Materialien langfristig zu erhöhen, braucht es sowohl eine optimierte Planung als auch ein verschärftes Bewusstsein gegenüber der Relevanz geotechnischen Wissens. Dies zu entwickeln, ist nicht immer leicht, da Geotechnik wortwörtlich immer im Untergrund verschwindet. Der Bereich bietet allerdings viel innovatives Wissen, wie z. B. in Hinblick auf die Verarbeitung von Stoffen oder in puncto recyclebarer Materialien. Zusätzlich gewinnt das Thema Erdbauwerke wieder zunehmend an Relevanz gegenüber Betonbauwerken. Und auch sogenannte Geokunststoffe gilt es zu berücksichtigen, da sie zusammen mit dem Baustoff Boden ein Konstrukt ergeben, mit dem Beton eingespart werden kann. Die Niederlande sind z. B. auf diesem Gebiet schon sehr weit. In Deutschland können wir dieses Potenzial noch viel mehr ausschöpfen.

Wo steht Deutschland dahingehend im Vergleich zu anderen Ländern? Gibt es Vorreiter, die sich diesbezüglich schon vermeintlich besser oder innovativer verhalten?

STAHL: Grundsätzlich ist Deutschland mit seinen Entwicklungen von Bauprodukten und Bauverfahren bereits ziemlich gut aufgestellt. Leider trauen sich Planer und Bauherrn noch viel zu selten, diese Entwicklungen auch ein- bzw. umzusetzen. In diesem Zusammenhang sind aus meiner Sicht die Niederlande bereits sehr innovativ. Die Akteurinnen und Akteure versuchen dort sehr vehement Ressourcen einzusparen. Erdbauwerke, welche z. B. als Brückenwiderlager genutzt werden, sind bei unseren Nachbarn bereits nichts Ungewöhnliches mehr; und das in Verbindung mit den dort vorhandenen baugrund- und grundwassertechnischen Besonderheiten. Einige unserer Projekte realisieren wir auch in Kooperation mit niederländischen Partnern. Dabei fällt mir immer wieder auf, wieviel mehr Beachtung unsere Nachbarn dem Thema Nachhaltigkeit schenken.

ZIMMERMANN: Das Problem ist, dass die Gespräche und Lösungsansätze für mehr Nachhaltigkeit in Deutschland vor allem auf das fokussiert sind, was über der Erde – also sichtbar für alle – gebaut wird. Das ist zu einseitig und manifestiert sich momentan z. B. in Form der mannigfaltigen Diskussionen rundum das Thema Holzbauweise. Es steht außer Frage, dass auch dieses Thema wichtig ist, aber es wird zu singulär betrachtet. Nachhaltigkeit muss gesamtheitlich und sehr differenziert betrachtet werden: Nicht für jedes Projekt wird die Lösung „Holzbauweise“ heißen. Kurzum: Es reicht bei Weitem nicht, erst ab Geländeoberkante zu denken und zu planen.

Welche Stellschrauben müssten denn dahingehend in Deutschland justiert werden, um mehr Schub in diese Richtung zu entwickeln? Ist dies eine Frage der Politik ‒ braucht es z. B. auch neue oder überarbeitete Gesetze, die dazu verpflichten, in einer bestimmten Art und Weise zu bauen?

ZIMMERMANN: Einerseits das – andererseits wären aber auch bestimmte Fördermöglichkeiten wünschenswert. Es kann nicht sein, dass die Umsetzung ökologischer Projekte immer wieder aufgrund ökonomischer Argumente scheitert. Wir erleben es bislang leider noch zu häufig, dass die Nachhaltigkeit in der Vorplanung eine große Rolle spielt und im weiteren Planungsverlauf langsam, aber sicher wieder aus dem Projekt verschwindet.

