
© By & Havn | Vilhelm Lauritzen Akitekter, COBE, STED og Rambøll
Kopenhagen hat erkannt, dass unsere Städte längst nicht mehr die gleichen Ansprüche wie in der Vergangenheit zu erfüllen haben. Rein funktionale Architektur wie die Moderne sie seriell produziert hat, reicht heute nicht mehr aus, um den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt in unseren Städten gerecht zu werden. Wie in den meisten dicht bebauten Metropolen wächst die Bevölkerung Kopenhagens kontinuierlich. Aber nicht nur der steigende Bedarf an Wohnraum stellt die Stadt vor eine Herausforderung. Auch die Umwelt fordert auf lokaler Ebene eine Berücksichtigung. Dementsprechend muss Kopenhagen nicht nur Wohnraum, Kitas, Schulen, Unternehmen, Kultur- und andere Freizeitangebote bieten, sondern bei deren Bau und Neugestaltung auf nachhaltige Methoden und Lösungsansätze zurückgreifen.
A Nation of Architecture – Denmark
Im Jahr 2007 beteiligte sich Kopenhagen an der Entwicklung einer neuen nationalen Architekturpolitik des dänischen Ministeriums für Kultur mit dem Titel „A Nation of Architecture – Denmark“. Diese soll Kommunen dazu ermutigen, eine eigene Architekturpolitik zu entwickeln und selbst Kriterien für die architektonische Qualität festzulegen, die speziell auf die Bedürfnisse und Herausforderungen der Stadt zugeschnitten sind. Dementsprechend hat Kopenhagen eine eigene Architekturpolitik für die Stadt konzipiert, welche sich in vier Hauptkategorien mit den jeweiligen Zielen aufteilt: Charakter, Architektur, städtische Räume und Prozesse.
Der Charakter der dänischen Hauptstadt soll durch Bewahrung und Entwicklung gleichermaßen gestärkt werden. Darüber hinaus ist die Entwicklung urbane Räume und Landschaften mit hoher architektonischer Qualität angestrebt, die ein vielschichtiges städtisches Leben fördern. Ein weiteres Ziel ist die Erleichterung der Stadtentwicklungsprozesse. Die Beteiligung der Bürger soll dabei als eine elementare Voraussetzung für den Erfolg der Vorhaben dienen.

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Nordhavn: ein modernes, nachhaltiges und bürgerorientiertes Viertel
Nordhavn ist der nördlichste Teil Kopenhagens und befindet sich, wie der Name bereits vermuten lässt, am Meer. Gleichzeitig ist dieses Gebiet zentrumsnah gelegen und keine 20 km vom Flughafen Kopenhagen-Kastrup entfernt. In der Vergangenheit war der nördliche Hafen ein hoch frequentierter Handelshafen, der regelmäßige industrielle Erweiterungen erfuhr. Dieses Gebiet soll über die nächsten 50 Jahre anhand der Kopenhagener Prinzipien für Stadtentwicklung zu einem neuen lebendigen Stadtteil Kopenhagens werden. Die Entwicklung des Stadtteils übernimmt By & Havn, ein gemeinsames Unternehmen der Stadt Kopenhagen und der dänischen Regierung, welches 2007 für die Entwicklung der Hafengebiete und Ørestad sowie zur Verantwortung des Kopenhagener Hafenbetriebs gegründet wurde. Das Unternehmen soll den ehemaligen Industriehafen in ein modernes, nachhaltiges und bürgerorientiertes Viertel verwandeln. Entwickelt wird nach dem Gewinner-Masterplan des internationalen Wettbewerbs 2009 von COBE, SLETH, Sangberg (ehemals Polyform) und Rambøll. Hierfür werden rund 100 ha Land aufgeschüttet, um Nordhavn zu vergrößern. Der Landgewinn an der nordöstlichsten Spitze Nordhavns stellt in Kopenhagen das größte Projekt dieser Art dar und wird den Stadtteil auf rund 350 ha vergrößern. Rund 16 Prozent des Füllsubstrats stammen aus den Ausgrabungen für den Metro-Stadtring. Für 2025 wird der Abschluss der Landgewinnung erwartet.

