NANJING: WOLKENKRATZER VON OLE SCHEEREN

© Buro OS

Nanjing zeigt sich mit ganz unterschiedlichen Gesichtern: Der historische Stadtkern wird durch den neu entstehenden Jiangbei District ergänzt, ein modernes urbanes Zentrum, das eine Verbindung aus Kultur und Tradition, Ökologie, Natur und Identität auf der einen und Innovation auf der anderen Seite anstrebt. Hier soll bald ein „supertall skyscraper“, ein Hochhaus mit über 300 m Höhe, die Stadtsilhouette ergänzen. Die Pläne liefert Ole Scheeren mit seinem Büro OS. Die Jury, die den Entwurf für den Nanjing Nexus getauften Turm zum Sieger des internationalen Architekturwettbewerbs kürte, lobt die Beziehungen zwischen der lokalen Kultur, der umgebenden Landschaft und dem Fluss, die das Hochhaus prägen. Resultat ist eine Architektur, die die historische Vergangenheit mit den Herausforderungen und Erwartungen an die Zukunft verbinden will.

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Die architektonische Form des Nanjing Nexus basiert nicht auf dem typischen rechteckigen Grundriss, sondern greift in der Form eines Achtecks eine Glückszahl in der chinesischen Zahlenmystik auf. Jede Seite des Baukörpers ist zu einem konkaven Bogen geformt und formuliert damit eine einladende Geste an das urbane Umfeld. Die acht Bogen sind horizontal geteilt und vertikal verschoben, um Versätze zu schaffen und eine Art Skyline innerhalb des Gebäudes zu evozieren. Über mehrere Geschosse öffnen sich stellenweise große „urban windows“, die dank der sich bietenden Aussicht die umgebende Stadt ins Gebäude holen und gleichzeitig das Geschehen innerhalb des Turms nach außen vermitteln. Üppige Bepflanzung verwandelt die Fenster in vertikale Gärten, und diese wiederum in eine zeitgenössische Interpretation der Gartenkultur und Pavillons der Provinz Jiangsu. Mit der Integration spezifischer Landschaftstypologien verfolgt das Architekturteam Nachhaltigkeitsstrategien ökologischer, sozialer, aber auch historischer Art. Ole Scheeren, Gründer und Leiter von Büro OS, fasst diese Ambitionen der Architektur in folgende Worte: „Nanjing Nexus ist ein Gebäude, das der Frage nachgeht, wie zeitgenössische Architektur historischen Kontext aufnehmen und sogar verstärken kann, indem sie die Qualitäten der Vergangenheit mit den Anforderungen eines zukunftsorientierten Arbeitsortes verschmilzt – und das in der Vertikalität eines superhohen Büroturms. Bei der Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart geht es nicht nur um formale Gesten. Es geht darum, tatsächliche Erfahrungen und Räume mit spezifischen emotionalen und erfahrungsbezogenen Qualitäten zu schaffen.“

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Ähnlich vielschichtig aufgeladen ist die Gestaltung der Fassade des Turms. Ihre dreidimensionale Struktur ist so konzipiert, dass einerseits die Solarleistung des Gebäudes optimiert und strukturelle Windlasten reduziert werden. Gleichzeitig reflektiert sie in ihren kleinteiligen Facetten das Licht auf eine Art, die an das Glitzern des Lichts auf dem Jangtse erinnern soll. Ein Turm, der Zahlenmystik, Gartenbautradition und den Jangtse in sich vereint – in Nanjing wird man nicht nach vorne schauen, um die Zukunft zu sehen, sondern nach oben.

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