STAHL: In dem Zusammenhang gilt es auch, die Einführung allgemein bauaufsichtlicher Zulassungen für innovative und nachhaltige Bauprodukte und Bauarten zu forcieren, natürlich immer unter dem Fokus der Bauwerkssicherheit. Darüber hinaus im Rahmen der Schaffung von Grundlagen hinsichtlich des Baugrunds, die Anzahl und Tiefe von Erkundungsbohrungen gemäß den Vorgaben der gültigen Normen festgelegt sowie bei Bedarf die Erkundungsdichte aufgabenspezifisch erhöht werden. Ein höherer Erkenntnisgewinn hilft einerseits die Planung zu optimieren und andererseits auch weitere Verfahren in den Blickwinkel zu rücken sowie das Thema Entsorgung differenzierter zu betrachten. An dieser Stelle muss allerdings seitens der Entwickler die Bereitschaft steigen, im Vorfeld mehr zu investieren, denn: Eine Mehrinvestition in der Erkundungsphase führt immer zu verhältnismäßig deutlicheren Einsparungen im Rahmen der Bauausführung.

Insofern liegt es auf der Hand, dass die professionelle Untersuchung des Baugrunds essenziell für eine zuverlässige Kalkulation der Gesamtkosten eines Projekts ist. Doch wieso wird sie immer noch unterschätzt?

STAHL: Das liegt vielleicht etwas an der Historie des Fachgebietes, denn grundsätzlich bewegen wir uns hier auf der Gutachter-Ebene. Üblicherweise führt die Gutachterin ihre Erkundungen durch, schreibt ihren Bericht, liefert ihn ab und jemand anderes darf sich anschließend mit diesem Bericht beschäftigen. Wir gehen einen anderen Weg, da wir eine ganzheitliche und intensivere Kommunikation gegenüber den Bauherren bzw. den weiteren Projektbeteiligten bevorzugen. Hierbei sehen wir nicht allein die geologische Beschreibung, sondern insbesondere eine umfängliche fachspezifische Beratung zur ingenieurmäßigen Umsetzung der Baugrund-Tragwerk-Interaktion als entscheidend an, um das Projekt zielführend zu gestalten. Um wichtigen Input geben zu können, müssen wir viel stärker in das Planungsgeschehen involviert sein. Aufgrund der steigenden Komplexität von geotechnischen Fragestellungen fällt es übergeordneten Objektplanern heute schwer, einen Geotechnischen Bericht auf Vollständigkeit und Plausibilität zu prüfen. An dieser Stelle braucht es vertrauensvolle Partner, die nicht nur einen Bericht abliefern, sondern auch weiterhin ansprechbar sind. Insofern sehe ich Geotechnik-Ingenieurinnen und -Ingenieure als selbstverständlichen Teil einer integralen Planung, die den gesamten Prozess von Beginn an mit ihrer Expertise mitbegleiten sollten. Bislang gelten z. B. Teilnahmen an Planungsgesprächen oder Iterationsprozesse mit dem Tragwerksplaner jedoch immer noch als „besondere Leistungen“, deren Beauftragung in vielen Fällen als nicht notwendig erachtet wird. Das muss geändert werden.

ZIMMERMANN: Letztlich haben wir uns aus diesem Grund auch dazu entschlossen, die ICG als Tochtergesellschaft mit ins Boot zu holen. Wir sehen unsere Geotechnik-Ingenieurinnen und -Ingenieure als unverzichtbare Planungsbeteiligte, die uns in all unseren Prozessen unterstützen und befruchten. Diese Schnittstelle abzubilden und die Kommunikation aufrechthalten zu können, macht sich in unserer Arbeit positiv bemerkbar. Die Planung eines Tragwerks oder einer Baugrubenumschließung, die ohne eine vernünftige Grundlagenermittlung hinsichtlich der Baugrund- und Grundwasserverhältnisse gemacht worden ist, resultiert in der Ausführung meist in weitreichenden Umplanungen. Dies bedeutet nicht nur Mehrarbeit und Mehrkosten in der Planung, sondern kann mitunter auch in Zeit- und Ressourcenverschwendung münden, weil das Bauwerk u. U. keine optimierte Tragstruktur mehr aufweist. Kurzum: Um Projekte reibungslos in die Ausführung zu bringen, ist diese Schnittstelle eine ganz entscheidende.

Die Relevanz des Fachgebiets Geotechnik verdeutlicht u. a. das Projekt des Düsseldorfer Heinrich Campus. Herr Stahl, könnten Sie unseren Leserinnen und Lesern die besonderen Herausforderungen erläutern?

