
Zukünftiger Panoramablick entlang der Reuss © Ilg Santer Architekten, Walter Mair und RED
Zentral in Luzern liegt am Ufer der Reuss das fast 200 Jahre alte Theater. Zwischen der Jesuitenkirche, der markanten Kapellbrücke als Verbindung in die Altstadt und den umgebenden Freiräumen hat es das Ortsbild städtebaulich maßgeblich geprägt. Doch der klassizistisch anmutende Altbau entspricht nicht mehr den Anforderungen eines solchen zeitgenössischen Theaters. Aus diesem Grund hat die Stadt Luzern einen zweistufigen, offenen Wettbewerb ausgelobt, den Ilg Santer Architekten aus Zürich Ende letzten Jahres für sich entscheiden konnte. Im März 2023 hat sich nun auch der Stadtrat Luzerns positiv zum Siegerentwurf geäußert. Aktuell wird das Projekt für die weiteren Schritte überarbeitet. Aufgrund der hohen Bedeutung für die Stadt Luzern entschied der Grosse Stadtrat in seiner Sitzung am 4. Mai 2023, eine Spezialkommission für die parlamentarische Begleitung des Projektes einzusetzen.
Das bestehende Theater wurde im Herbst 1839 mit einer Aufführung von Schillers Wilhelm Tell eröffnet. Im Laufe der Jahre gab es nur kleinere bauliche Anpassungen; 1970 wurden lediglich das Foyer angebaut sowie die Herstellung der Kulissen ausgelagert. Aktuell hat das Theater einen zehnmonatigen Spielplan mit Oper, Schauspiel, Tanz- und Kinder- und Jugendtheater. Im künftigen Betrieb soll das Haus ganzjährig bespielt werden und weiterhin ein vielfältiges Programm für alle Theaterfreund:innen und jene, die es werden wollen, bieten. Allerdings ist der Altbau für ein solches zeitgenössisches Theater und die Anforderungen zu klein und zudem sanierungsbedürftig. Im Rahmen eines zweistufigen, offenen und anonymen Architekturwettbewerbs konnte sich der Vorschlag von Ilg Santer Architekten aus Zürich im Dezember 2022 durchsetzen. Im ersten Rundgang wurden von 128 Einreichungen zwölf für die zweite Stufe ausgewählt, mit denen sich der Entwurf des Züricher Büros messen musste. Gefordert waren drei öffentlich zugängliche Veranstaltungsräume („Großer Saal“, „Kleiner Saal“ und Studio) sowie ein Foyer, das auch für kleinere Anlässe genutzt werden kann. Eine parallele Bespielung der Veranstaltungsräume soll ebenfalls möglich sein. Ein technisches Augenmerk lag insbesondere im „Großen Saal“ für Musiktheater und Tanzproduktionen auf der Raumakustik. Ebenso war ein Bühnenturm gewünscht und eine Gastronomie, die unabhängig vom Theater betrieben werden kann.

Der Blick vom gegenüberliegenden Ufer der Reuss auf das neue Theater. © Ilg Santer Architekten, Walter Mair und RED
Das Projekt überall des Züricher Büros konnte besonders durch seinen zeitgemäßen Ansatz des Weiterbauens und der Identitätsbewahrung überzeugen. Die Jury unter dem Fachvorsitz des Architekten Patrick Gmür lobte die stimmige Verbindung von Alt und Neu sowie das zugrunde liegende Verständnis des Theaters als „Haus für alle“. Der Entwurf von Ilg Santer Architekten sieht einen Anbau in Richtung der Jesuitenkirche mit drei Volumen vor; bestehend aus einer flachen Basis mit zwei aufgesetzten, giebelständigen Körpern. Die Schauseite wendet sich damit eindeutig dem Flussufer und der gegenüberliegenden Altstadt zu, während sich das Projekt zum Stadtraum hin durch Abstufungen eingliedert.
Im Innenraum findet eine Neuprogrammierung statt: Der Zuschauer:innenraum des Altbaus wird zum Foyer, das sich durch eine allseitige Orientierung vielschichtig mit dem umgebenden Stadtraum verbindet. An der Außenwand des Bestandsgebäudes schließt sich ebenerdig der neue „Große Saal“ an. Dieser ist durch die Verortung im Grundriss auch von außen erschlossen, wodurch eine flexible Bespielung des gesamten Gebäudes möglich ist. Durch ein mechanisches Saalkonvertierungssystem, durch das der Boden ebenerdig oder in Rängen transformiert werden kann, ist der Große Saal zudem für vielfältige Nutzungen abseits des klassischen Theaters bespielbar. Zur Uferseite der Reuss hin schließt sich die Gastronomie über die gesamte Länge des Saales an. Sie ist durch das Foyer und von außen erschlossen und kann so eigenständig betrieben werden. Der vorgelagerte Außenbereich der Gastronomie unter der Uferallee stärkt die Beziehung zum Stadtraum.

© Ilg Santer Architekten, Walter Mair und RED
Im Gebäude selbst wird das Foyer über die gesamte Höhe zum verbindenden Element für die verschiedenen Bühnen. Gleichzeitig bietet es durch die angrenzenden Räume Möglichkeiten für kleinere Veranstaltungen und Empfänge auf den Zwischenebenen. Die ehemalige Hauptbühne im ersten Obergeschoss des Altbaus wird zur experimentellen Studiobühne, während der „Kleine Saal“ oberhalb des „Großen Saals“ in einem der neuen giebelständigen Volumen seinen Platz findet. Beide Säle öffnen sich durch die großen Öffnungen in der Fassade nach außen und ermöglichen so eine Kommunikation mit dem Stadtraum. Abgesehen von diesen „Stadtfenstern“ präsentiert sich die Fassade überwiegend geschlossen nach außen. Die Fassadenhaut, die aus weißen, geschuppten Metallplättchen bestehen soll, lässt eine paillettenartige Wirkung entstehen.

3D-Schnitt des Entwurfes © Ilg Santer Architekten_RED
Das Projekt überall konnte sich nach dem dritten Wertungsrundgang mit einer großen Mehrheit der Stimmberechtigten durchsetzen. Dennoch empfahl die Jury die Überarbeitung im Maßstab 1:20. Dabei sollen besonders die Aspekte der Fluchtwege, der Erschließung und Zugänglichkeiten, der betrieblichen Abläufe sowie der Konkretisierung von Konstruktion und Material Beachtung finden. Im Januar 2023 präsentierte eine Ausstellung das Wettbewerbsergebnis der Öffentlichkeit. Trotz überwiegend positiver Resonanzen bleibt die Überarbeitung in mehreren Punkten bestehen. Auch der Abstand zur Jesuitenkirche wurde kritisch angemerkt und soll überprüft werden. Im Anschluss an die Überarbeitung erfolgt die Weiterleitung an das städtische Parlament. Bis sich der Vorhang des Neuen Theaters öffnet, wird daher noch einige Zeit vergehen. Wie wäre es als kleine Reminiszenz auf die Geschichte des Theaters mit Schillers Wilhelm Tell für die erste Aufführung?
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