
© Christian O. Bruch, Hamburg / BIS mbH
Herr Thörner, was hat Sie vor rund drei Jahren nach Bremerhaven verschlagen?
Ursprünglich komme ich aus Osnabrück, jedoch hat es mich aus beruflichen Gründen – ich bin Altbausanierer – für einen Zeitraum von 20 Jahren nach Berlin gezogen. Dort habe ich insbesondere in Berlin-Mitte Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Aus privaten Gründen bin ich schließlich wieder zurück nach Osnabrück gezogen. Nach dem gelungenen Umbau einer Konservenfabrik aus dem Jahr 1906 fand ich dort kein geeignetes Objekt mehr und sah mich mit der Entscheidung konfrontiert, entweder im Ruhrgebiet oder an der Küste sanierungswürdige Objekte ausfindig zu machen. Ich entschied mich für die Küste und zog zunächst nach Bremen. In Bremen fand ich jedoch keine entsprechenden Sanierungsobjekte, und die Ansprechpartner bei den städtischen Behörden sagten zu mir: „Was Sie suchen, finden Sie in Bremerhaven.“ Also zog ich weiter nach Bremerhaven.
Sie haben sich ja recht schnell in das Goethequartier in Bremerhaven-Lehe verliebt. Was haben Sie gesehen, was anderen verborgen blieb?
Das Stadtplanungsamt Bremerhaven, dem ich mein Anliegen mitteilte, machte mich auf das Goethequartier aufmerksam, das mich vom ersten Moment an begeisterte. Eine zweitägige, intensive Begehung führte schließlich zu meiner Entscheidung, das Haus Goethestraße/Ecke Lutherstraße, aus dem als letzter Mieter der Obst-und Gemüsehändler Dietzel vor vierzehn Jahren ausziehen musste, zu erwerben, um es zu sanieren. In Rücksprache mit der Stadt stellte sich heraus, dass diese bereits mit dem Versuch, das Gebäude zu erstehen, um es abzureißen, gescheitert war. Seitens der städtischen Wohnungsbaugesellschaften wurde das Objekt als nicht mehr sanierungsfähig eingestuft. Diese Einschätzung hat meine Neugier jedoch doppelt geweckt. Nach einigen Wochen erwarb ich das ehemals prächtige Gebäude Goethestraße/Ecke Lutherstraße, in das ich auch selber einziehen möchte, von einer niederländischen Investorengruppe, sowie zwei weitere Objekte.
Woher rührt Ihre Leidenschaft für die Sanierung von Altbauten?
Auch wenn ich zunächst eine rein kaufmännische Ausbildung absolviert habe, bin ich bereits seit 1979 mit Immobilien selbstständig. Altes fasziniert mich und ich bin leidenschaftlicher Sammler. Im Zuge der Sanierung eines Objektes ist es daher auch stets mein oberstes Ziel, den Originalzustand möglichst authentisch wiederherzustellen. In den vergangenen Jahrzehnten habe ich wertvolle Erfahrungen gewonnen und aus Fehlern gelernt, sodass ich heute ein vermutlich außergewöhnliches Know-how im Bereich Altbausanierung vorweisen kann. Die Instandhaltung und Sanierung von Altbauten ist für mich immer auch verbunden mit der Frage nach dem entsprechenden dazugehörigen Flair. Ich selbst präferiere es, in Altbauten zu wohnen, und mit eben diesem Anspruch, den ich an meinen eigenen Wohnraum habe, saniere ich auch jedes meiner Objekte. So verwende ich beispielsweise stets original Altbautüren. Bei den Fenstern achte ich auf die historische Teilung. Diese werden grundsätzlich in Holz gebaut, immer ohne Kippbeschläge, um die Details eines historischen Hauses wieder entsprechend authentisch herzustellen.
Sie investieren nicht nur viel Geld in ein verrufenes Viertel, sondern sind mittlerweile auch selbst Bewohner des Quartiers. Welche Vorteile ergeben sich hieraus?
Aus dem Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten innerhalb eines Viertels ergibt sich für mich natürlich ein ganz entscheidender Vorteil: der kurze Arbeitsweg. Aber auch unabhängig davon empfinde ich das Goethequartier mit seinem hohen Altbaubestand und dem Natursteinpflaster als sehr charmant. Leider ist eine Mehrzahl der Immobilieneigentümer ihrer Verantwortung in den letzten Jahren nicht angemessen nachgekommen, was sich auf das städtebauliche Erscheinungsbild des Quartiers auswirkt. Das ist bedeutsam vor dem Hintergrund, dass 90 Prozent der Objekte im Goethequartier sich in privater Hand befinden. Einzelne Immobilieneigentümer, allen voran die kommunale Wohnungsbaugesellschaft wie die STÄWOG oder die Vereinigte Bau- und Siedlungsgenossenschaft Bremerhaven-Wesermünde eG zeigen sich zum Glück engagiert.