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Mischnutzung am Meer
Dabei soll das neue Viertel Meer und Land, Wohnen und Arbeiten vereinen und zu einem lebenswerteren Kopenhagen beitragen. So sieht die Transformation des Hafenviertels nicht nur Wohnhäuser und Arbeitsplätze vor, sondern auch den Bau von Kindergärten, Schulen und Sportstätten. Ein besonderes Highlight ist der in 2016 eröffnete Konditaget Lüders, ein 2.400 m2 großer Außensport- und Spielbereich auf dem Dach des Parkhaus Lüders auf der Helsinkigade. Die Treppen auf das 24 m hohe Dach dienen als Laufstrecke. Auf der eigentlichen Fläche sind weitere Fitness- und Spielgeräte verankert, an denen sich von 7 bis 22 Uhr ausgetobt werden kann. Gebaut wurde nach dem Entwurf von JAJA Arkitekter.
Ein weiteres bereits fertiggestelltes Gebäude, ist die Copenhagen International School, CIS Nordhavn von C.F. Møller. Auf insgesamt 26.000 m2 befinden sich neben Lehrräumen auch Gemeinschaftsräume für zusammen 1200 Schüler und Schülerinnen. Das Gebäude ist von einer öffentlich zugänglichen Promenade umgeben, die ein offenes Stadtambiente schaffen soll und Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten im urbanen Raum bietet. Mit einer Fassade aus 12.000 Solarpaneelen, kann die Schule mehr als die Hälfte ihres jährlichen Strombedarfs selbst decken. Die energetische Fassade zählt mit 6048 m2 zu den größten gebäudeintegrierten Solarkraftwerken in Dänemark.
Kronløb Island
Ein besonderes Highlight des neuen Hafendistrikts wird die neue Kronløb Island sein. Die Insel wird im Hafenbecken Kronløb entstehen und den Inner Nordhaven mit Sundmolen verbinden. Die Bebauung der Insel ist an die geologischen Prozesse der Tausende von Jahren alten, monolithischen Landschaft und Inseln Dänemarks, ein Wohnblock im monolithischen Architekturstil angelehnt. Sechs Wohnkomplexe, die sowohl im Osten, im Westen als auch im Zentrum der Insel Platz für urbane Räume lassen, bilden das Quartier. Das Zentrum soll durch seine Bepflanzung als grüner Aufenthaltsraum des Quartiers dienen und sich schließlich nicht auf den Boden beschränken, sondern mithilfe von Kletterpflanzen auch die Häuserfassade und Dächer der Gebäude begrünen. Die urbanen Räume im Westen und Osten von Kronløb Island sind direkt am Wasser gelegen. Ein großes Unterwasserparkhaus bietet Abstellmöglichkeiten für die Autos der Bewohner. Entwickelt wird nach dem Design von Ramboll, Vilhelm Lauritzen Architects, Cobe Architects und STED City & Landscape. Fertiggestellt wird das Projekt voraussichtlich 2020.

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Kultur am Hafen
Um auch Kulturnutzungen in Nordhavn ein Zuhause zugeben, soll die ehemalige Tunnelfabrik in ein Kulturhaus umgewandelt werden. Auf rund 32.000 m2 Raum für kulturelles Leben und Arbeiten schaffen und eine Mischung aus Studentenapartments, Büros und Fläche für Workshops, Sport, Design und Kultur bieten. Der Entwurf des Nordhavner Kulturzentrums stammt von Arcgency. Das umliegende Grundstück soll schließlich, mit einer an die Kopenhagener Landschaft orientierten Gestaltung, eine Kombination aus Veranstaltungsort für Kultur und Ruheraum für die Besucher schaffen.
Neben der Nutzung durch die Kopenhagener erhofft sich die Stadt durch die Nähe zum Kreuzfahrtterminal zusätzliche Tourismusströme zum neuen Kulturhaus. Als einziger Stadtteil, der die DGNB-Gold-Zertifizierung für Nachhaltigkeit erhalten hat, mag an dieser Stelle die Frage berechtigt sein, wie Kreuzfahrttourismus und nachhaltige Stadtentwicklung Hand in Hand gehen sollen. Die schwimmenden Kolosse gelten als Umweltsünder schlechthin, verbrennen sie schließlich bei ihren langen Reisen auf See Unmengen an Schweröl, dessen Abgase nicht nur der Umwelt, sondern auch uns Menschen schaden.
Infrastrukturelle Vernetzung
Verkehrsinfrastrukturell wird das Viertel bis 2020 mit zwei neuen Metrostationen versorgt, die durch eine neue Metrolinie angefahren werden. Ziel ist es bei der Neugestaltung des Nordhavn-Distrikts die historische Hafenatmosphäre mit dem modernen Flair des neuen Hafenviertels zusammenzubringen. Nach seiner Fertigstellung soll Nordhavn Wohnraum und Arbeitsplätze für jeweils 40.000 Menschen bieten. Während Nordhavn 2016 für nur rund 234 Einwohner ein Zuhause bot, sind es im Jahr 2019 rund 2500 Einwohner. Die Anzahl der hier lebenden Kopenhagener hat sich somit mehr als verzehnfacht. Ein Indiz für die erfolgreiche Transformation des ehemaligen Industriehafens in einen neuen lebendigen Stadtteil.
Einwohner und Nachhaltigkeit für urbane Räume
Rundum stehen bei der Stadtentwicklung Kopenhagens stets die Einwohner und die nachhaltige Bebauung zur Schaffung lebenswerter urbaner Räume im Vordergrund. Die Berücksichtigung des stadteigenen historischen, landschaftlichen und architektonischen Charakters dient dabei als gestalterische Leitlinie. Diese Aspekte sowie das bisher erfolgreiche Streben nach kontinuierlicher Weiterentwicklung von zukunftsorientierten Stadtentwicklungsprozessen beweisen das Geschick der Kopenhagener, ihre Stadt zur lebenswertesten der Welt zu machen.
[…] Weitere Entwicklungen von Hafen(teil)gebieten findet ihr z. B. in San Francisco und Kopenhagen. […]