© Martin Blum / Christina Zimmermann und Michael Stahl erläutern Susanne Peick, wie der Bereich Geotechnik schon frühzeitig in den Planungsprozess einbezogen werden kann.

STAHL: Das Spezielle für uns am Heinrich Campus war, dass wir sehr früh in das Projekt eingestiegen sind und wir dieses bezüglich der Geotechnik und des Spezialtiefbaus von der Konzeptphase bis zur Ausführung gutachterlich und planerisch begleiten durften. Das Baufeld war ursprünglich der Sitz des ehemaligen Straßenverkehrsamtes der Landeshauptstadt Düsseldorf; ein Gebäude, das mehrere Jahre leerstand. Wir haben dort in einer sehr frühen Phase die Projektentwicklung dahingehend beraten, welche Baugrundverhältnisse zu erwarten sind und welche Risiken hinsichtlich der Gebäudematerialien und der Altlasten auftreten können. Im Zuge dessen haben wir Erkundungen durchgeführt, die eine bis dato nicht bekannte Bodenkontamination aufgedeckt haben; aus einem alten Heizöltank sind Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) in den Baugrund eingedrungen. Hierdurch ergaben sich zunächst zeitliche und monetäre Unwägbarkeiten im Rahmen der Projektentwicklungs- bzw. Planungsphase. Auf der Grundlage detaillierter Altlastenerkundungen waren alle relevanten Entscheidungsträger in der Lage, zeitnah zu verbindlichen Ergebnissen zu kommen. Ein hohes Maß an Transparenz und offenem Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten hat dafür gesorgt, dass parallel zur Baugrubenplanung sowie der Ausschreibung der Bauleistungen für den Abbruch und die Herstellung der Baugrube einschließlich MKW-Sanierung auch die Genehmigung für die Schadenssanierung von der Umweltbehörde eingeholt werden konnte. Die Rohbauarbeiten konnten so ohne größere Verzögerungen planmäßig erfolgen.

ZIMMERMANN: Insofern beweist der Heinrich Campus einmal mehr die Sinnhaftigkeit, die Geotechnik direkt von Beginn an mit an den Planungstisch zu holen und nicht nur als „einfaches Anhängsel“ zu betrachten. Hierfür braucht es allerdings noch viel mehr Sensibilität.

STAHL: Extern halten wir hierzu z. B. Vorträge bei Bauherren und informieren sie darüber, worauf es ankommt. Unternehmensintern fördern wir diese Sensibilität über unsere eigene Schüßler-Plan Akademie. Hier gibt es Vorträge zu unterschiedlichsten Themengebieten inklusive Fallbeispielen, die auch darlegen, welche Schwierigkeiten es bei manchen Projekten gegeben hat; denn letztlich sind es maßgeblich die Fehler, aus denen wir lernen.

Schlagen wir noch einmal an dieser Stelle einen Bogen zum Thema Nachhaltigkeit und zirkuläres Bauen: Hat sich denn zumindest in diesem Kontext die Sensibilität für geotechnisches Wissen verbessert?

STAHL: Das ist ehrlich gesagt auch davon abhängig, wie gut man einen Entwickler kennt, da Bauen schlichtweg auch immer ein personenbezogenes Geschäftsfeld ist. Offene und ehrliche Kommunikation schafft Vertrauen und Überzeugung. Wir haben kürzlich einen Auftrag seitens eines öffentlichen Auftraggebers erhalten, der Tragwerksplanung und Geotechnik zusammen ausgeschrieben und im Rahmen der Vergabe umfassende Bietergespräche durchgeführt hat. Im Rahmen der Auftragspräsentation entstanden auch Fragen rund um das Thema Nachhaltigkeit, die wir ganzheitlich diskutieren konnten. Auch ich als Geotechnik-Ingenieur möchte mich nicht mit fachspezifischen Scheuklappen durch meinen Arbeitsalltag bewegen und argumentieren, sondern den Kunden allumfassend informieren – von der Geothermie bis hin zur Zuarbeit für Zertifizierungsprozesse. Dieses Über-den-Tellerrand-Schauen ist unheimlich wichtig – einerseits um die Kunden von unserer qualitätsgerechten Arbeit zu überzeugen, aber auch um den gegenwärtigen Herausforderungen effektiv begegnen zu können.