Der heutige bauliche Zustand des Quartiers ist auf einen großen Umbruch in den 80er-Jahren zurückzuführen. Mithilfe staatlicher Fördermittel war es Mietern und Eigentümern damals möglich, ihre Häuser zu sanieren. Der Umgang mit diesen Fördermitteln erfolgte jedoch nur zum Teil gewissenhaft und Sanierungen erfolgten auf sehr niedrigem Niveau. Darüber hinaus war die Inanspruchnahme von Fördermitteln nur möglich, wenn der Wohnraum an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vermietet wurde. Mit dieser Wohnungspolitik wurde zugleich eine soziale Mischung des Viertels verhindert, und das ist noch heute ablesbar. Ich kümmere mich derzeit insbesondere um gänzlich leer stehende Objekte und lege im Rahmen der Vermietung viel Wert auf die soziale und demografische Durchmischung innerhalb der Mieterschaft. Indem ich außerdem Ladenlokale in die sanierten Objekte integriere, versuche ich einen weiteren Impuls zur nachhaltigen Belebung des Quartiers zu leisten. Dabei stehe ich stets im engen Kontakt mit den Wohnungsbaugesellschaften. Ich übernehme zum Teil die Baukoordination von Sanierungen der Immobilien im Goethequartier für die Gesellschaften und gebe Ideen zum aktuellen Bedarf an Handel und Gastronomie im Quartier: Das ist dann z. B. ein regionales Gemüsegeschäft oder aber ein regionales Restaurant, ein „Auflaufhaus“, das im Objekt Goethestraße/Ecke Lutherstraße geplant ist, oder das Wiederbeleben einer alten Bäckerei in der Goethestraße/Ecke Kistnerstraße.
Fühlen Sie sich in einer gewissen gesellschaftlichen Verantwortung bzw. selber als Gestalter des Goethequartiers?
Ich sehe mich immer in einer gesellschaftlichen Verantwortung und das lässt sich auch an der Qualität meiner Sanierungen ablesen. Dies hat natürlich zur Folge, dass ich auch weitaus weniger Rendite erziele, als ich es mit einer weniger hochwertigen Sanierung tun würde. So erhalte ich zwischen vier und fünf Prozent Rendite, die für mich ausreichend ist und mit der ich mich auch wohlfühle. Darüber hinaus fallen durch eine hochwertige Sanierung im Nachgang weitaus weniger Kosten für Reparaturen usw. an. Die bisherige Erfahrung mit meinen Projekten bestärkt mich in dieser Vorgehensweise sehr.
Merken Sie bereits, dass andere Ihrem Beispiel hier folgen?
Seitens der Wohnungsbaugesellschaften besteht derzeit ein verstärktes Interesse und die Entwicklungen im Goethequartier erfreuen sich zunehmender Aufmerksamkeit. Spätestens mit Fertigstellung des Gebäudes Goethestraße/Ecke Lutherstraße wird sich diese Aufmerksamkeit noch weiter steigern. Sicherlich sanieren einige Alteigentümer gar nicht erst ihre Immobilien aus der Befürchtung heraus, die entsprechende Mieterschaft nicht gewinnen zu können. Aber auch hier ist ein deutlicher Wandel spürbar. Als ich vor drei Jahren eine Kreditanfrage für die Sanierungsprojekte in der Goethestraße bei der Bank stellte, wurde diese abgelehnt. Vor einem halben Jahr hingegen kam die Bank aktiv auf mich zu, um mir einen Kredit anzubieten. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten besteht in Bremerhaven seitens der Stadt ein großes Interesse an den Entwicklungen. Aus diesem Grund können Investoren beispielsweise auch Anträge für Umbaumittel West stellen. Diese Chance habe auch ich als Investor wahrgenommen und erhalte von der Stadt im Rahmen der Umbaumittel West u. a. für die Goethestraße 60 und die Uhlandstraße 18 einen Zuschuss von ca. 20 Prozent der Kosten, der mir die Möglichkeit einräumte, die Objekte zu sanieren.
Denken Sie, dass diese Stellschrauben vielen Akteuren noch gar nicht bekannt sind und diese sich deswegen nicht an solche Projekte herantrauen?
Nein. Anders als ich saniert der Großteil der Investoren, um möglichst kurzfristig hohe Renditen zu erzielen. Eine Ausnahme bilden die Wohnungsbaugesellschaften, die auch städtisches Interesse haben und vereinzelte Altbaueigentümer, die – etwa durch Erbstrukturen – eine emotionale Verbindung zu ihrem Objekt pflegen.
Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Sind Sie hier im Goethequartier angekommen?
Ja. In der Vergangenheit habe ich immer dort gewohnt, wo ich Arbeit hatte. Diese Zeiträume beliefen sich dann auf fünf bis 20 Jahre – eben genau die Zeit, die ich für die Sanierung der Objekte brauchte. In Bremerhaven ist das anders. Selbst wenn hier noch zehn andere Investoren die gleiche Arbeit wie ich machen würden, so wünschte ich mir direkt noch einen Elften hinzu, von dem dann jeder der zehn Sanierer ebenfalls profitieren würde. Das ist das Schöne an meiner Arbeit: Wenn das Goethequartier in der Zukunft zu einem lebendigen Stadtteil mit einer Vielzahl an Geschäften wird, in dem sich die Menschen in ihrer Vielfältigkeit wohlfühlen und das Quartier als ihr Quartier annehmen, dann habe ich mit meiner Arbeit eine nachhaltige Veränderung erwirkt. Ob das, was ich jetzt tue, das Richtige ist, wird die Zukunft zeigen. Wichtig ist es jedoch, überhaupt etwas zu tun.
Herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch.
Rolf Thörner
hat sich 1979 mit Immobilien selbstständig gemacht. In den 80er Jahren gründete er gemeinsam mit Freunden und Verwandten die GVA Grund- und Vermögensanlagen AG. Mit dieser ist er 10 Jahre später von Osnabrück nach Berlin umgesiedelt, um fünf Jahre nach der Wende in Berlin Mitte (Ostberlin) Altbauten zu sanieren. 20 Jahre späterverschlug es ihn aus persönlichen Gründen wieder in seine Heimatstadt Osnabrück. Von dort aus kam er vor drei Jahren über Bremen nach Bremerhaven. Rolf Thörner ist Vorstand der META AG sowie der Goethe-Quartier Wohnungsbau AG.
Hallo hier Frau romeike hätte Interesse an einer 3 Zimmer Wohnung Parterre in Goethestraße.bitte um eine Mitteilung