
© Jan Kamensky / Deutsche Bundesstiftung Umwelt // STUTTGART: Die Rosenberg-Platz-Utopie war eine Auftragsarbeit für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) und ist im Rahmen der Ausstellung Grün Stadt Grau entstanden.
Die Sehnsucht nach attraktiven, öffentlichen Räumen und der damit verbundene Wunsch nach einer menschenzentrierten Stadtplanung ist kein neues Phänomen. Während des Wiederaufbaus der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Städte fokussierten sich Stadtplanende allerdings auf das Auto als prägenden Akteur. Bis heute zeugen städtische Infrastrukturen an vielen Stellen von der damaligen Politik – die Straßen sind breit, die Bürgersteige schmal. In den Köpfen hat die autogerechte Stadt längst ausgedient. Zweifelsohne: Bürgerinnen und Bürger wollen ihre Stadt zurück. Und wie?
Kurze Bestandsaufnahme: Traurig aber wahr ist, dass die Relevanz des öffentlichen Raumes (zurück) ins öffentliche Bewusstsein rückte, als die Corona-Pandemie unsere Bewegungsfreiheit massiv einschränkte. Reisen wurden zeitweise komplett verboten und vor dem hohen Ansteckungsrisiko in geschlossenen Räumen gewarnt. Aber auch vor Corona hatte der öffentliche Raum bereits einen hohen Stellenwert: Insbesondere im Frühjahr und im Sommer, wenn die Tage wieder länger werden, zieht es die Menschen nach draußen. Man will das Wetter genießen, frische Luft und Sonne tanken, gemeinsame Zeit im Freien erleben. Wenn öffentliche Räume diesen Bedürfnissen begegnen und die passenden Voraussetzungen bieten (z. B. Sicherheit vor Verkehr und Kriminalität, attraktive Sitzmöglichkeiten und attraktives Grün), werden sie ganz automatisch zu den „Hot Spots“ des städtischen Lebens. Und dass solche Orte eher selten an vielbefahrenen und von Parkplätzen gesäumten Straßen liegen, erklärt sich von selbst.
Die Verantwortung für die Gestaltung solcher Räume liegt bei Stadt- und Raumplanern sowie kommunalen Akteurinnen. Allerdings erfreut sich die Thematik zunehmend auch in der künstlerischen Szene großer Beliebtheit. Ihr entscheidender Vorteil: Sie können von Anfang an einen offeneren, kreativen Ansatz verfolgen und die Stadt aus einem anderen Blickwinkel betrachten.

© Jan Kamensky / Deutsche Bundesstiftung Umwelt
Einer von ihnen ist der visuelle Gestalter Jan Kamensky. Seit März 2020 verwandelt er Verkehrsknotenpunkte weltweit mithilfe seiner Animationen in urbane Oasen und stillt damit – zumindest visuell – unsere Sehnsucht nach lebens- und liebenswerten Stadträumen. Die Idee, einen viel befahrenen Stadtraum einmal ohne Autoverkehr zu betrachten, entstand mit Beginn der Pandemie, also genau zu dem Zeitpunkt als das öffentliche Leben und das wuselige Treiben auf unseren Straßen plötzlich zum Erliegen kamen.
Die Grundlage seiner Arbeit bildet der Ist-Zustand eines Ortes, festgehalten in Fotografien. Mithilfe von Photoshop und After Effects transformiert Kamensky den jeweiligen öffentlichen Raum in eine grüne Oase mit attraktiven Aufenthaltsmöglichkeiten – menschenzentriert und autofrei. Betrachterinnen und Betrachter wird Zeuge der visuellen Transformation des urbanen Raumes: Diese Dynamik entlarvt die Dominanz des motorisierten Verkehrs unserer gegenwärtigen Infrastrukturen und weckt unsere Sehnsucht nach einer „besseren Welt“, die uns Kamensky ebenfalls serviert. Auf diese Weise porträtierte Kamensky bereits Stadträume in Paris, Brüssel, Tokyo, Rwanda, Rotterdam, Hamburg oder Stuttgart.

© Jan Kamensky / Deutsche Bundesstiftung Umwelt
Mit seinen visuellen Visionen möchte der Artdirector das Bewusstsein für das vorherrschende Ungleichgewicht zwischen Auto und Mensch schärfen. Doch auch eine tatsächliche Umsetzung seiner Ideen würde Kamensky sehr freuen. Und damit ist er nicht allein. Weitere Visionen wie z. B. die von Designerin Camille Walala für die Oxford Street in London oder die eines autofreien Times Square in New York vom Büro 3deluxe zeigen, dass es keinesfalls an guten Ideen mangelt, sondern es an der Umsetzung scheitert.
Die Rechnung ist denkbar einfach. Mehr Grün plus weniger Autos gleich höhere Lebensqualität – ein schönes Sehnsuchtsbild. Und vielleicht eines, das irgendwann nicht nur digital simuliert, sondern auch real gelebt wird.
Jan Kamenskys animierte Visualisierungen gibt es unter www.visualutopias.com und www.vimeo.com/jankamensky. // Jan Kamensky’s Ambitionen, die Menschen zur Reflexion einzuladen und seine Vision für Paris, die „Boulevard Utopique“ haben wir uns auch in unser Ausgabe polis Mobility MOVING CITIES näher angesehen.
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