
© Sascha Kreklau
Sie sind ein Bochumer Junge, haben hier studiert und sind somit fest mit der Stadt verwurzelt. Inwiefern beeinflusst dies auch Ihre Arbeit als Oberbürgermeister?
Bochum ist meine Heimatstadt und ich möchte sie weiter nach vorne bringen. Noch immer wird Bochum von Außenstehenden oft unterschätzt. Dabei haben die Einwohnerinnen und Einwohner allen Grund dazu, stolz auf ihre Stadt zu sein: Bochum ist vielfältig, die Bochumerinnen und Bochumer sind herzlich und bodenständig. Wir haben eine exzellente Universität, die nicht nur im Bereich IT-Security europaweit bekannt ist, und verfügen über ein vielfältiges kulturelles Angebot. Solche positiven Aspekte möchte ich stärken.
Zu Beginn Ihrer Amtszeit befand sich die Stadt in einer schweren Krise. Wie sind Sie dieser Situation begegnet?
Mir war von Anfang an klar, dass wir diese Negativspirale stoppen und positive Zukunftsszenarien entwickeln müssen. Das ist uns mit viel Energie, aber auch der nötigen Portion Glück gelungen. Inzwischen ist diese Wahrnehmung auch in den Köpfen außerhalb Bochums angekommen. Wir bekommen viel positives Feedback zu unserer Entwicklung. Mittlerweile gilt Bochum wieder als interessanter Standort, sowohl für Investoren als auch für Zugezogene, die sich hier niederlassen. Von Depression ist keine Spur mehr – Bochum ist im Aufschwung.
Denken Sie, die Stadt hat mittlerweile genug Selbstbewusstsein, um zu zeigen, was sie kann? Durch welche Impulse wurde der Aufwärtstrend initiiert?
Ich denke schon. Als ich mein Amt als neuer Oberbürgermeister antrat, kamen in etwa zeitgleich auch ein neuer Stadtbaurat und ein neuer Wirtschaftsförderer ins Amt, ein neuer Universitätsrektor, eine neue Uni-Kanzlerin, ein neuer Hochschulpräsident sowie ein neuer IHK-Hauptgeschäftsführer. Uns alle einte der gemeinsame Wille, Bochum attraktiver zu machen und die Stadt als unsere gemeinsame Aufgabe zu betrachten. Das ist bis heute so: Wir sind gut vernetzt und sprechen die gleiche positive Sprache. Dennoch liegt noch ein weiter Weg vor uns, denn ein Imagewandel dauert länger als drei Jahre.
Wo steht Bochum im Vergleich zu anderen Städten des Ruhrgebiets? Ist der Konkurrenzdruck hoch?
Wenn danach gefragt wird, was gerade wo in Deutschland passiert, bin ich ein Freund davon, als Region in den Wettbewerb zu gehen. Doch natürlich gibt es auch einen gewissen Konkurrenzdruck. Dortmund und Essen mögen in puncto wirtschaftliche Prosperität nach wie vor einen Vorsprung haben, dafür haben wir ein enormes Entwicklungspotenzial. Sie sehen: Auch eine Portion Gelassenheit gehört zu meinem Amt als Oberbürgermeister.

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Sie sprechen von Bochum als „familiäre Großstadt“. Was macht Bochum für junge Familien attraktiv?
Momentan entstehen viele Arbeitsplätze, die besonders bei der jüngeren Generation sehr begehrtsind, und mittlerweile bleiben auch unsere Studierenden hier in der Stadt. Darüber hinaus bieten wir Perspektiven in allen Bildungs- und finanziellen Bereichen. Wir schaffen entsprechenden Wohnraum wie im Ostpark mit attraktiver Architektur, viel Grün und Wasserflächen und achten auf eine soziale Durchmischung, die für urbanes Leben ganz wichtig ist. Nicht zuletzt richtenwir bis 2022 tausende neue Kitaplätze ein und gestalten unsere Innenstadt so um, dass sie auch für junge Familien ansprechend wird. All diese Faktoren sind wichtige Stellschrauben.
Abgesehen von dieser gut ausgebildeten und finanziell gut gestellten Gruppe: Bleibt ein Teil der Bevölkerung vielleicht auch auf der Strecke bzw. wie gelingt die Integration der verschiedenen Bevölkerungsschichten?
Natürlich gibt es Stadtteile mit finanziell schwächerer Bevölkerung, aber die Spannbreite ist deutlich geringer als in anderen Städten. Nichtsdestotrotz heißt das für uns, künftig vor allem auch die in den Blick zu nehmen, die in der Vergangenheit das Gefühl hatten, zu kurz gekommen zu sein. Das tun wir z. B. mit unseren Integrierten Stadtentwicklungskonzepten. Wattenscheid hat seit der Eingemeindung im Jahr 1975 nie so viel Aufmerksamkeit erhalten wie im Moment. Im Norden der Stadt werden wir nicht ohne Grund das größte und modernste Schulgebäude Bochums errichten. Genau das sind Signale, die zeigen sollen, dass wir uns um alle Bochumerinnen und Bochumer kümmern. Dieses Zusammenhalten von Gesellschaft ist unabdingbar für unsere Demokratie.