Mit Blick auf die über 60-jährige Unternehmenshistorie steht außer Frage, dass die Schüßler-Plan-Unternehmensgruppe ein starker und loyaler Partner in puncto Stadtentwicklung und -gestaltung ist. Letztlich übernehmen Sie damit auch soziale Verantwortung. Was ist Ihre ganz persönliche Vision der „Stadt der Zukunft“?

ZIMMERMANN: Im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe thinking.new haben wir bereits mit diversen Zukunftsforschern über das Thema Stadt der Zukunft gesprochen und hierzu auch die Politik, Architekten sowie weitere Planungspartner an den Tisch geholt. In gegenwärtigen Diskussionen fallen immer wieder Begriffe wie z. B. der der 15-Minuten-Stadt. Letztlich kreisen alle Diskussionen um dieselben Punkte: die Steigerung von Lebensqualität durch die optimale Verbindung der Bereiche Wohnen, Arbeiten und Leben. Sofern wir innerhalb einer bestehenden Stadt planen, was mehrheitlich der Fall ist, können wir hierzu keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Was wir jedoch an einer Stadt wie Düsseldorf beispielhaft erkennen können, ist, dass diese Stadt auf zwei Ebenen sehr gut funktioniert. Wenn der Verkehr, ob Individualverkehr oder ÖPNV, unter die Erde verlegt wird, entsteht oberirdisch Raum, den wir neugestalten und neu nutzen können – und das zugunsten von mehr Aufenthalts- und Lebensqualität und nicht zuletzt mehr innerstädtischer Nachhaltigkeit. Dieses Zurückgeben des Stadtraumes an die Bürgerschaft ist meiner Meinung nach auch für viele andere Städte ein Modell der Zukunft.

STAHL: Dem bleibt eigentlich nichts hinzuzufügen. Die Infrastruktur unter die Erde zu verlegen, ist ein maßgeblicher Faktor, um den Stadtraum für die Einwohnerinnen und Einwohner zugänglicher zu machen. Der Weg dorthin ist herausfordernd – das haben wir beispielsweise auch anhand der Realisierung der Düsseldorfer Wehrhahnlinie erfahren. Wichtig ist es, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und über die künftigen Vorteile und Verbesserungen aufzuklären. So können wir nicht nur Akzeptanz für temporär auftretende Einschränkungen, sondern auch positive Zukunftsvisionen entwickeln.

Das war ein interessanter Einblick in Ihre Arbeit, vielen Dank.

 


CHRISTINA ZIMMERMANN, M.SC.

(geb. Schüßler) studierte an der RWTH Aachen Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt konstruktiver Ingenieurbau. Nach ihrem Studium arbeitete sie von 2013 bis 2014 bei der Flückiger + Bosshard AG in Zürich, im Hoch-, Brücken- und Ingenieurbau. Anfang 2015 wechselte sie als Projektleiterin im Brücken- und Ingenieurbau zu Schüßler-Plan. 2018 wurde sie Gesellschafterin der Schüßler-Plan GmbH. Seit 2020 ist sie Geschäftsführende Gesellschafterin der Schüßler-Plan GmbH sowie der Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft Düsseldorf mbH.

DR.-ING. MICHAEL STAHL

studierte von 2004 bis 2007 Rohstoffe und Geotechnik an der Technischen Hochschule Georg Agricola in Bochum. Im Zeitraum von 2009 bis 2011 promovierte er am Institut für Geotechnik der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Seit 2013 leitet er den Bereich Geotechnik der Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft Düsseldorf mbH und wurde 2019 Geschäftsführer der Schüßler-Plan Tochter ICG Ingenieure GmbH (ehem. ICG Düsseldorf GmbH & Co. KG, Ingenieur Consult Geotechnik). Seit 2021 ist er Geschäftsführender Gesellschafter der ICG Ingenieure GmbH.

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