Die Postwachstumsökonomie ist in aller Munde. Doch wofür genau steht der Begriff? Dafür muss man etwas ausholen. Es beginnt beim Konzept der Nachhaltigkeit. Letzteres zieht sich nun schon seit Längerem durch fast alle Bereiche des sozioökonomischen Lebens. Entstanden ist beispielsweise die sog. Green Economy, die ökologische und ökonomische Ziele in Konjunktion denken will. Kritiker dieser Green Economy werfen ihr allerdings vor, dem „Rebound-Effekt“ zum Opfer zu fallen. Dabei wird ökologische Effizienz durch verstärkten Konsum annulliert. Beispielhaft seien hier E-SUVs genannt oder verbesserte Dämmungsverfahren, auf stetig wachsender Wohnfläche. Dem gegenüber sind die Verfechter der Postwachstumsökonomie der Ansicht, es brauche einen kulturellen Wandel. Weniger Konsum, Selbstversorgung, Regionalisierung und Verbraucher als Produzenten sind einige der Kernanliegen maßvollerer Wirtschaftsstrukturen. Dieser kulturelle Wandel drückt sich auch in zivilgesellschaftlichem Engagement aus, beispielsweise im Urban Gardening.
Die Postwachstums-Anhänger monieren, zu wenige Unternehmen stellten sich auf die neue Form des Wirtschaftens um. Vor allem auf gemeinschaftlichen Nutzen sollten Unternehmen sich fokussieren und Konsumenten in Produktionsprozesse einbinden. Beispielhaft sei hier das allgemein bekannte und vielbesprochene Carsharing genannt.
Die Debatte, ob die Gesellschaft heute noch Wirtschaftswachstum braucht, wird hart ausgefochten. Während für viele Menschen Wachstum so selbstverständlich wie die Erdanziehungskraft ist, sprachen sich jüngst 200 Wissenschaftler in einem offenen Brief an die EU gegen Wirtschaftswachstum im klassischen Sinne aus. Sie plädierten für die gerechtere Verteilung des Reichtums, Schonung der Ressourcen und sinnvolle Arbeit. Über die letzten Jahrzehnte sei das Wachstum das Maß aller Dinge gewesen. Mittlerweile sei es aber immer schwerer Wachstum zu generieren, weil die Märkte gesättigt sind und die Umwelt ausgelaugt ist.
Als eine der drei bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland muss sich auch die Immobilienbranche Fragen der Nachhaltigkeit stellen. Dazu hat der ZIA Zentrale Immobilien Ausschuss ein Forschungsprojekt lanciert, in dem die Nachhaltigkeit auch als Chance für die Immobilienwirtschaft begriffen wird, etwas zu dieser positiven und notwendigen gesellschaftlichen Entwicklung beizutragen. Konkrete Handlungsanleitungen gibt der ZIA zum Beispiel in Form des Lebenszyklusgedanken. Hierbei geht es darum, Immobilien im Bestand regelmäßig zu sanieren. Dazu gehört auch, die gesellschaftliche Beziehung zu Gebäuden zu überdenken. Anstatt das, was ästhetisch als mangelhaft empfunden wird, zu zerstören, muss erneuert und wiederverwertet werden, um so Ressourcen zu sparen. Immer wichtiger und ebenfalls deckungsgleich mit den Idealen der Postwachstumsökonomie ist die Nachverdichtung. Dabei geht es darum, Lücken und offene Räume in engen Ballungszentren auf konstruktive Art und Weise zu auszufüllen und zu schließen. Sowohl bei Bestandssanierung als auch bei Nachverdichtung ist der Return on Investment allerdings überschaubar. Es stellt sich also die Frage, wie diese Lücke geschlossen werden könnte.
Wahrscheinlich ist der Spalt zwischen wirtschaftlichen Interessen und der Nachhaltigkeit zu tief, als dass man von Unternehmen erwarten könnte, ihn aus eigener Kraft zu schließen. Der Markt muss reguliert werden. Globalisierte Märkte gehen mit sozialer Verantwortungslosigkeit einher und setzen falsche Anreize. Im Sinne der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft muss der Staat an dieser Stelle zum Wohle aller Akteure als Mittler zwischen unternehmerischem Interesse und dem der Bürger auftreten. Wenn viele Arbeitnehmer zum Pendeln gezwungen sind, da innerstädtischer Wohnraum unerschwinglich geworden ist, müssen Bund und Länder eine neue Wohnpolitik anstoßen.
Ein Lösungsansatz im Sinne der Postwachstumsökonomie könnte sein, dass der Staat nachhaltiges Wirtschaften der Immobilienunternehmen stärker subventioniert. Aktuell gibt es sowohl für Privatpersonen als auch Unternehmen Fördermittel von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Form von günstigen Krediten. In Summe kann aber der wirtschaftliche Ertrag durch Bestandssanierung natürlich nicht mit dem durch Neubauten gewonnenen mithalten. Hier besteht also nach wie vor Handlungsbedarf seitens der Politik. Dadurch könnten die oben beispielhaft genannte Maßnahme der Bestandssanierung für Unternehmer lukrativer und somit günstigerer Wohnraum wieder verfügbar werden.
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