Mit der „Bochum Strategie 2030“ haben Sie ein Instrument gewählt, das auf Bürgerbeteiligung und Integration verschiedener Gesellschaftsschichten ausgerichtet ist. Wie hat sich diese innovative Idee entwickelt?
Wir haben in Bochum viel vor. Das kann nicht „aus dem hohlen Bauch heraus“ geschehen. Das braucht einen Plan. Daher haben wir im Vorfeld eine Vorstellung von Bochum im Jahr 2030 entwickelt, aufbauend auf unseren bereits vorhandenen Stärken und den Zielen, die wir erreichen wollen. Hieraus sind priorisierte Projekte, Kernaktivitäten entstanden, deren Finanzierung wir sichern. Dies unterscheidet unsere Strategie maßgeblich von den Strategieprozessen anderer Kommunen. Insofern bildet die „Bochum Strategie“ ein stabiles Fundament, das auch von der Politik mitgetragen wird.
Erfahren Sie dieses Vertrauen denn auch seitens der Bürger bzw. der allgemeinen Öffentlichkeit?
Viele Bürgerinnen und Bürger bringen sich engagiert ein, ob per Mail, Anruf, Brief oder im direkten Gespräch. Und natürlich freue ich mich über den regen Zulauf unserer Bürgerkonferenzen, bei denen sich alle Akteure treffen und das Thema im gemeinsamen Diskurs weiter vorantreiben. Das ist eine gute Grundlage. Darüber hinaus wird die Strategie durch unsere Kernaktivitäten Schritt für Schritt sichtbar(er) und nimmt im wahrsten Sinne des Wortes Form an. Zu sehen, dass es voran geht, ist unheimlich wichtig.

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Es heißt, Sie wollen künftig auf „alten Stärken” aufbauen. Welche neuen Stärken werden sich hieraus entwickeln?
Es geht primär darum, die bereits vorhandenen Stärken weiterzuentwickeln. Wir wollen vermehrtauf das Thema „Wissen” setzen, indem wir die Universität, die nun bereits seit 50 Jahren existiert, stärker in die Stadt und das Stadtleben einbeziehen. Bei der Fokussierung auf die Themen Gesundheitswirtschaft und IT-Security haben wir bereits viel erreicht. Wir haben das Potenzial, nicht nur Deutschlands Hauptstadt für IT-Sicherheit zu werden, sondern vielleicht auch für ganz Europa. Wichtig ist, dem stetigen Wandel gegenüber offenzubleiben. Ist die Antwort von heute, auch die richtige Antwort für morgen? Das ist die Frage, die wir uns tagtäglich stellen müssen.
Bochum verbinden viele nach wie vor mit „Currywurst, Bergbau und Opel”. Sind diese Klischees manchmal auch anstrengend?
Currywurst ist vor allem lecker und der Bergbau prägend für die Region. Darüber hinaus kann Bochum auf ein großes Erbe zurückblicken, wie z. B. auf das „Bergmannsheil”, das erste Unfallkrankenhaus der Welt oder die Knappschaft. Dennoch ist nicht die Vergangenheit meine Denkkategorie, sondern die Zukunft. Und die funktioniert in Bochum so gut, weil Themen wie Solidarität, Offenheit und Klarheit im Umgang miteinander ihren Ursprung im Bergbau haben. Wir kommen in Bochum schnell auf den Punkt.
Vor diesem Hintergrund: Wie läuft denn die Kommunikation der vielen verschiedenen Akteure untereinander?
Sehr direkt. Mit allen wichtigen Akteuren gibt es eine ganz unmittelbare und schnelle Kommunikation. Und wir treffen uns regelmäßig in unterschiedlichen Runden: So sind zum Beispiel in dem Wissenschaftsverbund UniverCity nicht nur die Universität und die Hochschulen, sondern auch die Stadt, die IHK, die Handwerkerschaft sowie viele Akteure des städtischen Lebens involviert und wir diskutieren gemeinsam das Thema Hochschulstadt. Und dreimal im Jahr treffen sich der Rektor der Universität, die Uni-Kanzlerin, der IHK-Präsident, der IHK-Hauptgeschäftsführer, der Stadtdirektor und ich zu einem Gespräch ohne feste Tagesordnung. Hier geht es oft um ganz substanzielle Dinge, die auf direktem Wege verhandelt werden. Auf diese Weise entsteht gegenseitiges Vertrauen. Das ist das A und O.
Können Sie sich vorstellen, die Stadt einmal zu verlassen und woanders zu arbeiten?
Bochum verlasse ich nur im Urlaub. Wegziehen werde ich nicht.
Das ist ein gutes Schlusswort. Vielen Dank für dieses interessante Gespräch.
THOMAS EISKIRCH
ist seit Oktober 2015 Oberbürgermeister der Stadt Bochum. Nach seinem Abitur im Jahr 1990 absolvierte er das Grundstudium der Ökonomie an der Ruhr-Universität Bochum. Darauf aufbauend erfolgte von 1995 bis 2000 das Hauptstudium – mit dem Schwerpunkt Betriebswirtschaftslehre – an der Universität Dortmund. Ab dem Jahr 2000 war er als Prokurist in einem Unternehmen der Immobilienwirtschaft tätig. Von 2005 bis 2015 war er Mitglied im Landtag NRW und dort unter anderem wirtschaftspolitischer und energiepolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion NRW.
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