
© MVRDV
Zweifelsohne ist das Format des klassischen Einkaufszentrums längst nicht mehr zeitgemäß. Sichtbar wird dies an den weltweit rückläufigen Besucher:innenzahlen. Die Zunahme des Online-Shoppings, das insbesondere in der Corona-Pandemie nochmals an Fahrt aufgenommen hat, verstärkt die Problematik. Der klassische Einzelhandel übt längst nicht mehr die Anziehungskraft aus, die er einmal hatte. Die Folge: verödende Innenstädte. Die Krux: An sich kein neues Problem. Die Lösung: visionäre Konzepte.
An dieser Stelle setzt das international agierende Architekturbüro MVRDV mit seinem Umnutzungskonzept für ein veraltetes Einkaufszentrum inklusive Konzerthalle im niederländischen Eindhoven gleichsam neue wie ungewöhnliche Impulse. Die Basis für das Projekt Het Heuvelkwartier & De Muziekberg ist das Ergebnis einer Vereinbarung zwischen CBRE Global Investors, der Gemeinde Eindhoven, der Provinz Nordbrabant, dem Muziekgebouw Eindhoven und dem VNO-NCW aus dem Jahr 2020. Gesucht wurde ein nachhaltiges Konzept für das veraltete Heuvel-Einkaufszentrum und dem Muziekgebouw, einer Konzerthalle, die sich derzeit im Inneren der Shoppingmall befindet. Mit diesem Ziel vor Augen entwickelten die Architekt:innen ein visionäres Konzept zur Transformation des Einkaufszentrums Heuvel: Dort wo einst der Konsumtempel den urbanen Raum dominierte, soll künftig ein großzügig angelegter Veranstaltungsort für Konzerte samt attraktivem Rooftop-Park das Areal in ein nachhaltiges Kulturviertel transformieren.
Mit Het Heuvelkwartier und De Muziekberg betraten MVRDV kein für sie unbekanntes Terrain. Mit Projekten wie dem im Bau befindlichen Marble Arch Hill, einer temporären Installation in London, die Besucher:innen wieder in die Oxford Street locken soll, und Tainan Spring, einer grünen Oase, die 2020 auf den Fundamenten eines z. T. abgerissenen Einkaufszentrum in Taiwan errichtet wurde, konnte das Architekturbüro in letzter Zeit auf seine visionären Konzepte aufmerksam machen.

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Für die Verbindung von Einkaufserlebnis, Kulturhotspot und grüner Oase sieht der Entwurf eine Neustrukturierung der vorhandenen Architektur vor: Bestehende Gebäude werden erweitert und geschlossene Strukturen aufgebrochen. An ihre Stelle treten sieben neue Quartiersbereiche, dessen Gebäude eine großzügige Dachbegrünung erhalten. Wo Besucher:innen ehemals durch geschlossene Einkaufspassagen geleitet wurden, verleihen attraktiv gestaltete Straßenzüge dem Quartier neue, wohltuende Offenheit. Sie verbinden darüber hinaus das Quartier mit den umliegenden öffentlichen Räumen sowie den Kulturstätten im Stadtzentrum.
In diesem Kontext wird der Grundkörper des Muziekgebouw in Form gestapelter Baukörper aufgestockt. Ihre transparente Fassade verwandelt das Muziekgebouw in einen „gläsernen Berg“. Nicht nur aufgrund seiner außergewöhnlichen Architektur, sondern auch wegen seines uneingeschränkten Blicks über die Stadt, wird er zum neuen Highlight des Quartiers. Durch die architektonische Erweiterung und die damit einhergehende Vergrößerung der Veranstaltungsfläche kann das Muziekgebouw Eindhoven künftig auch sein Veranstaltungsspektrum erweitern. Übergeordnetes Ziel ist es, die Konzerthalle in ein innerstädtisches Wohnzimmer zu transformieren. Dazu soll ebenfalls ein neuer Funktionsmix beitragen: So soll beispielsweise das Foyer künftig tagsüber nicht mehr leer stehen, sondern zum Arbeiten und Verweilen einladen.
Die Vision wurde im Mai 2021 dem Bürgermeister und den Stadträten von Eindhoven vorgestellt. Für die geplante Erweiterung der Konzerthalle wird derzeit eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, deren Ergebnisse noch vor Ende dieses Jahres* erwartet werden. Das Projekt besitzt das Potenzial einen wertvollen Beitrag zur klugen Verdichtung einer rasant wachsenden Stadt zu leisten, die gleichsam architektonischen sowie kulturellen Bedarfen begegnet und darüber hinaus auch zur Attraktivierung des urbanen Raums beiträgt.
*2021
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